David North
Die Russische Revolution und das unvollendete Zwanzigste Jahrhundert

Reform und Revolution im Zeitalter des Imperialismus

Vortrag auf einer internationalen Schulung über Marxismus und die Grundprobleme des 20. Jahrhunderts in Sydney, Australien, am 5. Januar 1998.

Das 20. Jahrhundert bietet ein paradoxes Bild: keine andere Periode der Menschheitsgeschichte hat bislang eine derart durchgreifende Umwälzung des Alltagslebens, seiner Formen und Rhythmen erlebt. Ausmaß und Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts erfordern, dass wir unsere Auffassung des Universums und der Stellung unseres Planeten darin ständig verändern. Erst vor wenigen Tagen übermittelte uns ein Landemodul atemberaubende Bilder der Marsoberfläche, die mithilfe unserer Technologie erreichbar geworden ist. Wissenschaftliche Entdeckungen zwingen die Menschheit, ihre Vorstellungen von Zeit, Raum und Existenz zu revidieren und zu erweitern. Doch dieser wissenschaftliche Fortschritt wurde im 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Katastrophen und Verwerfungen erreicht. Die Weltkarte wurde immer wieder neu gezeichnet; unzählige Erschütterungen und ihre Folgen haben Hunderte Millionen Menschen ihrer Heimat beraubt und sie rund um die Welt verstreut.

Und doch ist auf dem Gebiet des politischen Denkens trotz dieser Umwälzung der Lebensumstände kein Fortschritt zu verzeichnen, der jenem in Naturwissenschaft und Technik gleicht. Das menschliche Wissen über das Universum ist seit 1900 exponentiell gewachsen; das Wissen über die Gesetze der eigenen gesellschaftlichen und ökonomischen Existenz ist dagegen weit hinter den Stand zurückgefallen, den die Gründer des modernen Sozialismus, Karl Marx und Friedrich Engels, bereits erreicht hatten.

Wenn wir uns die heutige bürgerliche Politik ansehen, so finden wir keine einzige Persönlichkeit, die als bedeutender Denker oder Stratege gelten dürfte. Dennoch verfügt die Bourgeoisie über den Vorteil enormer wirtschaftlicher Macht und immensen Reichtums. Zumindest bis zu den jüngsten wirtschaftlichen Turbulenzen in Südostasien ließen steigende Aktienkurse und Rekordprofite den Bedarf an breit angelegten strategischen Visionen nicht allzu dringlich erscheinen. Die lange Abwesenheit einer merklichen politischen Bedrohung ihrer Herrschaft hat es der Kapitalistenklasse zudem erlaubt, sich ganz auf die Anhäufung von Reichtum zu konzentrieren und die schwierigere Frage der Verteidigung gegen die Gefahr der sozialen Revolution zurückzustellen.

So schlecht es um die bürgerliche Politik bestellt ist: Das, was man gemeinhin beschönigend als »Arbeiterbewegung« bezeichnet, bietet ein weitaus schlimmeres Bild. Die Organisationen der offiziellen Arbeiterbewegung sind dem Untergang geweiht. Sie werden von Bürokraten geführt, die sich gegenüber den Interessen der Arbeiter, die sie angeblich vertreten, gleichgültig oder sogar ablehnend verhalten. Die Krise der Arbeiterbewegung ist aber nicht nur eine Folge der Unaufrichtigkeit, Korruption, Ignoranz und Unfähigkeit der Arbeiterbürokratie. Diese unliebsamen Eigenschaften haben ihre Ursache in gesellschaftlichen Prozessen, die über eine ganze historische Periode hinweg den untertänigen und antisozialistischen Charakter der Arbeiterbewegung geprägt haben. Mehr als ein halbes Jahrhundert opportunistischer Politik, basierend auf der systematischen Unterordnung der Arbeiterklasse unter die imperialistische Nachkriegsordnung, haben dem gesellschaftlichen, politischen, geistigen und moralischen Zustand der Arbeiterbewegung ihren Stempel aufgedrückt.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg, während der Blütezeit des Nachkriegsbooms und der darauf basierenden Sozialstaaten, waren die langfristigen Folgen des theoretischen Niedergangs und der politischen Korruption der Arbeiterbewegung nicht sichtbar. Solange die Beziehungen zwischen den Klassen zumindest in den wichtigsten kapitalistischen Ländern auf Kompromissen im Rahmen des Sozialstaats beruhten, gab es keinen Raum für große Strategen des Klassenkampfs. Die Epoche verlangte lediglich nach pragmatischen Spießern, und die fanden sich in allen imperialistischen Ländern wie Sand am Meer.

Erst seit die auf Kompromiss und Ausgleich abgestellten Beziehungen gestört werden – d.h., seit die internationale Bourgeoisie nicht länger willens oder fähig ist, sich an die alten vertrauten Spielregeln zu halten –, ist offenbar geworden, wie stark die Arbeiterbewegung der Nachkriegszeit innerlich verfault ist.

Eigentlich müsste es offensichtlich sein, dass die Krise der Arbeiterbewegung das Scheitern des Reformismus schlüssig bewiesen hat. Erschwerend wirkt allerdings, dass der Niedergang des sozialdemokratischen Reformismus vom spektakulären Zusammenbruch der stalinistischen Regime in der Sowjetunion und in Osteuropa überschattet wurde. Die Masse der Bevölkerung neigt von sich aus nicht dazu, die Wurzeln politischer Phänomene zu untersuchen. Sie hielt diese Regime gemäß den Etiketten, die ihnen von ihren Vertretern und von ihren kapitalistischen Gegnern angeheftet wurden, für »kommunistisch« oder »sozialistisch«.

Die Propagandisten der Bourgeoisie (sowie ein beträchtlicher Teil der Stalinisten) stellten den Sturz der stalinistischen Regime zwischen 1989 und 1991 als Scheitern des Marxismus und des Sozialismus dar. Soweit Arbeiter diese Erklärung akzeptieren, sehen sie keine Alternative zum kapitalistischen Markt und seinen Zwängen. Es ist natürlich nicht möglich, den Widerspruch zwischen den Erfordernissen des kapitalistischen Marktes und den Bedürfnissen der Arbeiterklasse einfach zu ignorieren. Eine Vorahnung des Unbehagens der Massen findet man unter Teilen der akademischen Mittelklasse, die besorgt die Anzeichen der zunehmenden sozialen Polarisierung registrieren. In jüngster Zeit sind eine Reihe Bücher erschienen, die das ungezügelte Wirken des kapitalistischen Marktes kritisieren. Sie machen auf die Folgen der Globalisierung für die Lage der Arbeiterklasse aufmerksam und warnen vor der zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft.

Eduard Bernstein und die Revision des Marxismus

In diesem Klima der Beunruhigung ist das Interesse an einer der wichtigsten Figuren aus der Frühgeschichte der europäischen Sozialdemokratie wieder erwacht: an Eduard Bernstein, dem »Vater« des antimarxistischen Revisionismus. In den letzten zehn Jahren hat Cambridge University Press eine neue Ausgabe seines Hauptwerks »Die Voraussetzungen des Sozialismus«, eine Anthologie mit Dokumenten zur theoretischen Auseinandersetzung über Bernsteins Ansichten und eine neue Biographie des amerikanischen Historikers Manfred Steger unter dem Titel »Das Streben nach einem evolutionären Sozialismus: Eduard Bernstein und die Sozialdemokratie« veröffentlicht. Ein Begleitband mit ausgewählten Schriften Bernsteins, übersetzt und herausgegeben von Steger, ist kürzlich bei Humanities Press erschienen, einem Verlag, der mit den politischen Bestrebungen von Teilen der kleinbürgerlichen Linken in Verbindung steht.[1]

Die Bedeutung der Biographie Stegers liegt nicht in ihrem – recht bescheidenen – wissenschaftlichen Niveau, sondern in der politischen Vision, die dahinter steht. Bernsteins Angriff auf den Marxismus, sein Versuch, den Sozialismus von der Revolution der Arbeiterklasse abzutrennen und ihn als bloßen, wohlmeinenden, ethisch motivierten Liberalismus neu zu definieren – all das gilt Steger als Vorbild für unsere Tage. Bernsteins Bedeutung sieht Steger vor allem darin, dass er die Unmöglichkeit einer revolutionären Alternative zum Kapitalismus erkannt habe.

Als erster prominenter marxistischer Reformtheoretiker nahm Bernstein an, dass die großen Revolutionen der Vergangenheit aufgrund der zunehmenden Komplexität der modernen Gesellschaft überholt seien …

Nach dem anzunehmenden »Ende des Sozialismus« bildet Bernsteins Ansatz zu einem Modell des »liberalen Sozialismus« den logischen Ausgangspunkt für das einzige taugliche progressive Vorhaben, das in unserer postsowjetischen und (vielleicht) post-keynesianischen Ära noch bleibt: eine neue Konzentration auf die Rolle der Zivilgesellschaft und ein Demokratieverständnis, das für die Ausweitung persönlicher Rechte gegenüber Eigentumsrechten steht.[2]

Steger erhebt Bernstein zwar zum Helden unserer Tage, schreibt aber gleichzeitig mit einer Mischung aus Vorsicht und Zynismus, er wolle

Bernsteins politisches Denken nicht ausschließlich an philosophischen Maßstäben messen. Was sein geistiges Streben heute zu einem lohnenden Gegenstand akademischer Forschung macht, sind weder seine philosophische Vollkommenheit noch seine methodischen Mängel. Nein, es ist Bernsteins höchst originäres Bemühen um eine durchdachte Synthese der beiden großen Traditionen, die für individuelle Selbstverwirklichung und Verteilungsgerechtigkeit stehen.[3]

Bernstein, muss man wissen, nahm für sich in Anspruch, den revolutionären Ideen des Marxismus einen vernichtenden theoretischen Schlag versetzt zu haben. Wenn Steger einräumt, dass er keine »philosophischen Maßstäbe« an Bernsteins Schriften anlegen möchte, gibt er damit stillschweigend zu, dass eine direkte Gegenüberstellung von Bernstein und Marx auf dem Gebiet der Wissenschaft und Theorie ein großes geistiges Missverhältnis zutage fördern würde.

Doch seine theoretischen Unzulänglichkeiten hindern Steger nicht daran, uns Bernstein als Propheten zu empfehlen. Bernsteins Anziehungskraft erklärt sich heute ebenso wie vor hundert Jahren nicht aus der intellektuellen Stärke seiner Argumente, sondern aus den Sehnsüchten von Teilen der Mittelklasse, die in seinem Programm ungeachtet der theoretischen Schwächen ihre gesellschaftlichen Interessen und ihre politischen Stimmungen wiederfinden. Ein früherer und klügerer Biograph, Peter Gay, schrieb vor etwa 45 Jahren: »Wenn es keinen Bernstein gegeben hätte, dann hätte man ihn notwendigerweise erfinden müssen. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse erforderten in Deutschland um die Jahrhundertwende eine reformistische Lehre.«[4]

Eine Wiederauferstehung des Bernsteinianertums ist heute kaum möglich. Es war schon, obwohl damals nicht offensichtlich, zum Zeitpunkt seiner Entstehung »überholt«. Das neu erwachte Interesse an Bernsteins Leben und die Auseinandersetzungen um sein Werk unterstreichen jedoch einen bedeutenden Sachverhalt: Selbst nach einhundert Jahren sind die politischen Fragen, die zum Ende des 19. Jahrhunderts ausgefochten wurden, immer noch von außerordentlicher Brisanz.

Mark Twain hat einmal gesagt, dass sich die Geschichte zwar nicht wiederhole, aber zu reimen scheine. Und tatsächlich fällt – ungeachtet offenkundiger Unterschiede – ins Auge, wie stark die politischen Umstände und das geistige Klima, in denen das Bernsteinianertum entstand, sich mit den heutigen Bedingungen »reimen«.

Man kann sich heute nur schwer vergegenwärtigen, welch großen Widerhall Bernstein in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts bei Intellektuellen aus der Mittelklasse fand, als er das »Ende des Marxismus« verkündete. Inmitten des einzigartigen kapitalistischen Wohlstands und der enormen Ausdehnung seiner weltweiten Ressourcen und seines Einflusses schien es vielen durchaus klugen Menschen, als stehe die marxistische Auffassung, das kapitalistische System müsse an seinen inneren Widersprüchen zugrunde gehen, im völligen Gegensatz zur augenfälligen Realität.

Es besteht allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen 1898 und 1998: In der Periode, in der Bernstein seine Kritik am Marxismus vorlegte, verbesserte sich die Lage der Arbeiterklasse sichtlich. Der Reformismus erschien vielleicht schwach, wenn er sich theoretisch zu rechtfertigen suchte, zeigte sich aber auf praktischem Gebiet recht kräftig. Dies muss man berücksichtigen, wenn man die Anziehungskraft der Botschaft Bernsteins bewertet.

Die Zuversicht, der Kapitalismus könne allmählich in fortschrittlicher Richtung reformiert werden, bildete das wesentliche psychologische Element des Bernsteinianertums zum Ende des 19. Jahrhunderts. Es ist bezeichnend, dass die heutigen Befürworter einer Rückkehr zu Bernstein keinen solchen Optimismus an den Tag legen. Das Milieu der heutigen kleinbürgerlichen Linken ist vielmehr von morbidem Pessimismus geprägt. Man findet dort nicht das geringste Vertrauen darauf, dass die Arbeiterklasse die Gesellschaft ändern kann. Ihr »Reformismus« ist kaum mehr als ein verschwommener, feiger Appell an die Finanzeliten, die letzten Reste des Sozialstaates zu verschonen. Bernstein hingegen hegte bei all seinen Schwächen doch die aufrichtige Illusion, dass sich der Kapitalismus unter dem Druck und dem Einfluss der Sozialisten auf friedlichem Wege zu einer gerechten und humanen Gesellschaft wandeln würde.

Doch trotz diesem grundlegenden Unterschied besteht eine gedankliche Gemeinsamkeit zwischen der Perspektive der heutigen demoralisierten Reformisten und jener Bernsteins in den späten neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts: eine hochmütige Verachtung für die materialistische Dialektik, die methodologische Grundlage des Marxismus. Die Unfähigkeit, dialektisch zu denken und Erscheinungen dialektisch – d.h. als Einheit entgegengesetzter Bestimmungen – zu analysieren, machte es den Reformisten des frühen 20. Jahrhunderts unmöglich, die inneren Widersprüche zu erkennen, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 die gesamte Welt mitsamt ihren eigenen betulichen Ansichten in Trümmer legten.

Die SPD: die erste Massenpartei der Arbeiterklasse

Im Verlaufe eines knappen Vierteljahrhunderts – von der Aufhebung der Sozialistengesetze 1890 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 – wuchs die SPD zur größten politischen Partei Deutschlands heran. Die bloße Anzahl der Wählerstimmen kann allerdings nicht verdeutlichen, wie tief und weit der Einfluss der Sozialdemokratie in der Arbeiterklasse tatsächlich reichte.

Die SPD war in ihrer Zeit ein historisch einmaliges Phänomen: Sie war die erste wahrhafte Massenpartei der Arbeiterklasse. Bernstein schockierte die Führer der SPD, als er 1898 erklärte, die von der SPD verkörperte Bewegung sei wichtiger als ihr Endziel. Aber die elementare Zugkraft, die trotz seines ketzerischen Charakters von diesem Argument ausging, kann man nur ermessen, wenn man sich ein zumindest annäherndes Bild von der Größe der Bewegung macht, die die SPD anführte.

Die SPD leitete ein gewaltiges Verlagsimperium, das Bücher, Zeitungen und Zeitschriften zu praktisch jedem Aspekt des Arbeiterlebens veröffentlichte. In Engels’ Todesjahr, 1895, brachte die SPD 75 Zeitungen heraus, 39 davon erschienen sechsmal die Woche. Im Jahre 1906 waren es bereits 58 sozialistische Tageszeitungen.

Im Jahr 1909 erreichte die Auflage der sozialdemokratischen Zeitungen eine Million, am Vorabend des Krieges stand sie bei anderthalb Millionen. Die offizielle Auflagenstärke war dabei geringer als die Zahl der Leser, denn viele Exemplare wurden in den Betrieben, Gaststätten, Schulen und Wohnvierteln von Arbeiter zu Arbeiter weitergereicht. Eine sehr populäre Zeitschrift, »Der Wahre Jacob«, wurde pro Ausgabe in 380000 Exemplaren verkauft, aber seine tatsächliche Leserschaft lag fast bei eineinhalb Millionen. Man schätzt, dass die Gesamtzahl der sozialdemokratischen Leserschaft im Jahr 1914 etwa sechs Millionen betrug.

Der »Vorwärts«, die wichtigste politische Zeitung der SPD, wurde in 165000 Exemplaren vertrieben. Die berühmte »Neue Zeit«, die von ­Kautsky herausgegebene theoretische Zeitschrift, hatte eine Auflage von 10500. »Die Gleichheit«, eine Zeitung für Arbeiterinnen, die unter ihrer Herausgeberin Clara Zetkin eine aggressiv antimilitaristische Linie verfolgte, erreichte 1914 eine Auflage von 125000. Wie groß das Interessenfeld war, das zusätzliche Zeitungen der SPD abdeckten, kann man an deren Titeln ablesen. »Der Arbeiter-Radfahrer« hatte eine Auflage von 168000, das Blatt für Arbeiter-Gesangvereine erschien in einer Auflage von 112000, die »Arbeiter-Turn-Zeitung« erreichte 119000, »Der freie Gastwirt« kam auf 11000, »Der Abstinente Arbeiter« auf 5100 und »Der Arbeiter-Stenograph« auf eine Auflage von 3000 Exemplaren.

Zusätzlich zu diesen regelmäßigen Publikationen brachte die SPD eine Unmenge politischer Literatur heraus. In Wahlkampfzeiten nahm dies gigantische Ausmaße an: Handzettel, Plakate, Sonderausgaben ihrer Zeitungen und Broschüren wurden zu Millionen gedruckt. Die Partei besaß auch mehrere große Druckereien, wo in Auflagen von mehreren Zehn- oder sogar Hunderttausend Bücher zu Fragen der Geschichte, Politik oder Kultur hergestellt wurden.

Die SPD organisierte und koordinierte ein riesiges Netz von Freizeitaktivitäten, die jede Schicht und Altersgruppe der Arbeiterklasse erfassten. Die Identifikation der SPD mit der Arbeiterklasse ging so weit, dass das bloße Wort »Arbeiter« schon einen politischen Beiklang hatte.

Zur Jahrhundertwende betrieb die SPD mindestens 20 Freizeitarten, die ein breites Feld von sozialer Betätigung und Bildung abdeckten. Sie unterhielt zahllose Turn- und Gesangvereine. In nur einer Stadt, Chemnitz, organisierte die SPD nicht weniger als 142 Arbeitergesangvereine, die insgesamt 123 Konzerte gaben. In Thüringen stand die SPD Pate für 191 verschiedene Turnvereine.

Für Hunderttausende deutsche Arbeiter war die SPD mehr als eine politische Organisation; sie war der Mittelpunkt ihres gesamten Lebens. Wofür sich auch ein Arbeiter oder eine Arbeiterin besonders interessierte – sei es Schwimmen, Gewichtheben, Boxen, Wandern, Rudern, Segeln, Fußball, Schach, Vogelkunde, Theater, körperliche Ertüchtigung oder Abstinenz –, die SPD hatte eine Organisation, der er oder sie beitreten konnte.

Beträchtliche Mittel wandte die SPD auch für die formale politische Bildung auf. Von den neunziger Jahren an veranstaltete sie Lehrgänge für Geschichte, Recht, politische Ökonomie, Naturwissenschaften und Rhetorik. Unter den Dozenten für diese Themen befanden sich Bebel, Liebknecht, Zetkin und Luxemburg. Drei Mal jährlich wurden dreimonatige Kurse angeboten. Die Zahl der Besucher erhöhte sich von 540 im Jahr 1898 auf 1700 im Jahr 1907. 1906 wurde eine offizielle Parteischule eröffnet.

Den Beitrag der Partei zur kulturellen Bildung der Arbeiterklasse kann man an der Zunahme der Arbeiterbibliotheken ablesen. Von 1900 bis 1914 beteiligten sich die Partei und die von der SPD geführten Gewerkschaften an der Gründung von 1100 Bibliotheken an 750 verschiedenen Orten. Diese Bibliotheken hatten einen Bestand von mehr als 800000 Bänden, und im Jahr 1914 standen mehr als 365 Bibliothekare auf der Gehaltsliste der SPD.

Eine letzte Statistik verdient Erwähnung. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts warb die SPD offensiv Mitglieder unter Frauen und stieß damit auf große Resonanz. Die Anzahl weiblicher Parteimitglieder stieg von 30000 im Jahr 1905 auf 175000 im Jahr 1914. August Bebels »Die Frau und der Sozialismus« gehörte zu den populärsten Publikationen der Partei.

Bevor wir uns mit Bernsteins Standpunkten auseinandersetzen, müssen wir noch das internationale und nationale wirtschaftliche Umfeld betrachten, in dem er seine Auffassungen entwickelte. Bernstein bestritt zwar die Gültigkeit der historischen materialistischen Dialektik, aber seine eigene geistige und politische Evolution vollzog sich dennoch nach deren Gesetzen.

Die Weltwirtschaft bot zwischen 1873 und 1893 ein komplexes und höchst widersprüchliches Bild. Preise und Profite steckten in einer lang anhaltenden Rezession. In diesen zwanzig Jahren sank das Preisniveau in England um 40 Prozent. Der Eisenpreis sank um 50 Prozent. Doch diese Periode der Deflation bei Preisen und Profiten war auch von einer boomenden Industrieproduktion und großen technologischen Innovationen geprägt. In der Tat hingen diese beiden Aspekte der weltwirtschaftlichen Lage dialektisch zusammen. Der Druck auf die Profitrate bildete den Anstoß für die Entwicklung neuer Produktions- und Managementtechniken, die ihrerseits zu einer immensen Steigerung der Industrieproduktion führten. Selbst als die Weltwirtschaft in einer Preis- und Profitdepression steckte, machte die industrielle Entwicklung, besonders in Deutschland und in den Vereinigten Staaten, ein rasches Wachstum durch.

Das Kapital drang in ganz neue Gebiete vor, etwa nach Lateinamerika, und die Suche nach profitträchtigen Investitionen führte zur Entstehung des imperialistischen Kolonialismus. Die lange Rezession hörte Ende 1894 abrupt auf, und der Kapitalismus trat in eine Periode ein, die vom Standpunkt der Bourgeoisie her so wunderbar war, dass sie den Namen erhielt, den sie bis heute trägt: »La Belle Époque«!

Deutschland gehörte zu den dynamischsten Zentren dieser wirtschaftlichen Entwicklung, und dies hatte tiefe und widersprüchliche Auswirkungen auf die marxistische Bewegung. Eine notwendige Voraussetzung für die Ausdehnung der SPD war offenkundig das rasche Wachstum der Arbeiterklasse. Doch dieses war wiederum durch die Entwicklung der deutschen Industrie bedingt. Die Vereinigung Deutschlands bot ungeachtet der reaktionären politischen Formen, in denen sie von Bismarck verwirklicht worden war, die Grundlage für ein rasches Wachstum der Großindustrie. Die Eisenproduktion erhöhte sich von 2,7 Millionen Tonnen im Jahr 1880 auf 8,5 Millionen Tonnen im Jahr 1900. Die Stahlproduktion nahm im selben Zeitraum von 625000 auf 6,6 Millionen Tonnen zu. Von 1873 bis 1900 verdoppelte sich die Anzahl der Schiffe, die in deutschen Häfen anlegten. Ein zentrales Merkmal der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands war die Konzentration und Kartellbildung in der Industrie. Von 1882 bis 1907 nahm die Anzahl der Kleinunternehmen um acht Prozent zu, während die Anzahl der Großunternehmen um 231 Prozent zulegte. Im Jahr 1907 beschäftigten 548 Industriekonzerne beinahe 1,3 Millionen Arbeiter.

Die offizielle Lehre der SPD war die des Klassenkriegs, aber ihr eigenes Wachstum hing, wenn auch nur indirekt, mit der Ausdehnung der nationalen Industrie Deutschlands zusammen. Noch unmittelbarer war der Zusammenhang zwischen der nationalen Industrie und der Entwicklung der Gewerkschaften. Bis zur Mitte der 1890er Jahre wuchsen sie langsamer als die Partei, von deren politischen Leitung und direkten materiellen Unterstützung sie abhängig waren. Aber der große Wirtschaftsboom, der 1895 einsetzte und beinahe bis zum Ausbruch des Weltkrieges anhielt, förderte eine immense Verbreitung der Gewerkschaften und änderte von Grund auf die Beziehung zwischen den Gewerkschaften – deren Führern im Allgemeinen nur wenig an marxistischer Theorie und sozialistischen Grundsätzen lag – und der SPD. Je mehr die Gewerkschaften an Größe und finanziellen Mitteln gewannen, desto weniger zeigten sich ihre Führer bereit, ihre praktischen Anliegen allgemeineren Erwägungen sozialistischer Politik und deren Grundsätzen unterzuordnen.

Bernsteins Anfangsjahre in der sozialistischen Bewegung

Bernstein war das siebte von fünfzehn Kindern einer jüdischen Familie der unteren Mittelklasse und wurde 1872 in der sozialistischen Bewegung politisch aktiv. Bebels mutiges Auftreten für sozialistische und internationalistische Prinzipien während des Französisch-Preußischen Krieges hatte ihn beeindruckt. 1875 nahm er als Delegierter am Vereinigungsparteitag der Eisenacher und Lassalleaner in Gotha teil.

Schon früh in seiner politischen Laufbahn hatte Bernstein eine Neigung zu verschiedenen Formen kleinbürgerlich-demokratischer Politik an den Tag gelegt. Eine Zeitlang geriet er unter den Einfluss Eugen Dührings. Etwas später war er als Sekretär für Karl Hochberg tätig, einen linken Demokraten, der die SPD finanziell unterstützte. Er beteiligte sich an der Erarbeitung eines Dokuments, das die Partei drängte, ihre ausschließliche Orientierung auf die Arbeiterklasse aufzugeben und eine versöhnlerischere Haltung gegenüber der Bourgeoisie einzunehmen. Marx und Engels waren außer sich über dieses Papier, und Bernstein konnte sich mit ihnen erst wieder gut stellen, nachdem er in Begleitung keines Geringeren als Bebel selbst nach London gereist war, um sich bei den alten Revolutionären persönlich für seinen Grundsatzverstoß zu entschuldigen.

Wegen der Sozialistengesetze musste Bernstein Deutschland 1878 verlassen. Sein Exil dauerte 23 Jahre. Mehrere Jahre lang lebte er in der Schweiz, bevor er in den späten 1880er Jahren nach England zog. Während seines ausgedehnten Aufenthalts in England lernte er die reformistische Gesellschaft der Fabier kennen und schloss Freundschaft mit deren führenden Leuchten. Er speiste häufig mit Beatrice und Sidney Webb und mit George Bernard Shaw.

Steger schreibt, Bernstein sei zutiefst beeindruckt gewesen

von den sozialen Errungenschaften, die durch den praktischen, nutzenorientierten Standpunkt der englischen Arbeiter ermöglicht worden waren. Er sprach begeistert von der guten Beziehung zwischen den britischen Arbeiterführern und den Vertretern der liberalen Bourgeoisie, deren »Vernunftheirat« zum Erfolg des britischen Schritt-für-Schritt-Reformismus beigetragen habe. Für Bernstein bewies das sich entwickelnde britische Modell die Möglichkeit beiderseitig annehmbarer Abkommen zwischen Kapital und Arbeit, und er fühlte sich berufen, seinen deutschen Parteigenossen seine Beobachtungen mitzuteilen.[5]

Die Fabier waren nur ein Faktor der geistigen und politischen Einflüsse, denen Bernstein insgesamt unterlag. Das rasche Wachstum des Sozialismus in Deutschland und ganz Westeuropa hatte der Bourgeoisie deutlich gemacht, dass sie seinen Einfluss nicht allein mit staatlichen Repressionen zurückdrängen konnte. Man musste auch der intellektuellen Herausforderung des Marxismus begegnen. So gewannen die Universitäten in den 1890er Jahren eine neue, entscheidende Rolle (die sie bis heute beibehalten haben) als ideologische Bollwerke gegen den Marxismus. Marx’ Schriften wurden fortan auf Ungereimtheiten und Schwächen hin durchkämmt, die man anführen konnte, um die Standpunkte der sozialistischen Bewegung zu widerlegen. Die neuen akademischen »Schlächter des Marxismus« wurden mit großem Einfluss und Ansehen ausgestattet und ihre Schriften allenthalben gepriesen und verbreitet. Leute wie Böhm-Bawerk, Tugan-Baranowsky, Benedetto Croce, Werner Sombart und Max Weber, von Dutzenden weniger bekannten und begabten Autoren ganz zu schweigen, eröffneten ein unaufhörliches Sperrfeuer gegen praktisch jeden Aspekt der marxistischen Theorie.

Auf ihre Weise bestätigten die Werke dieser Denker Marx’ Feststellung, dass »die Produktionsweise des materiellen Lebens … den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess« bedingt und gesellschaftliche Konflikte in bestimmten ideologischen Formen reflektiert und ausgefochten werden.[6] Die Schriften dieser kleinbürgerlichen akademischen Marx-Kritiker fanden ihren Widerhall in den Schriften Bernsteins. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Bernstein den antimarxistischen Argumenten, die an den Universitäten damals gang und gäbe waren, außer seinem eigenen politischen Prestige wenig hinzufügte.

Engels spürte die Veränderung in Bernsteins Einstellung und klagte, er klinge immer mehr wie ein englischer Kleinkrämer. Solange Engels lebte, übte er einen zügelnden Einfluss auf Bernstein aus. Doch nach seinem Tod im August 1895 entfernte sich dieser recht schnell vom Marxismus.

»Die Voraussetzungen des Sozialismus«

Im Jahr 1898 schrieb Bernstein eine Reihe von Artikeln, in denen er das theoretische Erbe und das revolutionäre Programm der SPD zurückwies. Ausführlicher legte er diese Ansichten in seinem Buch »Die Voraussetzungen des Sozialismus« dar. Es sei an der Zeit zu erkennen, insistierte er, dass Marx’ Analyse des Kapitalismus als ein von inneren Widersprüchen zerrissenes System auf dessen Hegelsche Ausbildung zurückgehe und nicht mit der empirisch feststellbaren Realität übereinstimme. Wenn die Sozialisten ihre Taktik auf eine künftige große Krise des kapitalistischen Systems ausrichteten, dann begingen sie einen gefährlichen Fehler. Alle verfügbaren Tatsachen wiesen darauf hin, dass der Kapitalismus über ein praktisch unbegrenztes Potenzial zur progressiven Entwicklung verfüge; und dieses werde auf ganz natürlichem, demokratischem und friedlichem Wege zum Sozialismus führen. Jene unglückseligen Marxisten, die weiterhin davon ausgingen, dass der Sozialismus aus einer durch die inneren Widersprüche des Kapitalismus ausgelösten großen Krise hervorgehen werde, litten an »Katastrophitis«, einer Krankheit, die sie daran hindere, den unbestreitbaren Tatsachen des modernen Lebens ins Auge zu blicken.

Aufgrund ihrer falschen Fixierung auf nicht existente ökonomische Widersprüche seien Marx und Engels zu der irrigen Annahme gelangt, dass der Kapitalismus zur Verelendung der Arbeiterklasse führe. Die Gewerkschaften, so Bernstein, hätten sich als fähig erwiesen, den Anteil der Arbeiter am Nationaleinkommen stetig zu erhöhen. Auch Marx’ Betonung der Arbeitswerttheorie und sein angeblich wissenschaftlicher Nachweis der Ausbeutung der Arbeiterklasse sollten zum alten Eisen wandern. Wozu musste man, fragte Bernstein, den inhärent ausbeuterischen Charakter der Mehrwertproduktion in der kapitalistischen Produktionsweise nachweisen? Dieses Besessensein vom Problem der Wertbildung habe die sozialistische Bewegung dazu verleitet, ihr Feuer auf die kapitalistische Produktionsweise zu konzentrieren, anstatt erreichbare Forderungen nach einer gerechteren Verteilung des Nationaleinkommens zu stellen, die man durch die Verbindung gewerkschaftlicher Aktivität und nationaler Gesetzgebung verwirklichen könne.

Bernstein vertrat die Auffassung, dass nicht eine Revolution, sondern nur die stetigen und schrittweisen Errungenschaften der Gewerkschaften die langfristigen Interessen der Arbeiterklasse sichern könnten. Er geißelte jene »Sozialisten, in deren Augen die Gewerkschaft nur ein Demonstrationsobjekt ist, die Nutzlosigkeit jeder anderen als der politisch-revolutionären Aktion praktisch nachzuweisen«.[7] Für Bernstein waren Gewerkschaften das Mittel, womit man die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus überwinden konnte: »Ihrer sozialpolitischen Stellung nach sind die Gewerkschaften oder Gewerkvereine das demokratische Element in der Industrie. Ihre Tendenz ist, den Absolutismus des Kapitals zu brechen und dem Arbeiter direkten Einfluss auf die Leitung der Industrie zu verschaffen.«[8] Bernsteins einzige Bedenken hinsichtlich der Gewerkschaften lauteten, sie könnten zu viel Macht anstreben. Ihr Ziel sollte die Partnerschaft mit dem Kapital, nicht die Kontrolle über die Industrie sein.

Einen weiteren Irrtum von Marx und Engels sah Bernstein in ihrer Auffassung, der Staat sei ein Instrument der Klassenherrschaft. Das Beispiel Englands, argumentierte er, beweise, dass der Staat in demokratischer Form als Vertreter aller seiner Bürger wirken könne, der ständig für das Gemeinwohl arbeite. Das Ziel der Arbeiterklasse dürfe nicht die Ablösung, geschweige denn die Zerschlagung des bestehenden Staates sein, sondern seine Verwandlung in ein immer effektiveres Instrument einer über den Klassen stehenden Demokratie. Die Arbeiterklasse bedürfe nicht ihrer eigenen Klassenherrschaft und solle sie auch nicht anstreben. Die »Diktatur des Proletariats« sei ein Ausdruck, der im zivilisierten politischen Diskurs nichts zu suchen habe:

Die Klassendiktatur aber gehört einer tieferen Kultur an, und abgesehen von der Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit der Sache, ist es nur als ein Rückfall, als politischer Atavismus zu betrachten, wenn der Gedanke erweckt wird, der Übergang von der kapitalistischen zur sozialistischen Gesellschaft müsse sich notwendigerweise unter den Entwicklungsformen einer Zeit vollziehen, welche die heutigen Methoden der Propagierung und Erzielung von Gesetzen noch gar nicht oder nur in ganz unvollkommener Gestalt kannte und der geeigneten Organe dazu entbehrte.[9]

Die Demokratie war die politische Form, die allen Bürgern ihre Rechte garantierte; und Bernstein sprach mit grenzenloser Bewunderung über die zivilen Umgangsformen, die mit ihr in alle Belange der Menschen Einzug gehalten hätten:

Aber in unserem Zeitalter ist eine fast unbedingte Sicherheit gegeben, dass die Mehrheit eines demokratischen Gemeinwesens kein Gesetz machen wird, das der persönlichen Freiheit dauernd Abbruch tut … In der Praxis hat sich vielmehr gezeigt, dass je länger in einem modernen Staatswesen demokratische Einrichtungen bestanden, um so mehr die Achtung und Berücksichtigung der Rechte der Minderheiten zunahm und die Parteikämpfe an Gehässigkeit verloren. Leute, die sich die Verwirklichung des Sozialismus nicht ohne Gewaltakte vorstellen können, mögen darin ein Argument gegen die Demokratie erblicken …[10]

In der Demokratie lernen die Parteien und die hinter ihnen stehenden Klassen bald die Grenzen ihrer Macht kennen und sich jedes Mal nur so viel vornehmen, als sie nach Lage der Umstände vernünftigerweise hoffen können durchzusetzen. Selbst wenn sie ihre Forderungen etwas höher spannen, als im Ernst gemeint, um beim unvermeidlichen Kompromiss – und die Demokratie ist die Hochschule des Kompromisses – ablassen zu können, geschieht es mit Maß.[11]

Bernstein hielt England für keine Ausnahme; die Demokratie sollte in Deutschland ebensolche Wunder vollbringen. Die SPD, meinte er, begehe einen Fehler, wenn sie weiterhin am unwandelbar reaktionären Charakter der deutschen Bourgeoisie festhalte. Dies möge »für den Moment vielleicht richtig sein, obgleich manche Erscheinungen auch dagegen sprechen. Aber es kann nicht auf die Dauer so sein.«[12] Die deutsche Kapitalistenklasse würde sich Aufrufen zu demokratischen Reformen gegenüber viel aufgeschlossener zeigen, wenn die SPD nur aufhöre, ihr mit der sozialen Revolution zu drohen. Die Partei solle der Bourgeoisie deutlich sagen, dass sie »in keiner Weise für eine gewalttätige Revolution gegen die gesamte nichtproletarische Welt«[13] schwärme. Dann würde auch die Furcht der Bourgeoisie vor der SPD »weichen«, und sie wäre bereit, die Arbeiterklasse als »Bundesgenossen« gegen die reaktionäreren Elemente der preußischen absolutistischen Regierung zu akzeptieren.

Bernstein forderte die SPD also auf, ihrer revolutionären Phantasien zu entsagen und zu begreifen, dass der Sozialismus, befreit vom Hegelschen Determinismus, der Marx und Engels in die Irre geleitet hatte, im Grunde nichts weiter sei als konsequenter Liberalismus:

Tatsächlich gibt es keinen liberalen Gedanken, der nicht auch zum Ideengehalt des Sozialismus gehörte. Selbst das Prinzip der wirtschaftlichen Selbstverantwortlichkeit, das anscheinend so ganz und gar manchesterlich ist, kann meines Erachtens vom Sozialismus weder theoretisch negiert, noch unter irgend denkbaren Umständen außer Wirksamkeit gesetzt werden. Ohne Verantwortlichkeit keine Freiheit …[14]

Des Weiteren wies Bernstein die sozialistische Agitation gegen den bürgerlichen Militarismus mit Verachtung von sich. Gegen den Kolonialismus hatte Bernstein im Prinzip nichts einzuwenden. So schrieb er, »dass die Wilden heute unter daheim kontrollierter europäischer Herrschaft durchgängig besser daran sind als vorher«.[15] Dies gelte auch für die Indianer in Amerika: »Was auch früher an den Indianern verbrochen worden, heute schützt man ihre Rechte, und es ist bekannt, dass ihre Zahl nicht mehr zurückgeht, sondern von Neuem wächst.«[16]

Und was die ständige sozialistische Agitation gegen die Raubgier des deutschen Imperialismus anging, so wandte Bernstein ein, es dürfe der Sozialdemokratie nicht »gleichgültig sein, ob die deutsche Nation, die ja ihren redlichen Anteil an der Kulturarbeit der Nationen geleistet hat und leistet, im Rate der Völker zurückgedrängt wird«.[17] Die SPD beging seiner Ansicht nach auch einen Fehler, wenn sie die Ersetzung des stehenden Heeres des Kaisers durch eine Volksmiliz forderte, denn ihre Warnungen, dass das Militär eine ständige Gewaltandrohung gegen die Arbeiterklasse sei, hätten sich als restlos überholt erwiesen: »Wir gewöhnen uns glücklicherweise immer mehr daran, politische Differenzen anders als durch Schießerei zu erledigen.«[18]

Nichts kann Bernsteins Ruf als politischer Theoretiker und Stratege mehr schaden als die Veröffentlichung seiner Schriften. Selbst die sehr sorgfältige Auswahl, die Steger präsentiert, trägt nicht zu seiner Empfehlung als Geistesgröße bei (und die von mir zitierten Absätze tauchen in Stegers Biographie nicht auf). Wenn den heutigen Marxisten etwas überrascht, dann das erbärmlich niedrige Niveau von Bernsteins Argumenten. »Sollte diese wässrige Brühe allen Ernstes als Widerlegung des Marxismus gelten?«, fragt man sich. Man kann sich nur wundern über die mangelnde Sensibilität Bernsteins, der die ernsten, beunruhigenden Entwicklungen seiner Zeit überhaupt nicht bemerkt zu haben scheint. Ich weiß nicht, ob Bernstein gern Musik hörte, aber es hätte ihm vielleicht gut getan, sich die Symphonien seines Zeitgenossen Gustav Mahler anzuhören. In den Kompositionen Mahlers hätte Bernstein vielleicht etwas entdeckt, das in seinen eigenen Werken völlig fehlte: ein Vorgefühl der Tragödie, die der bürgerlichen Zivilisation bevorstand. Aber dieser Bernstein war eben Eduard, nicht Leonard, und ich bezweifle, dass ihm das Werk des aufgewühlten österreichischen Komponisten etwas gegeben hätte.

Als die von mir zitierten Absätze verfasst wurden, blieben nur noch fünfzehn Jahre bis zum Ausbruch eben jener Katastrophe, die Eduard Bernstein für unvorstellbar hielt – einer Katastrophe, die ein Zeitalter der Barbarei eröffnete, dessen Schrecken in der Geschichte ohne Beispiel sind. Die kapitalistische Entwicklung führte nicht in Richtung immer größerer Demokratie oder zur Abschwächung der Klassengegensätze, sondern zu Massenunterdrückung und Bürgerkrieg. Bei seinem Blick in die Zukunft nahm der kurzsichtige Bernstein nur den Regenbogen der Demokratie wahr, nicht die Stacheldrähte der Schützengräben und Konzentrationslager.

Der Opportunismus fand in den Werken Bernsteins und seiner Zeitgenossen seinen fortgeschrittensten Ausdruck. In den folgenden Jahrzehnten fügten aufeinanderfolgende Wellen des Opportunismus dem, was die Bernsteinianer bereits gesagt hatten, nichts wirklich Wichtiges hinzu. In unserer Zeit, deren theoretisches Selbstverständnis viel weniger ausgeprägt ist, werden die Argumente Bernsteins gegen den Marxismus lediglich wiederholt, allerdings in wesentlich schlechterer Qualität. Die Kritik an Bernsteins theoretischen Auffassungen trifft daher, selbst nachdem ein Jahrhundert vergangen ist, das gesamte Spektrum des zeitgenössischen Anti-Marxismus.

Der Stil macht den Menschen aus, und den Kern des Stils bildet die Methode. Wenn ein Mensch über Politik spricht, enthüllt er nicht nur seine Ansichten über die Tagesereignisse, sondern auch die theoretischen Konzeptionen und die Gedankengänge, auf denen sie beruhen. Und was hier für den Einzelnen gilt, trifft auch auf politische Strömungen zu.

Die Zurückweisung des »wissenschaftlichen Sozialismus«

Der politische Opportunismus beruht auf bestimmten methodischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen. Ich möchte hier nicht der vereinfachenden Auffassung Vorschub leisten, alle Äußerungen von Opportunismus ließen sich auf eine falsche Erkenntnistheorie zurückführen oder die Untersuchung der erkenntnistheoretischen Grundlagen des Opportunismus erübrige eine sorgfältige politische Analyse der strittigen Fragen. Aber Bernstein stützte seine Schlüsse nicht nur auf die Behauptung, das eine oder andere Element des Marxismus sei widerlegt worden – obwohl er sicherlich der Meinung war, dass die zeitgenössischen Entwicklungen viele Urteile von Marx und Engels widerlegt hatten. Doch das war von sekundärer Bedeutung. Bernstein hielt den bloßen Begriff »wissenschaftlicher Sozialismus« für einen Widerspruch in sich. Der Sozialismus, sagte er, könne gar nicht das Niveau einer Wissenschaft erreichen, weil er »als kämpfende Bewegung … der Wissenschaft nicht völlig tendenzlos gegenüberstehen« könne.[19] »Kein ›Ismus‹ ist eine Wissenschaft«, erklärte Bernstein. »Was wir mit ›Ismen‹ bezeichnen, sind Anschauungsweisen, Tendenzen, Systeme von Gedanken oder Forderungen, aber keine Wissenschaften.«[20] Ungeachtet ihrer wissenschaftlichen Ansprüche sei die sozialistische Massenbewegung »aber selbstverständlich so wenig eine wissenschaftliche Bewegung, wie etwa der deutsche Bauernkrieg, die Französische Revolution oder irgendein anderer geschichtlicher Kampf. Der Sozialismus als Wissenschaft beruft sich auf die Erkenntnis, der Sozialismus als Bewegung wird von Interesse als seinem vornehmsten Motiv geleitet …«[21]

Diese Aussagen enthalten Vieles, das beantwortet werden muss. Betrachten wir zunächst die Behauptung, der moderne Sozialismus könne in dem Maße, wie er auch Ausdruck bestimmter gesellschaftlicher Interessen sei, nicht wissenschaftlicher sein als frühere Massenbewegungen. Wie so viele Argumente Bernsteins ist auch dieses eher schlau als klug. Man kann nicht ­bestreiten, dass alle sozialen Bewegungen von Klasseninteressen motiviert sind. Doch der wesentliche Unterschied zwischen der modernen sozialistischen und früheren revolutionären Massen­bewegungen besteht darin, dass erst mit der Entstehung des Marxismus dieses motivierende Element – das Klasseninteresse – selbst zum Gegenstand einer theoretischen und historischen Analyse wurde.

Marx und Engels waren nicht die Ersten, die den Klassenkampf erkannten und ihm große Bedeutung beimaßen. Ansätze zu dieser Einsicht finden sich bereits bei den Historikern der Antike, der Renaissance und, in jüngerer Zeit, bei den französischen Historikern der nach-napoleonischen Restauration im frühen 19. Jahrhundert – besonders bei Guizot. Aber erst Marx und Engels deckten auf und erklärten, was dem Klassenkampf zugrunde lag. Sie betonten nicht nur den Klassenkampf und dessen Beziehung zu materiellen, d.h. Eigentumsinteressen, sondern wiesen auch nach, dass sich diese Interessen – und die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die sie hervorriefen – auf der Grundlage der vom Menschen geschaffenen Produktivkräfte und der damit einhergehenden Produktionsverhältnisse herausbilden.

Diese Einsicht in die Ursprünge der Klassengesellschaft ermöglichte es zum ersten Mal, eine konsequent materialistische Geschichtsauffassung zu entwickeln, die nicht nur die Herausbildung ökonomischer Interessen, sondern auch die Evolution des gesellschaftlichen Denkens erklärt. Gerade dieser zweite Aspekt, nämlich die Herleitung des gesellschaftlichen Bewusstseins aus dem gesellschaftlichen Sein, versetzte die sozialistische Bewegung in die Lage, ihren eigenen Ursprung, ihre Existenz, ihre Entwicklung und ihre Bestrebungen in einer gänzlich entmystifizierten Form – d.h. ohne Rückgriffe auf ideelle Beweggründe – zu begreifen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der marxistischen sozialistischen Bewegung und den revolutionären Bewegungen, die ihr vorausgegangen waren.

Wir können voraussetzen, dass alle sozialen Bewegungen – der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft – in der einen oder anderen Form Ausdruck sozialer Interessen sind. Die marxistische Bewegung kann sich auf ihre wissenschaftlichen Grundlagen berufen, weil ihre Grundsätze, ihr Programm und ihre Handlungsweise vom Wissen um die Gesetze der historischen Entwicklung bestimmt werden. Bernsteins Unterscheidung zwischen dem »Sozialismus als Wissenschaft« und dem »Sozialismus als Bewegung« war, offen gesagt, ziemlich dumm. Einzuräumen, dass der Sozialismus als Wissenschaft die Entwicklungsgesetze des gesellschaftlichen Bewusstseins erkennt, und dann zu behaupten, der Sozialismus als Bewegung stütze sich auf »Interesse als sein vornehmstes Motiv«, ist offenkundig absurd. Eine Wissenschaft, die darauf besteht, dass das gesellschaftliche Bewusstsein das Produkt historischer Umstände ist, die auf einem gegebenen Entwicklungsstand der Produktivkräfte und den entsprechenden Produktionsverhältnissen beruhen, kann nicht behaupten, sie werde von »Interesse als ihrem vornehmsten Motiv« geleitet, sobald sie in den Mantel einer Massenbewegung schlüpft. Bliebe sie sich wissenschaftlich treu, müsste sie dann sofort erklären, worin die Ursprünge und die gesellschaftliche Grundlage dieses »Interesses« bestehen.

Nun zu Bernsteins Behauptung, »kein ›Ismus‹ ist eine Wissenschaft«. Dieses Diktum dürfte den Darwinismus in einige Verlegenheit bringen. Doch nehmen wir an, dass Bernstein sich einfach ungeschickt ausgedrückt hat – dass er argumentieren wollte, das durch einen »Ismus« ausgedrückte Engagement vertrage sich nicht mit einer wissenschaftlichen Haltung. Auf dieses Argument, die Wissenschaft sei unvereinbar mit Parteilichkeit, kam Bernstein immer wieder zurück. So erklärte er:

Denn wenn der Sozialismus seine Wissenschaftlichkeit darin suchte, reine Wissenschaft zu sein, so müsste er darauf verzichten, Doktrin einer Klasse, Ausdruck der Klassenbestrebungen der Arbeiter zu sein. Hier ist der Punkt, wo notgedrungen eine Trennung stattfindet.

Um meine Auffassung ganz scharf auszudrücken: Die sozialistische Lehre ist gerade soweit Wissenschaft, als ihre Sätze auch von jedem vorurteilsfreien, nicht durch gegenteilige Interessen beeinflussten Nichtsozialisten unterschrieben werden können.[22]

Wäre Letzteres wahr, dann dürfte nur der über die Wissenschaftlichkeit des Marxismus urteilen, dem das Schicksal der Menschheit vollkommen gleichgültig ist. Bernstein beharrte darauf, dass die »Idealforderung strenger Wissenschaftlichkeit« nicht mit dem »Zusatz subjektiver Strebungen« vereinbar sei.[23] Die wissenschaftliche Tätigkeit, erklärte er, könne nicht mit einem spezifischen menschlichen Ziel in Einklang gebracht werden.

Es ist leicht zu sehen, dass das nicht stimmt. Die Wissenschaft wird durch Parteilichkeit oder Willen keineswegs aufgehoben. Der Biologe, der den HIV-Virus studiert, dürfte an den Folgen von AIDS nicht uninteressiert sein. Der Chirurg wünscht – hoffentlich – das Leben des Patienten unter seinem Messer zu retten. Beide sind durch »subjektive« Absichten motiviert: Ersterer möchte den HIV-Virus besiegen, Letzterer das Leben seines Patienten retten. Das bedeutet nicht, dass sie zu einer wissenschaftlichen Haltung gegenüber ihrer Arbeit unfähig wären.

Auf diesen Einwand stieß Bernstein bereits zu seinen Lebzeiten. Als er im Mai 1901 in einem Vortrag behauptete, der Sozialismus könne nicht wissenschaftlich sein, weil er ein bestimmtes Ziel anstrebe, wurde er gefragt, ob er denn auch bestreite, dass die Medizin eine Wissenschaft sei, weil sie ein bestimmtes Ziel, nämlich die Heilung anstrebe. Bernstein antwortete mit Spitzfindigkeiten. Ich »hatte und habe zu erwidern«, schrieb er,

dass das Heilen die Aufgabe einer Kunst, der ausgeübten Medizin ist, die allerdings zur Voraussetzung gründliche Beherrschung der medizinischen Wissenschaft hat. Diese selbst aber hat nicht das Heilen, sondern die Erkenntnis der Bedingungen und Mittel des Heilens zur Aufgabe. Nimmt man diese begriffliche Unterscheidung als typisches Muster, so wird man auch bei komplizierteren Beispielen unschwer feststellen können, wo die Wissenschaft aufhört und die Kunst oder Doktrin beginnt.[24]

Worauf Plechanow antwortete: »Der Sozialismus als Wissenschaft studiert die Mittel und Voraussetzungen der sozialistischen Revolution, während der Sozialismus als ›Doktrin‹ oder als politische Kunst diese Revolution mit Hilfe des gewonnenen Wissens herbeizuführen sucht.«[25]

Bernstein fasste die Wissenschaft als eine bloße Auflistung von Fakten auf. Wissenschaftler waren für ihn wenig mehr als gelehrte Buchhalter, die diese Fakten sammelten, abwogen, sortierten und dann in die richtigen Schubladen einordneten. Eine solche Auffassung nahm der Wissenschaft nicht nur ihren schöpferischen Drang und ihre Aufgabe, sie war auch ahistorisch. Die Wissenschaft hatte sich während der vorangegangenen 2500 Jahre im Kampf verschiedener Tendenzen entwickelt, die sich nicht nur um Begriffe stritten, sondern auch mit unterschiedlichen materiellen Interessen verbunden waren. Es ist schon nahezu ein Gemeinplatz, dass die Wissenschaft, wie die Schicksale Giordano Brunos und Galileo Galileis zeigen, nicht selten auf den Widerstand von sozialen Klassen stieß, die den wissenschaftlichen Fortschritt als Bedrohung ihrer gesellschaftlichen Stellung empfanden. Bernsteins Vorstellung von »wissenschaftlicher Unparteilichkeit« beruhte auf einer Auffassung des Erkenntnisprozesses, die die Widerspiegelung der materiellen Welt im menschlichen Denken und die Entwicklung von Wissen als kontemplativen und passiven Prozess betrachtet. Sein Materialismus war mechanisch und undialektisch, zwischen dem Objekt der Erkenntnis und dem denkenden Subjekt bestand eine tiefe Kluft.

Bernstein stellte damit nicht nur die wissenschaftliche Legitimität des Marxismus in Frage. Seine Auffassung »strenger Wissenschaftlichkeit« zog die Möglichkeit eines wissenschaftlichen Studiums der Gesellschaft überhaupt in Zweifel. Im Wesentlichen vertrat er die Auffassung, wissenschaftliches Denken müsse sich auf Gebiete beschränken, in denen das erkennende menschliche Subjekt und das Objekt der Erkenntnis völlig andersartige, getrennte Bereiche sind, wie dies – angeblich – in den naturwissenschaftlichen und den theoretischen Wissenschaften der Fall ist. »Strenge Wissenschaftlichkeit«, behauptete er, setze voraus, dass der Erkenntnisprozess nicht durch das Durchdringen von Objekt und Subjekt beeinträchtigt werde. Beide müssten streng für sich bleiben. Die Wissenschaft werde »unrein« und büße ihre Gültigkeit ein, wenn die absolute Grenze verletzt werde, die zwischen dem erkennenden Subjekt und dem Objekt der Erkenntnis bestehen müsse.

Damit war genau genommen jedes wissenschaftliche Studium der menschlichen Gesellschaft, sei es durch Marxisten oder irgendjemanden sonst, per Definition unmöglich. Denn wie konnte es, falls Bernstein Recht hatte, eine echte Gesellschaftswissenschaft geben, wenn die menschlichen Beobachter und Forscher selbst Bestandteil des Organismus waren, den sie studierten? Kautsky beantwortete dieses Argument Bernsteins:

Jede Wissenschaft hat ihre eigentümlichen Schwierigkeiten. Zu denen der sozialen Wissenschaften gehört auch die, dass hier die Beobachter und Forscher selbst ein Teil des Organismus sind, den sie zu erforschen haben, dass sie nicht außerhalb dieses Organismus, sondern in ihm stecken, dass jeder dort seinen bestimmten Platz hat, von dem aus allein er ihn betrachten kann, seine bestimmten Funktionen, seine Abhängigkeiten von anderen Teilen desselben Organismus, und dass die einzelnen Glieder des Organismus im Gegensatz zueinander stehen. Das ist sicher eine sehr erhebliche Schwierigkeit, aber wenn sie wirklich so groß wäre, dass sie jede Wissenschaft ausschlösse, dann schlösse sie nicht bloß den wissenschaftlichen Sozialismus, sondern jede wissenschaftliche Erforschung der Gesellschaft aus. Dann gälte dasselbe, was Bernstein von den Sozialisten sagt, auch von den bürgerlichen Ökonomen.[26]

Die Metaphysik der Objektivität

Sämtliche Argumente Bernsteins drehen sich um dieselbe metaphysische, platte und vulgäre Formel: »Objektiv« sind Prozesse, die sich völlig unabhängig vom menschlichen Handeln und Willen vollziehen. Nichts, das erwünscht ist oder durch bewusst motiviertes Handeln herbeigeführt wird, kann wirklich als objektiv gelten. Das »Objektive« besteht nur außerhalb der Menschheit und ihrem Bewusstsein und vollzieht sich spontan. Folglich ist alles menschliche Handeln, soweit Bewusstsein im Spiel ist, subjektiv. Daher konnte laut Bernstein der Begriff »objektive Notwendigkeit« auf kein menschliches soziales Verhalten angewandt werden, bei dem mehr als ein instinktives Bewusstsein im Spiel war.

Aus dieser Sicht war der Klassenkampf kein Ausdruck einer objektiven historischen Notwendigkeit, sondern lediglich das Ergebnis des subjektiven menschlichen Willens, der sich dem objektiven Verlauf der Ereignisse aufdrängt. »Das Verlangen nach Verbesserung der Lage einer besonderen Gruppe der Gesellschaft ist niemals etwas Objektives«, erklärte Bernstein. »Man könnte vielleicht sagen, dass es überhaupt nicht zulässig sei, bei der Erklärung ökonomischer Umwandlungen das Wort objektiv zu gebrauchen, weil dieselben niemals ohne die Vermittlung menschlicher Tatkraft vor sich gehen.« Um im Bereich des menschlichen Verhaltens die Grenze zwischen Objektivem und Subjektivem deutlich zu machen, zwischen dem, was unter den Bereich von Wissenschaft und Notwendigkeit fällt, und dem, was nicht darunter fällt, griff Bernstein auf folgendes Beispiel zurück:

Das allgemeine Nahrungsbedürfnis ist eine objektive Macht, aber der Wunsch nach einer Veränderung der Nahrung ist ein subjektiver Faktor. Was über die laufenden Lebensgewohnheiten hinaus für die Verwirklichung einer Idee oder eines vorgefassten Ziels notwendig ist, ist nicht objektiv notwendig, ist nicht auf objektive Notwendigkeit begründet.[27]

Bernsteins Beweisführung hält nicht einmal einer oberflächlichen Überprüfung stand. Er behauptet, das Bedürfnis nach Nahrung sei objektiv, der »Wunsch nach einer Veränderung der Nahrung« dagegen subjektiv. Es scheint ihm nicht in den Sinn zu kommen, dass ein bestimmter »Wunsch« der subjektive Ausdruck eines objektiv begründeten Bedürfnisses sein könnte, oder, anders gesagt, dass sich der subjektive Wunsch aus der bewussten Einsicht in die objektive Notwendigkeit ergeben könnte. Das Bedürfnis nach Nahrung ist natürlich eine objektive Notwendigkeit. Aber ein Mensch reagiert auf das Knurren seines Magens nicht einfach mit einem rohen subjektiven Drang. Die Ernährungswissenschaft und die Vorstellung einer »ausgewogenen Diät«, arm an gesättigten Fettsäuren, verfeinern, adaptieren und lenken diesen subjektiven Drang in Übereinstimmung mit einem wissenschaftlichen Verständnis der Bedürfnisse des menschlichen Organismus. In Wirklichkeit ist das Vorhandensein von Bewusstsein die Voraussetzung dafür, dass das subjektive Verlangen und das objektive Bedürfnis in Einklang gebracht werden können.

Ohne seine Argumentationsweise zu verbessern, geht Bernstein von der Kochkunst zur Politik über. Er behauptet, der Sozialismus könne schon deshalb keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben, weil er etwas anstrebe – in diesem Fall eine Form der gesellschaftlichen und ökonomischen Organisation –, das nicht existiere. »Kann aber etwas, was wir wollen, jemals reine Wissenschaft sein?«,[28] fragt Bernstein händeringend. Die Wissenschaft könne nur beobachten und kommentieren, was bereits existiere. Weil aber der Kollektivismus »als Wirtschaftssystem Ideal ist, kann er nicht zugleich auch Wissenschaft sein«.[29]

Bernstein mag sich eingebildet haben, er erschüttere mit der Behauptung, menschliche Bestrebungen fielen nicht in den Bereich der Wissenschaft, nur den wissenschaftlichen Anspruch des marxschen Sozialismus. In Wirklichkeit leugnete er damit die Möglichkeit jeglicher Wissenschaft. Denn die wissenschaftliche Forschung ist eine gesellschaftliche Praxis, die ihren schöpferischen Impuls aus der subjektiven Reaktion des Menschen auf die objektiven Umstände bezieht, mit denen er konfrontiert ist. Die Wissenschaft ergibt sich aus dem Bemühen des Menschen, sich bewusst das aus der Natur anzueignen, was er für sein Leben und seine Fortpflanzung braucht. Wissenschaftliches Denken setzt nicht die absolute Trennung von Subjekt und Objekt voraus, sondern hat die dialektische Beziehung von Mensch und Natur zur Voraussetzung. Hier können wir auf Marx zurückgreifen:

Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit … Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war.[30]

Die Wissenschaft beschränkt sich nicht wie ein Buchhalter bei der Inventur auf die Beschreibung der materiellen Welt, so wie sie außerhalb des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Tätigkeit existiert. Sie befasst sich tatsächlich mit dem, was nicht existiert. Sie strebt danach, in der Natur die Möglichkeit zur Verwirklichung menschlicher Träume zu entdecken. Der Mythos des Ikarus ist mehr als 2000 Jahre alt. Der Traum vom Fliegen schlug sich schließlich in den Zeichnungen Leonardos, im Doppeldecker der Gebrüder Wright und in jüngerer Zeit im Space Shuttle nieder. »Das Bewusstsein des Menschen widerspiegelt nicht nur die objektive Welt, sondern schafft sie auch.«[31]

Genauso wie die Einsicht in die Gesetze der Natur den Menschen in die Lage versetzt, die spontan gegebenen Umstände zu nutzen und im eigenen Interesse zu verändern, ermöglicht es ihm das vom Marxismus erlangte wissenschaftliche Verständnis seiner eigenen historischen Entwicklungsgesetze, das gesellschaftliche und ökonomische Leben auf der Grundlage bewusst verstandener menschlicher Bedürfnisse zu organisieren. Bernstein, der die Möglichkeit eines solchen Verständnisses generell bestritt, stellte den Unterschied zwischen dem Marxismus und den verschiedenen Formen utopischen sozialistischen Denkens, die ihm vorangegangen waren, falsch dar. Er behauptete, den Kern des Marxismus bilde die Theorie einer künftigen Gesellschaftsordnung. Das ist in zweierlei Hinsicht grundfalsch.

Erstens ist der Kern des Marxismus nicht eine Theorie der Zukunft und nicht einmal eine Theorie der Geschichte, sondern eine materialistische Weltanschauung, die von der Vorrangigkeit des Seins gegenüber dem Bewusstsein ausgeht und auf der dialektischen Methode beruht.

Zweitens stellten Marx und Engels keine Theorie einer zukünftigen Gesellschaftsordnung auf. Sie entwickelten vielmehr eine konsequent materialistische Erklärung der allgemeinen Gesetze der historischen Entwicklung und, gestützt darauf, des Charakters der kapitalistischen Produktionsweise. Im Gegensatz zum utopischen Sozialismus, der seine Vorstellung der zukünftigen Gesellschaft auf abstrakte Prinzipien stützte, zeigte der Marxismus die historische Notwendigkeit und die Möglichkeit des Sozialismus mittels einer Analyse der Widersprüche der bestehenden Gesellschaft auf. Marx beabsichtigte nicht, ein neues Gesellschaftssystem zu entwerfen. Er »erfand« den Sozialismus nicht.

Es ist bekannt, dass Marx nie den Versuch unternahm, das Modell einer künftigen Gesellschaftsordnung zu entwickeln. In Marx’ Schriften kann man nichts finden, das mit den Phalanstères eines Fouriers vergleichbar wäre. Marx wies nach, dass die ökonomische Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft unabhängig vom Willen der Sozialisten die Voraussetzungen für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel schafft, und dass die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, die objektiv auf der Ausbeutung der Arbeiterklasse beruht, zu Krisen, Zusammenbrüchen und sozialen Revolutionen führen. Der Sozialismus ist daher ein notwendiges (wenn auch nicht in formalem Sinne unvermeidliches) Ergebnis der sozialen und ökonomischen Struktur der bestehenden Gesellschaft und, in grundlegenderem Sinne, der gesamten historischen Entwicklung der Menschheit.

Selbst wenn man erkannt hat, wie hohl die theoretischen Auffassungen Bernsteins sind, fragt man sich: Wie konnte er so blind für die sozialen Widersprüche sein, die sich zuspitzten und die europäische Zivilisation in eine Katastrophe trieben? Zumindest einen Teil der Antwort findet man vielleicht, wenn man dieselbe Frage heute stellt. Weshalb sind so viele angeblich intelligente Menschen derart blind für die Widersprüche, die unsere eigene Zivilisation dem Abgrund zutreiben? Weshalb hat der Zusammenbruch der »fünf asiatischen Tiger« so viele gut informierte Leute überrascht? Man sollte das Leben Eduard Bernsteins nicht als Vorbild, sondern als warnendes Beispiel studieren. Gerade in unserer Zeit, in der historische Unwissenheit und politische Blindheit weit verbreitet sind, kann man viel aus den Irrtümern eines Eduard Bernstein lernen, der bei all seiner Beschränktheit im Vergleich mit den heute auf der Weltbühne agierenden Politikern gar nicht so schlecht abschneiden würde. Des Weiteren wollen wir zu Bernsteins Verteidigung berücksichtigen, dass es im Jahr 1898, inmitten des Wohlstands und der Macht des europäischen Kapitalismus des späten 19. Jahrhunderts, nicht so leicht war, die Anzeichen für die bevorstehende Katastrophe zu erkennen. Dafür brauchte man nicht nur ein scharfes Auge, sondern auch das, was Marx »Abstraktionskraft« nannte.

Bernsteins Empirismus

Und gerade über diese geistige Fähigkeit verfügte Bernstein nicht. Er war Empiriker, sein politischer Horizont wurde von den »Tatsachen« abgesteckt, wie er sie aus zufälligen Beobachtungen, aus der Zeitungslektüre oder aus ökonomischen Statistiken entnahm. Bernstein hielt sich aufrichtig für einen Mann der Wissenschaft. Sein Hauptvorwurf gegen Marx lautete, seine Hegelsche Methode und seine revolutionären Ziele hätten ihm den objektiven Zugang zu den »Tatsachen« des sozioökonomischen Lebens verbaut.

Bernstein gab sich der üblichen Illusion der Empiriker hin: dass die »Tatsachen« elementare, »reine«, »wertfreie« und nicht theoretisch verseuchte Elementarteilchen absolut objektiver Daten seien, aus denen sich die organische Struktur der Wahrheit zusammensetze. Die Sammlung einer ausreichenden Anzahl von Elementarteilchen, politisch neutraler Daten, liefere dem Gesellschaftswissenschaftler ein wahrhaft objektives Bild der gesellschaftlichen Realität als Entscheidungsgrundlage für vernünftiges Handeln.

Der Empiriker leugnet oder verkennt, dass die »Tatsachen« der gesellschaftlichen Realität selbst geschichtliche Produkte sind, und dass die Art und Weise, wie Tatsachen isoliert und in einen begrifflichen Rahmen eingeordnet werden, gesellschaftlich bedingt ist. Jede gesellschaftliche Tatsache ist ein Ergebnis historischer Umstände und in ein komplexes Geflecht sozioökonomischer Beziehungen eingebettet. Hinzu kommt, dass die »Tatsachen« mittels kognitiver Begriffe und Kategorien verstanden – und überhaupt erst als »Tatsachen« erkannt – werden, die ihrerseits ein Ergebnis der Geschichte sind und diese widerspiegeln.

Der Empiriker, der behauptet, dass er gesellschaftliche Tatsachen völlig neutral auswähle und studiere, ist sich nicht über den historisch bedingten Charakter der Begriffe bewusst, mit denen er arbeitet; er nimmt, mit anderen Worten, gegenüber den Formen seines eigenen Denkens eine unkritische Haltung ein.

Die unkritische Haltung Bernsteins gegenüber seinen eigenen theoretischen Auffassungen zeigte sich am deutlichsten in seiner berühmten Aussage, das Endziel sei ihm nichts, es gehe ihm nur um das Hier und Jetzt. Was folgt aus dieser Einstellung? Sie reißt nicht nur die Tatsachen, sondern auch die Praxis der sozialistischen Bewegung aus ihrem historischen Zusammenhang. Die politische Tätigkeit sollte ohne Verständnis darüber entwickelt werden, dass sie Bestandteil eines historischen Prozesses und diesem unterworfen war.

Bernstein wies die revolutionäre Perspektive genau zu dem Zeitpunkt zurück, zu dem die Widersprüche kurz davor standen, an die Oberfläche des politischen Lebens durchzubrechen. Es sind nicht immer die weisesten Eulen, die in der Dämmerung ausfliegen. Der Anschein der Stabilität ist oft gerade dann am größten, wenn eine gegebene Gesellschaftsordnung kurz vor ihrem Untergang steht. Die empirischen Daten, die die Stärke des bestehenden Systems bezeugen, haben ihren quantitativen Höhepunkt erreicht. Es scheint dem Empiriker müßig, weiterhin ein Gesellschaftssystem in Frage zu stellen, dessen Dauerhaftigkeit von einer derart beeindruckenden Datenflut bestätigt wird. Doch diese Daten sind bereits überholt. Sie sind ohnehin nichts weiter als widersprüchliche Kennziffern einer Entwicklung, die ihrer Natur nach unentschieden und dabei ist, die Richtung zu wechseln. Der politische Empiriker, der auf gegebene Daten zurückgreift, um seine Kapitulation vor der bestehenden Ordnung zu rechtfertigen, begeht den Fehler, einem noch nicht abgeschlossenen Prozess eine willkürliche Schlussfolgerung aufzuzwingen. Daher verwechselt er einen Moment des historischen Übergangs mit dem Endergebnis. Aus diesem Grund war Bernstein 1898 unfähig, die herannahenden Schatten von 1914, geschweige denn von 1933, zu erkennen.


[1]

Eduard Bernstein, The Preconditions of Socialism, Cambridge 1993; Manfred Steger, The Quest for Evolutionary Socialism: Eduard Bernstein and Social Democracy, Cambridge 1997; Manfred Steger (Hrsg.), Selected Writings of Eduard Bernstein, 1900–1921, New Jersey 1996.

[2]

The Quest for Evolutionary Socialism, S. 14–15 (aus dem Englischen).

[3]

Ebd., S. 15.

[4]

Peter Gay, Das Dilemma des demokratischen Sozialismus, Nürnberg 1954, S. 127.

[5]

The Quest for Evolutionary Socialism, S. 69 (aus dem Englischen).

[6]

Karl Marx, »Zur Kritik der Politischen Ökonomie«, Vorwort, MEW, Bd. 13, Berlin 1961, S. 8f.

[7]

Eduard Bernstein, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Berlin 1991, S. 140.

[8]

Ebd.

[9]

Ebd., S. 147.

[10]

Ebd., S. 143f.

[11]

Ebd., S. 145.

[12]

Ebd., S. 159.

[13]

Ebd.

[14]

Ebd., S. 150.

[15]

Eduard Bernstein, »Der Kampf der Sozialdemokratie und die Revolution der Gesellschaft«, in: Die Neue Zeit, Jg. 16 (1897–98), Bd. 1 (1898), H. 16, S. 492.

[16]

Ebd.

[17]

Eduard Bernstein, Die Voraussetzungen des Sozialismus, S. 165–166.

[18]

Ebd., S. 164.

[19]

Eduard Bernstein, Ein revisionistisches Sozialismusbild. Drei Vorträge, Helmut Hirsch (Hrsg.), Berlin/Bonn-Bad Godesberg 1976, S. 73.

[20]

Ebd., S. 77.

[21]

Ebd., S. 65.

[22]

Eduard Bernstein, »Der Kernpunkt des Streites. Ein Schlusswort zur Frage: Wie ist wissenschaftlicher Sozialismus möglich?«, in: Sozialistische Monatshefte, V. Jahrgang 1901, S. 782.

[23]

Ebd., S. 784f.

[24]

Eduard Bernstein, Ein revisionistisches Sozialismusbild, S. 76.

[25]

Georgi Plekhanov, Selected Philosophical Works, Volume 3, Moskau 1967, S. 34 (aus dem Englischen).

[26]

Karl Kautsky, »Problematischer gegen wissenschaftlichen Sozialismus«, in: Die Neue Zeit, Jg. 19 (1900–1901) Bd. 2 (1901), H. 38, S. 357.

[27]

Eduard Bernstein, »An meine sozialistischen Kritiker«, in: Sozialistische Monatshefte, IV. Jahrgang 1900, S. 7.

[28]

Eduard Bernstein, »Idealismus, Kampftheorie und Wissenschaft«, in: Sozialistische Monatshefte, V. Jahrgang 1901, S. 602.

[29]

Ebd., S. 605.

[30]

Karl Marx, »Das Kapital«, Bd. 1, MEW, Bd. 23, S. 192f.

[31]

W.I. Lenin, Werke, Bd. 38, Berlin 1973, S. 203.