David North
Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale

Healy verteidigt die Vierte Internationale

Der Bruch mit den Pablisten und die Gründung des Internationalen Komitees war die unerlässliche Vorbereitung der Vierten Internationale auf die Krise, die im Jahr 1956 in der Kremlbürokratie und den ihr angeschlossenen stalinistischen Parteien auf der ganzen Welt ausbrach. Healy erinnerte sich oft daran, wie er eines Samstagmorgens in den letzten Wintertagen jenes Jahres aus den Nachrichten von einer Geheimrede Chruschtschows erfuhr, in der dieser zugegeben hätte, dass der verstorbene Joseph Stalin ein Krimineller gewesen sei, der den Mord an Tausenden von Kommunisten in der Sowjetunion auf dem Gewissen habe. Das war die Gelegenheit, auf die die Trotzkisten jahrelang gewartet hatten! Sobald Healy die Bestätigung für diese Neuigkeit in den Händen hatte, reagierte er mit der ihm eigenen Energie. Er stellte die Namen jedes einzelnen Mitglieds der Kommunistischen Partei Großbritanniens zusammen, das er oder irgend jemand anderes in der britischen Sektion kannte, und begann von einer Ecke des Landes in die andere zu reisen, um die Bedeutung von Chruschtschows Enthüllungen im historischen Zusammenhang von Trotzkis Kampf gegen den Stalinismus zu diskutieren.

Die Stärke des Eingreifens der britischen Trotzkisten in die Krise des Stalinismus war ein Ergebnis der Klarheit, die sie auf Grund des Kampfs gegen den pablistischen Revisionismus gewonnen hatten. Gerade weil die britische Sektion jede Versöhnung oder Kapitulation gegenüber dem Stalinismus zurückgewiesen hatten, war Healy in der Lage, aus den Reihen der Stalinisten wichtige Kräfte zu gewinnen – insbesondere unter Intellektuellen in der Kommunistischen Partei, wie z.B. Cliff Slaughter, Tom Kemp und Peter Fryer. Letzterer wurde für den Trotzkismus gewonnen, nachdem er als Korrespondent der stalinistischen Zeitung Daily Worker in Budapest die Niederschlagung der ungarischen Revolution im November 1956 erlebt hatte.

Die Krise in der Kommunistischen Partei und die Rekrutierung bedeutender neuer Kräfte für die trotzkistische Bewegung versetzten Healy in die Lage, zwei Projekte in Gang zu bringen, die eine wichtige Rolle in der weiteren politischen und organisatorischen Entwicklung der britischen Sektion spielen sollten – die Herausgabe von Newsletter und Labour Review. Die Zeitung Newsletter bedeutete eine enorme Stärkung der unabhängigen politischen Aktivität der Trotzkisten in den Gewerkschaften und innerhalb der Labour Party, wo der Einfluss des revolutionären Marxismus zum Entsetzen der rechten Sozialdemokraten und der Gewerkschaftsbürokraten ständig zunahm. Die Zeitschrift Labour Review etablierte sich schnell als das herausragende Organ des internationalen revolutionären Marxismus. Während ihre Seiten auch Vertretern zentristischer und linker sozialdemokratischer Tendenzen zugänglich gemacht wurden, um die breitestmögliche Diskussion über die Bedeutung der stalinistischen Krise zu ermöglichen, vertrat die Labour Review in ihren Leitartikeln und der Arbeit der Redaktion unermüdlich das Programm des revolutionären Marxismus.

Es wäre ein leichtes, Fehler und Schwächen in dem Entrismus aufzudecken, den Healy von 1947, dem Jahr des Eintritts der RCL-Minderheit in die Labour Party, bis zur Gründung der Socialist Labour League im Jahr 1957 leitete. Der Entrismus bedeutet von seinem ganzen Charakter her, dass der revolutionäre Kader in eine extrem feindliche politische und organisatorische Umgebung gebracht wird. Die ständige Bedrohung, von den rechten Bürokraten verfolgt und ausgeschlossen zu werden, schränkt seine Bewegungsfreiheit unvermeidlich ein. Die unausweichliche Notwendigkeit, Bündnisse mit nichtmarxistischen Elementen einzugehen, um im Rahmen der feindlichen Organisation revolutionäre Arbeit leisten zu können, bringt immer das Risiko mit sich, bei den unvermeidbaren Zugeständnissen weiter zu gehen als ursprünglich vorgesehen. Es gelang Healy nicht immer, politische Missgeschicke zu vermeiden, als er durch die verräterischen Wasser der Labour Party steuerte. Trotzdem stand Healys Arbeit unter dem Banner des revolutionären Marxismus und bildet ein Kapitel in der Geschichte der trotzkistischen Bewegung, das mit all seinen Stärken und Schwächen bis heute eine reiche Quelle politischer Erfahrung bietet. Wenn man die alten, gebundenen Jahrgänge von Newsletter und Labour Review durchsieht, dann muss man von ihrem hohen politischen und theoretischen Niveau und ihrer festen Orientierung auf die täglichen Kämpfe der britischen Arbeiterklasse einfach beeindruckt sein.

Die Labour Review erklärte ihren Lesern im Jahr 1958, dass „niemand, der diese harte Arbeit von marxistischer Aktivität in der Arbeiterbewegung aufnimmt, leichte Siege erwarten sollte, auch nicht in Zeiten wachsender Militanz. Es ist eine Arbeit gegen zahlreiche Widerstände: hier ein Leser für unsere Literatur gewonnen, dort ein Kontakt, dort eine Diskussionsgruppe gebildet, eine Resolution durchgeboxt, eine Gruppe von militanten Arbeitern für die marxistische Auffassung und Strategie gewonnen. Bevor die revolutionäre Krise herangereift ist und Hunderttausende von Arbeitern zum Banner des Marxismus bringt, sehen nur relativ wenige die Notwendigkeit einer so einheitlichen Strategie, wie sie der Marxismus bietet. Diese wenigen sind die kostbaren Kader der zukünftigen Arbeiterpartei: für ihre Sammlung, Organisierung und politische und ideologische Ausbildung ist keine Anstrengung und keine Mühe zu groß.“ (August-September 1958, S. 97)

Dann wird beschrieben, für welche Art marxistischer Bewegung Labour Review kämpfte:

Keine Gruppe verbohrter Doktrinäre ohne Wurzeln oder Perspektiven und unfähig, aus ihren Fehlern zu lernen; kein Klüngel wohlmeinender Universitätsdozenten, die zu jedem Thema etwas sagen können, nur nicht zu dem Klassenkampf, der vor ihrer Nase stattfindet; keine Partei, die Lippenbekenntnisse zum Marxismus ablegt, während sie in Wirklichkeit von der Fraktion kontrolliert wird, die in Moskau gerade das Heft in der Hand hat. Nein, die marxistische Bewegung, deren Aufbau sich Labour Review verschrieben hat, wird ihre Wurzeln in den Zechen und Betrieben und auf den Baustellen haben, sie wird die Bestrebungen der Arbeiter, für die ,Intellektueller‘ kein Schimpfwort ist, und der Intellektuellen, deren größter Wunsch der Dienst am Kampf der Arbeiterklasse ist, vereinen. Sie wird die Traditionen von revolutionärer Glut, Disziplin, Festigkeit und Internationalismus fortführen, die allein den Namen ,Bolschewismus‘ verdienen, und wird sie unter den neuen Bedingungen mit den besten Traditionen des Kampfes der einheimischen Arbeiterklasse verbinden.

Die marxistische Bewegung in Großbritannien wird ein würdiger Erbe sein der Chartisten, des Clydeside-Streiks, der Aktionsräte, der Kommunistischen Partei von 1920-24, der National Minority Movement, der marxistischen Gruppen der dreißiger Jahre und der Revolutionary Communist Party der vierziger. (ebd.)

Healys Arbeit in der Labour Party verdient ein kritisches Studium als wichtiger Bestandteil der trotzkistischen Erfahrung in Großbritannien, von weitaus größerer und dauernderer historischer Bedeutung ist jedoch seine Rolle nach der Spaltung von 1953 zur Verteidigung des Programms der Vierten Internationale gegen die reaktionären Angriffe des kleinbürgerlichen Revisionismus. Und an dieser Stelle muss gesagt werden, dass der Kampf, den Healy und die britischen Trotzkisten gegen die prinzipienlose Wiedervereinigung der Socialist Workers Party mit den Pablisten führten, unter die wichtigsten Beiträge zum Marxismus im zwanzigsten Jahrhundert gezählt werden muss. Zu einer Zeit, als die revolutionäre Kontinuität an einem seidenen Faden hing, rettete Healy mit seinem Einschreiten gegen das Renegatentum der SWP die trotzkistische Bewegung vor der unmittelbaren Gefahr der politischen Liquidation in den revisionistischen Sumpf der stalinistischen, bürgerlich-nationalistischen und kleinbürgerlich-radikalen Politik. Healy und die Socialist Labour League wichen nicht davon ab, dass das grundlegende Problem der Arbeiterbewegung „die anhaltende Vorherrschaft des Opportunismus in der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Imperialismus“ war, um mit ihren sehr treffenden Worten zu sprechen. (Labour Review, Winter 1961, S. 90)

Die Dokumente, die im Verlauf dieses Kampfes entstanden, lieferten die Grundlage für die theoretische Wiederbewaffnung der Vierten Internationale und die marxistische Erziehung einer gesamten neuen Generation revolutionärer Internationalisten. Viele dieser Dokumente wurden von Cliff Slaughter geschrieben, aber es steht außer Zweifel, dass Healy der politische Führer des Kampfs gegen die Revisionisten war. Die Pablisten selbst lieferten dafür die indirekte Bestätigung in Form einer endlosen Hetzkampagne und Provokationen gegen Healy, die nichts anderes waren als der konzentrierte politische Ausdruck des Hasses und der Angst, die der unabhängige Kampf der Arbeiterklasse im Kleinbürgertum hervorruft.

Der lange Kampf gegen die Socialist Workers Party begann im Jahr 1957, und zwar im März, als Cannon Leslie Goonewardene von der LSSP in einem Brief seine Bereitschaft mitteilte, nunmehr mit den Pablisten in Diskussionen über eine Vereinigung einzutreten. Healy erinnerte sich oft, dass er wie vom Donner gerührt war, als er diesen Brief bekam. Die Tatsache, dass Cannon sich nicht einmal mit den Briten beraten hatte, bevor er diese dubiose Initiative in die Wege geleitet hatte, konnte nur heißen, dass die SWP, die sich über die Feinheiten des politischen Protokolls sehr bewusst war, an einer internationalen Zusammenarbeit auf marxistischer Grundlage kein wirkliches Interesse mehr hatte. Am 10. Mai 1957 schrieb Healy einen ausführlichen Brief an Cannon, in dem er ein organisatorisches Herangehen an die Frage der Wiedervereinigung zurückwies und die Warnung aussprach, dass sich die revisionistischen Positionen der Pablisten seit der Spaltung von 1953 noch weitaus stärker ausgeprägt hatten. Healy beharrte darauf, dass die Krise des Stalinismus eine gesteigerte politische Unversöhnlichkeit der Trotzkisten erforderte, und dass diese nur auf der Grundlage eines unnachgiebigen Kampfes gegen den pablistischen Revisionismus entwickelt werden konnte:

Kürzlich sind wir die internen Dokumente unserer Weltbewegung seit Kriegsende durchgegangen“, erklärte er Cannon „und es ist ganz klar, dass ein objektives Studium dieser Periode für die künftige Ausbildung unserer Kader von größter Wichtigkeit ist. Pablos und Germains doppelzüngiges Gerede führte teilweise zu einer verheerenden Fehlerziehung unserer Genossen auf dem Kontinent, und dies kann man nicht durch den einfachen Hinweis wieder in Ordnung bringen, dass die objektive Situation seit dem Zwanzigsten Parteitag sehr günstig für uns ist. Die marxistische Ausbildung unserer Kader muss berücksichtigen, wie sich Pablo und seine Tendenz entwickelten, genau wie Du dies in Deinen Büchern über den Kampf gegen Burnham und Shachtman getan hast. Dazu reicht die objektive Situation allein nicht aus. ...

Wollten wir ohne Einschränkung annehmen, dass die gegenwärtige günstige Situation viel zur Überwindung der zerfallsartigen Spaltungen beitragen könne, durch die unsere Bewegung in ihrer Isolation gekennzeichnet war, dann könnte uns diese Annahme zu einer einseitigen und irrtümlichen Schlussfolgerung führen, genau wie die Theorien über den ,Druck der Massen‘, die Pablo und Germain 1953 vertraten. Entscheidend ist in der gegenwärtigen Periode die Stärkung unserer Kader, und dies ist nur möglich durch eine gründliche Ausbildung in den Fragen des Revisionismus. Das ist die wichtigste bewusste Rolle, die unsere Bewegung übernehmen muss. ... (Trotskyism Versus Revisionism, London 1974, Bd. 3, S. 33-34)

Während sich die Beziehungen zwischen der SWP und den britischen Trotzkisten verschlechterten, traf sich Healy zweimal mit Cannon und anderen SWP-Führern zu Diskussionen in Kanada, und zwar Ende 1958 und Anfang 1960. Dabei versuchten sie, eine gemeinsame Position des Internationalen Komitees zur Frage der Einheit mit dem pablistischen Vereinigten Sekretariat zu finden. Healy bestand darauf, dass eine endgültige Entscheidung über eine Wiedervereinigung von der Klärung der politischen Differenzen abhängig gemacht werden sollte, die zu der Spaltung von 1953 geführt hatten. Die Amerikaner und die Briten konnten sich nicht auf eine gemeinsame Herangehensweise einigen, und man hatte den unbestimmten Eindruck, dass die beiden Parteien auseinanderdrifteten. Aber die Diskussionen fanden nicht in einer verbitterten Atmosphäre statt. Einmal sagte Cannon Healy auf den Kopf zu, dass er unbedingt ein paar neue Kleider bräuchte, und unter großem Hallo wurde Healy von einigen Führern der SWP in das nächste Warenhaus geleitet. Ein paar Stunden später kehrte er in einem brandneuen Anzug in Cannons Hotelzimmer zurück. „Nicht schlecht, nicht schlecht“, bemerkte Cannon und musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Aber ändere nur die Linie, dann fordern wir ihn zurück.“

Aber Cannon war derjenige, der die Linie des Internationalen Komitees ändern wollte, und am 2. Januar 1961 schrieb das Nationalkomitee der Socialist Labour League einen Brief an die SWP, den man nur als eine Kriegserklärung gegen deren geplante Kapitulation vor dem pablistischen Revisionismus auffassen konnte. Die SLL erinnerte Cannon in scharfen Worten daran, was er in seinem „Offenen Brief“ geschrieben hatte, und warnte, dass jedes Abweichen von dessen Prinzipien, insbesondere unter Bedingungen eines internationalen Aufschwungs der Arbeiterklasse, „die Bedeutung eines Fehlers der trotzkistischen Bewegung von welthistorischem Ausmaß annehmen“ würde. Die SLL gab der SWP dann folgenden Rat:

Gerade weil die Möglichkeiten, die sich dem Trotzkismus eröffnen, so gewaltig sind, und daher die Notwendigkeit politischer und theoretischer Klarheit so groß ist, müssen wir uns nachdrücklich gegenüber dem Revisionismus in allen seinen Formen abgrenzen. Es ist an der Zeit, die Periode zu beenden, in der der pablistische Revisionismus als eine Strömung innerhalb des Trotzkismus betrachtet wurde. Wenn wir das nicht tun, können wir uns nicht für die revolutionären Kämpfe rüsten, die jetzt beginnen. Wir möchten, dass die SWP in diesem Geiste mit uns zusammen vorwärtsgeht. (ebd. S. 49)

Von dem Moment an, als die SLL offen ihre Opposition gegen eine opportunistische Wiedervereinigung mit den Pablisten ausgesprochen hatte, reagierte die SWP voller Erbitterung. Am 10. Mai 1961 schrieb Cannon einen Brief an Joseph Hansen, in dem er sich beschwerte über „einen Ausbruch neo-oehleristischer Aufregung in Großbritannien, der sie garantiert in Konflikt mit uns bringen wird“.[1]

Nur zwei Tage später schrieb Cannon an Farrell Dobbs: „Der Graben zwischen Gerry und uns vertieft sich offensichtlich. Es ist leichter, das zu erkennen, als zu sehen, wie diese Entwicklung aufgehalten werden kann. Meiner Meinung nach steuert Gerry samt seiner ganzen Organisation in eine Katastrophe.“ (ebd. S. 70-71)

Cannons Anrufung des Geistes von Hugo Oehler leitete eine internationale Verleumdungskampagne gegen Healy ein, die sich auf den Vorwurf konzentrierte, er sei ein „ultralinker Sektierer“ und Gegner der kubanischen Revolution! Der Kern von Healys „Sektierertum“ bestand in seiner Weigerung, die grundlegenden marxistischen Prinzipien aufzugeben, auf die sich die Vierte Internationale begründete. Er weigerte sich, dabei mitzumachen, wie die Pablisten die Arbeiterklasse jeder stalinistischen, bürgerlich-nationalistischen oder kleinbürgerlich-radikalen Kraft unterordneten, welche die politische Szene in diesem oder jenem Land beherrschte.

Was den Vorwurf betrifft, Healy sei ein Gegner der kubanischen Revolution, so war er eine glatte Lüge, die von der SWP erfunden und von Joseph Hansen in die ganze Welt posaunt wurde. Ihr Zweck bestand darin, den politisch desorientierten Mitgliedern der SWP Vorurteile einzuflößen, so dass sie Healys Positionen über die komplexe kubanische Frage gar nicht erst objektiv anhören würden. Healy erinnerte sich:

Hansen ging dann an seine Hetze. War es nicht der US-Imperialismus, der das kubanische Volk unterdrückt hatte? Natürlich, und wenn die SLL zögerte, Kuba als Arbeiterstaat zu bezeichnen, bedeutete das dann nicht automatisch, dass die SLL ein Verbündeter des US-Imperialismus war?

Das war das Märchen, das er in der SWP verbreitete, um die politische Atmosphäre gegenüber der SLL, mit der sie über 20 Jahre lang zusammengearbeitet hatten, zu vergiften.

Zusätzlich zu all dem wurden Mitglieder der SWP nach Kuba geschickt, damit sie das ,Land des Sozialismus‘ mit eigenen Augen sehen sollten.

Im Vergleich zu den USA mit ihrer Atmosphäre von antikommunistischer Hexenjagd kam ihnen in Kuba von ihrem Touristenstandpunkt aus alles ganz herrlich vor. Das Problem war eben nur, dass sie lediglich für kurze Zeit dort waren.

Trotzdem reichte es für Hansens Zwecke. Als die amerikanischen und kanadischen Touristen heimkehrten, sagte er: ,Jetzt seht ihr, wie die SLL dem US-Imperialismus hilft. Macht Euch nicht die Mühe, ihre Bulletins zu lesen, Jim Cannon hat schon Recht, wenn er keine Diskussionen mit Unterstützern des US-Imperialismus führen will, oder nicht? Und sie antworteten leider mit ,ja‘ auf diesen Abklatsch stalinistischer Verdrehungen der trotzkistischen Methode. (Problems of the Fourth International, S. 26)

Es gab unzählige Artikel in der Presse der Socialist Labour League, darunter viele von Healy, in denen die kubanische Revolution unzweideutig gegen die Provokationen des US-Imperialismus verteidigt wurde. Die SLL wies jedoch die fadenscheinige Auffassung zurück, wonach eine prinzipielle Verteidigung Kubas als unterdrückter Nation irgendwie nach sich ziehe, dass man Fidel Castros Regime als sozialistisch bezeichnen müsse. Sie erkannte ganz richtig, dass die SWP Kuba deshalb als ,Arbeiterstaat‘ verherrlichte, weil sie vor der Methode und Weltanschauung des pablistischen Revisionismus kapituliert hatte, der nicht anerkannte, dass die wesentliche Voraussetzung für den Sieg der sozialistischen Revolution in der unabhängigen revolutionären Mobilisierung der Arbeiterklasse unter der Führung ihrer eigenen marxistischen Partei bestand.

Nichts entlarvt die spätere Degeneration Healys klarer als ein Vergleich der politischen Linie, die er und die Socialist Labour League von 1961 bis 1964 gegen die Socialist Workers Party verteidigten, mit der Politik, die Healy und die Workers Revolutionary Party in den siebziger und achtziger Jahren vertraten. Wenn die SLL schon in den frühen sechziger Jahren die opportunistischen Positionen zum bürgerlichen Nationalismus und Stalinismus bezogen hätte, wie sie die WRP fünfzehn Jahre später so schamlos und zynisch vertrat, dann hätte sie keinerlei Veranlassung gehabt, mit der SWP zu brechen und sich im Juni 1963 der Wiedervereinigung mit den Pablisten zu widersetzen. Die wichtigen Dokumente, die die SLL von 1961 bis 1964 herausgab, betonten immer wieder die konterrevolutionären Implikationen der pablistischen Anpassung an den bürgerlichen Nationalismus in den zurückgebliebenen Ländern auf der einen Seite und den Chruschtschow-Flügel der stalinistischen Bürokratie auf der anderen. Ein Beispiel dafür ist der politische Bericht an das Internationale Komitee vom September 1963, in dem Cliff Slaughter die Positionen des Trotzkismus und des Pablismus zu diesen entscheidenden Fragen gegeneinanderstellte:

In den zurückgebliebenen Ländern für die Lösung der Krise der Führung zu kämpfen, bedeutet, für den Aufbau proletarischer Parteien zu kämpfen, die sich die Diktatur des Proletariats zum Ziel setzen. In Ländern, wo das Kleinbürgertum oder die Bauernschaft zahlenmäßig besonders stark sind, muss man den proletarischen Charakter der Führung besonders stark hervorheben. In dieser Frage schlagen die Revisionisten einen Weg ein, der Lenins und Trotzkis Auffassungen direkt zuwider läuft. Sie rechtfertigen ihre Kapitulation vor kleinbürgerlichen, nationalistischen Führungen mit Spekulationen über einen neuartigen Typus der Bauernschaft... Dies ist nur ein dünner Deckmantel für die Kapitulation vor der kleinbürgerlichen Führung der FLN (Algerien) in Algerien und Castros in Kuba. ...

In Bezug auf die stalinistische Bürokratie und die politische Revolution liegt der Fall noch klarer. Die ausgeprägte Rechtswendung Chruschtschows folgt nur wenige Jahre auf Pablos Behauptung, dass sein Teil der Bürokratie die Vernichtung des Stalinismus anführen werde. ... Jede Strategie, die von der Annahme ausgeht, dass Teile der konterrevolutionären stalinistischen Bürokratie ,nach links gehen‘ könnten, ist eine Negation des Trotzkismus. (Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, S. 188-89)

Healys politische Arbeit in den frühen sechziger Jahren weist ein weiteres wichtiges Element auf, das im Vergleich zur Aktivität in den letzten beiden Jahrzehnten seines Lebens seine spätere politische Degeneration noch deutlicher hervortreten lässt. Während des Kampfes innerhalb der Socialist Workers Party lag Healy nichts mehr am Herzen als die politische Klärung und Erziehung des Kaders der Vierten Internationale in den grundlegenden Fragen von Programm und Prinzipien. Das war der Hauptgrund für seine Opposition gegen jede prinzipienlose Wiedervereinigung mit den Pablisten ohne eine Klärung der Fragen, die zur Spaltung im Jahr 1953 geführt hatten.

Es ist sehr aufschlussreich, die politische Korrespondenz zu lesen, die Healy während des Kampfs gegen die prinzipienlose Wiedervereinigung mit Tim Wohlforth unterhielt, dem damaligen Führer der Minderheitsfraktion auf Seiten des IKVI innerhalb der Socialist Workers Party und späteren Gründer der Workers League. Trotz der tiefen Differenzen zwischen der SLL und der SWP ist Healys private Korrespondenz ein Zeugnis für seinen ernsten Wunsch, durch eine gründliche Diskussion über die Perspektiven die Krise in der Vierten Internationale zu lösen. Healy drängte Wohlforth wiederholt, jede fraktionelle Aktivität zu vermeiden, die der politischen und theoretischen Klärung des internationalen Kaders in den Weg geraten könnte.

„Wir konnten in Großbritannien seit 1954 enorme Fortschritte machen“, schrieb er am 8. März 1961 an Wohlforth.

Unsere Führung ist heute theoretisch sehr viel stärker, und trotz erheblicher Schwierigkeiten haben wir unseren Einfluss unter wichtigen Schichten ständig ausgeweitet. Wir denken, dass die Zeit jetzt reif ist für eine sehr gründliche Diskussion. Wir vertrauen darauf, dass sie erfolgreich verlaufen kann, weil die Genossen in vielen Ländern eine solche Diskussion wünschen.

Wir müssen außerordentlich darauf achten, unsere Kräfte nicht in irgendeiner Form von Fraktionalismus aufzureiben. Es ist meine Überzeugung, dass mit Geduld und Prinzipienfestigkeit die Weltbewegung innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahre reorganisiert werden kann.

Ich denke, Euer Dokument wird den Genossen in der SWP sehr helfen.

Am 21. März 1961 gab er Wohlforth folgenden Rat:

Wir legen großen Wert darauf, dass die Diskussion in der SWP so objektiv wie möglich geführt werden muss. Ich spreche als jemand, der schon viele Fraktionskämpfe geführt hat, und ich zögere nicht, von ganzem Herzen alle Warnungen vor dem Fraktionalismus zu unterstützen, die Jim Cannon gelegentlich geäußert hat.

Die Frage des Pablismus müssen wir untereinander politisch ausdiskutieren und im nächsten Jahr oder so eine internationale Zusammenkunft unserer Leute organisieren. Die dringendste Frage besteht darin, Klarheit in der Bewegung zu schaffen.

Bitte schreibe mir so regelmäßig Du kannst, denn es interessiert mich immer sehr, Deine Gedanken zu erfahren.

Wir stehen jetzt an der Schwelle zu einer wirklich internationalen Bewegung, die meinem Eindruck nach eine festere, orthodoxe trotzkistische Position vertreten wird.

Am 5. April 1961 schrieb er:

Unsere Besorgnis über die Frage des Fraktionalismus hat ihre Ursache nicht darin, dass wir den guten Willen nicht erkennen würden. Wir wissen, dass er auf beiden Seiten vorhanden ist, aber wir sind ernsthaft beunruhigt über den grundlegenden Charakter unserer politischen Differenzen. Die Bemerkungen Noras zu Deinem Artikel sind ein Alarmzeichen. Wenn diese Art von Fehlerziehung in der SWP um sich greift, dann wird sie mit Sicherheit ihre politische Orientierung verlieren, und wenn der Kader noch so fest ist.

Und drei Wochen später, am 24. April 1961, schrieb Healy von neuem:

Über eines kannst Du Dir ganz sicher sein, was die Socialist Labour League betrifft, wer immer uns auch als Fraktionalisten bezeichnet: Das ist absolut falsch, und wir werden auf einer politischen Klärung der umstrittenen Fragen in unserer internationalen Bewegung bestehen. Darin werden wir uns niemandem beugen. Ich habe den Eindruck, dass wir viel zu viel Zeit verloren haben, weil bisher einer solchen theoretischen Klärung ausgewichen wurde. Es wird Dich deshalb interessieren zu erfahren, dass unser Nationales Exekutivkomitee beschlossen hat, ein Dokument zu entwerfen, um in die jetzige politische Diskussion in der SWP einzugreifen. Ich hoffe, dass wir dieses Dokument bis Ende Mai abschließen können. Wir werden es Dir möglichst rechtzeitig schicken, damit es vor Eurem Parteitag ausgeteilt werden kann.

Ich stimme mit Eurem Beschluss überein, um jeden Preis eine Verschärfung der fraktionellen Gegensätze zu vermeiden. Bitte setzt diese Politik fort und lasst kein Gerede über einen Bruch mit der SWP zu, ganz egal, wie schwierig Euch die Situation vorkommt. Eurer Problem betrifft nicht die SWP – es ist ein grundlegendes internationales Problem. Wir müssen die Fragen international klären. Ich bin mir über die Verantwortung unserer Sektion in dieser Hinsicht völlig klar.

Es ist kein Wunder, dass die Renegatenfraktionen der WRP, die 1985-86 mit dem Internationalen Komitee brachen – die Fraktionen von Slaughter, Torrance oder den Redgraves, (den Vertretern der kläglichen „Marxist Party“, in der Healy seinen Lebensabend verbrachte) – den Kampf der SLL gegen die pablistische Wiedervereinigung in den Jahren 1961-64 nicht erwähnen. Sie haben nichts gemeinsam mit dem Healy jener Periode, der sich stolz einen „orthodoxen Trotzkisten“ nannte. Unabhängig von ihren verschiedenartigen Beziehungen zu Healy nach der Spaltung in der Workers Revolutionary Party im Oktober 1985 weisen sie alle die internationalistischen Prinzipien zurück, auf deren Grundlage Healy und die SLL den Kampf gegen die Wiedervereinigung der SWP mit den Pablisten geführt hatten.


[1]

Hugo Oehler war der Führer einer sektiererischen Fraktion in der amerikanischen trotzkistischen Bewegung der dreißiger Jahre, die sich heftig gegen die Anwendung der ,französischen Wende‘ in den USA wehrte. Es handelte sich dabei um einen taktischen Eintritt der Trotzkisten in die Sozialistische Partei. Mit Oehlerismus meint man ein steriles Festhalten an Prinzipien, die rein abstrakt aufgefasst werden.