David North
Die Russische Revolution und das unvollendete Zwanzigste Jahrhundert

Leo Trotzki und das Schicksal des Sozialismus im 20. Jahrhundert: Eine Antwort auf Professor Eric Hobsbawm

Vortrag auf der internationalen Schulung über Marxismus und die Grundprobleme des 20. Jahrhunderts in Sydney, Australien, am 3. Januar 1998.

Widmung

Vor anderthalb Jahren hatte ich die Ehre, den Vorträgen von Professor Wadim Rogowin in Australien beizuwohnen. Nach dem zweiten Vortrag in Melbourne führte ich mit einer engen Freundin und Unterstützerin unserer Bewegung eine interessante Diskussion über die Bedeutung Leo Trotzkis. Dabei kamen mir viele Gedanken, über die ich mit ihr sprach. Sie äußerte die Hoffnung, dass ich diese Gedanken eines Tages in einem eigenen Vortrag ausarbeiten würde. Ich antwortete, dass ich mich auf eine solche Gelegenheit freuen würde.

Diese Freundin, Judy Tenenbaum, die Mutter von Linda Tenenbaum, die diese internationale Sommerschule leitet, ist leider Anfang letzten Jahres verstorben. Für uns alle, die sie kannten, war das ein großer Verlust. Ich möchte diesen Vortrag ihrem Andenken widmen. Ich betrachte dies als Dank und Pflicht gegenüber einer Frau, die mich immer herzlich willkommen hieß, wenn ich nach Australien kam und die Möglichkeit hatte, sie zu besuchen.

Der Verlust des Optimismus

Ende 1899 schrieb der große marxistische Theoretiker der deutschen Sozialdemokratie Franz Mehring, das 20. Jahrhundert werde das Jahrhundert der Erfüllung sein, so wie das neunzehnte das Jahrhundert der Hoffnung gewesen sei. Die Geschichte werde vielleicht einen komplizierteren Verlauf nehmen als erwartet, darüber könne kein Prophet zuverlässig Auskunft geben. »Aber«, bekundete er, »mit freudigem Mute und stolzer Zuversicht überschreitet das klassenbewusste Proletariat die Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts.«[1]

Mehring brachte den Optimismus zum Ausdruck, der am Vorabend des 20. Jahrhunderts in der sozialistischen Bewegung allgemein vorherrschte. Er sprach für eine Bewegung, die leidenschaftlich von der historischen Mission des Sozialismus erfüllt war. Kaum mehr als 50 Jahre waren vergangen, seit Marx und Engels das Kommunistische Manifest geschrieben hatten. Nur 40 Jahre vorher hatte Marx noch als verarmter und isolierter Revolutionär im Londoner Exil gelebt. Und nur 20 Jahre vorher hatte Bismarck die sozialistische Tätigkeit in Deutschland weitgehend verboten. Doch als sich das 19. Jahrhundert seinem Ende zuneigte, da war die Sozialdemokratische Partei ungeachtet der Sozialistengesetze zur größten politischen Partei des Landes herangewachsen. Überdies war der Sozialismus über die Grenzen Deutschlands hinaus zu einer mächtigen internationalen Bewegung geworden. Unter ihren Anhängern befanden sich unzählige Männer und Frauen, die sich durch außergewöhnlichen Mut, große Visionen und bisweilen echte Genialität auszeichneten.

Der Optimismus, dem die Sozialisten einen revolutionären Ausdruck verliehen, machte sich in der gesamten Gesellschaft, auch innerhalb der Bourgeoisie und der gebildeten Mittelklasse, bemerkbar. Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig erinnerte sich in seinen Memoiren, die er nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu Papier brachte, an die zur Jahrhundertwende vorherrschende Zuversicht wie an einen verblichenen nahen Freund:

Das neunzehnte Jahrhundert war in seinem liberalistischen Idealismus ehrlich überzeugt, auf dem geraden und unfehlbaren Weg zur »besten aller Welten« zu sein. Mit Verachtung blickte man auf die früheren Epochen mit ihren Kriegen, Hungersnöten und Revolten herab als auf eine Zeit, da die Menschheit eben noch unmündig und nicht genug aufgeklärt gewesen … Dieser Glaube an den ununterbrochenen, unaufhaltsamen »Fortschritt« hatte für jenes Zeitalter wahrhaftig die Kraft einer Religion; man glaubte an diesen »Fortschritt« schon mehr als an die Bibel, und sein Evangelium schien unumstößlich bewiesen durch die täglich neuen Wunder der Wissenschaft und Technik.[2]

Die traumatischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, das manchmal wie die Grabstätte aller Hoffnungen der Menschheit erscheint, haben von diesem Glauben nur sehr wenig übrig gelassen. Im schrecklichen Lichte all dessen, was im 20. Jahrhundert geschah – der beiden Weltkriege, der unzähligen regionalen Blutbäder, der gescheiterten Revolutionen, des Holocaust –, wird der Optimismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts als naives Vertrauen in die menschliche Vernunft und als irriger Fortschrittsglaube angesehen.

Wir nähern uns dem neuen Jahrtausend, aber durchgreifende Verbesserungen für die Menschheit werden kaum erwartet. Bestenfalls trifft man auf die zaghafte Hoffnung, dass den Menschen im neuen Jahrhundert die Schrecken des vergangenen erspart bleiben. Es ist eine traurige Tatsache, dass der bevorstehende Ausgang dieses Jahrhunderts vor allem ein Gefühl der Erleichterung hervorruft, wie man es am Ende einer außerordentlich beschwerlichen und mühseligen Reise verspürt.

Man kann sich leicht die Themen der Jahrhundertrückblicke ausmalen, mit denen wir bald überflutet werden: das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert von unvorstellbaren Schrecken, Massenmorden und totalitärer Bestialität. Es ist unbestreitbar, dass solche Beschreibungen in gewissem Maße zutreffen. Zu häufig und im falschen Sinne gebraucht, können sie allerdings zu abgedroschenen Binsenwahrheiten werden. In den Händen der Medien werden sie zu Phrasen, die das Denken abtöten, anstatt es zu erhellen. Ausgehend von den bisherigen Veröffentlichungen zu diesem Thema kann man davon ausgehen, dass sämtliche Gewalttaten und Tragödien des 20. Jahrhunderts als Beweis für die Schädlichkeit jeglicher »Ideologie« herhalten müssen, insbesondere des Marxismus, um so die Vergeblichkeit jeder revolutionären Kritik an der bestehenden Gesellschaftsordnung zu unterstreichen.

Das 20. Jahrhundert war Zeuge der gigantischsten Umwälzungen der Weltgeschichte. Niemals zuvor sind die Massen in derart dramatischem Umfang und mit einem solch hohen Bewusstseinsstand aktiv geworden. Umgekehrt sind nie zuvor revolutionäre Massenbewegungen derart skrupellos mit brutaler Gewalt niedergeschlagen worden. Die Moralisten der bürgerlichen Medien übersehen im Allgemeinen, dass die schlimmsten dieser Verbrechen direkt (in Deutschland und Spanien) oder indirekt (in der Sowjetunion) der Verteidigung des Kapitalismus auf Weltebene dienten.

An Tragödien hat es dem 20. Jahrhundert nicht gemangelt. Doch sie widerspiegelten auch die Größe der anstehenden historischen Aufgaben. Zum ersten Mal stellte sich die Menschheit als praktische Aufgabe die Abschaffung der Klassengesellschaft. Sie versuchte, die Vorgeschichte des Menschengeschlechts abzuschließen. Die bolschewistische Revolution im Oktober 1917 war, ungeachtet des weiteren Schicksals der Sowjetunion, ein unumstößlicher Meilenstein auf dem historischen Weg des menschlichen Fortschritts. Solche »deterministische« Anschauungen mögen heutzutage aus der Mode gekommen sein, dennoch sind wir der Überzeugung, dass in der Oktoberrevolution die mächtigsten Tendenzen der gesetzmäßigen Entwicklung des Menschen als gesellschaftliches Wesen ihren notwendigen, wenn auch nur vorläufigen Ausdruck fanden. Ein neuerlicher Anlauf zur Vollendung dessen, was im Jahr 1917 begonnen wurde, ist unserer Überzeugung nach unvermeidlich.

Die wichtigste politische und theoretische Aufgabe unserer Zeit ist daher das Studium des Oktobers 1917, der ersten proletarischen sozialistischen Revolution, und ihrer Folgezeit – nicht nur in Sowjetrussland, sondern auf der ganzen Welt. Zusammengenommen bildet dies das wesentlichste Element in der Gesamtheit der strategischen historischen Erfahrungen, aus denen Marxisten die theoretischen und praktischen Lehren ableiten müssen, die der Arbeiterklasse im 21. Jahrhundert als Leitfaden dienen werden. Jede ernsthafte Diskussion über die Aussichten des Sozialismus – und damit über die Zukunft der Menschheit – muss sich mit der Oktoberrevolution auseinandersetzen. Man kann diese Revolution unterstützen oder ablehnen, übergehen kann man sie nicht. Wie man die Probleme des heutigen Tages beantwortet, hängt unmittelbar damit zusammen, wie man die Oktoberrevolution, ihre Folgen, ihr Schicksal und ihr Vermächtnis bewertet.

Wenn die Oktoberrevolution zum Scheitern verurteilt war, wenn die bolschewistische Machteroberung von vornherein ein verhängnisvolles Unterfangen war, wenn der Stalinismus das unausweichliche Ergebnis des Bolschewismus war, wenn sich die Verbrechen der stalinistischen Ära direkt aus der Idee der »Diktatur des Proletariats« ergaben, und wenn der letztendliche Zusammenbruch der Sowjetunion den Bankrott der sozialistischen Wirtschaft beweist, dann hat der Marxismus selbstredend politisch, geistig und moralisch auf ganzer Linie Schiffbruch erlitten. Dies ist gegenwärtig die vorherrschende Ansicht unter Akademikern an den Universitäten. Wenn andererseits die Oktoberrevolution reale andere Möglichkeiten in sich barg, wenn der Stalinismus nicht dem Bolschewismus, sondern seinem Gegenteil entsprang, wenn der Aufstieg des Stalinismus auf den Widerstand der Marxisten traf, dann stellt sich die historische Lage des revolutionären Sozialismus ganz anders dar.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale vertritt den letzteren Standpunkt und stellt sich damit in Gegensatz nicht nur zu den offenen und ungenierten Verteidigern der Reaktion, sondern auch zu der von Skepsis, Demoralisierung und politischer Abkehr geprägten Stimmung so vieler, die sich bis vor Kurzem noch für Sozialisten hielten.

Insbesondere die vom Stalinismus Beeinflussten haben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – den sie überhaupt nicht erwartet hatten – ihre Haltung zur Oktoberrevolution und deren geschichtlichem Stellenwert von Grund auf geändert. Die Reaktion, bemerkte Leo Trotzki einst, bezwingt ihre Gegner nicht nur, sondern überzeugt sie auch. Viele langjährige Freunde der Sowjetunion (oder vielleicht genauer der Sowjetbürokratie), die früher Lenin und die »große Oktoberrevolution« über die Maßen bewunderten – und sich deshalb für sehr fortschrittlich hielten –, betrachten sie jetzt als ein Unglück, das niemals hätte geschehen dürfen. Die Machteroberung war ein fürchterlicher Fehler. Wenn sie daher überhaupt eine Lehre aus dem Oktober 1917 und seinen Folgen ziehen, dann lautet sie, dass das gesamte Vorhaben des revolutionären Sozialismus, wie es von Marx entworfen und von Lenin in die Tat umgesetzt wurde, auf tragische und unwiderrufliche Weise widerlegt worden sei.

Diese Perspektive ergibt sich aus einem Buch des britischen Historikers Eric Hobsbawm, der lange Jahre Mitglied der Kommunistischen Partei war. Es trägt den Titel »Wieviel Geschichte braucht die Zukunft?« und enthält diverse Essays und Vorträge aus den letzten 30 Jahren. Sie decken ein weites Themenfeld ab, der Schwerpunkt des Bandes liegt jedoch auf der historischen Bedeutung der Oktoberrevolution.

Da ich viel Schlechtes über Professor Hobsbawms Buch sagen werde, möchte ich eingangs deutlich machen, dass er im Laufe seiner langen beruflichen Laufbahn als Historiker zahlreiche wertvolle wissenschaftliche Arbeiten vorgelegt hat. Seine Schriften zur Französischen Revolution und zur Entwicklung des Kapitalismus im 19. Jahrhundert sind wohldurchdachte und einfühlsame Studien. Ein jüngeres Werk, eine kritische Analyse des Nationalismus und des Nationalstaates, enthält viele wertvolle und zeitgemäße Einsichten.

Mit dem Thema der Russischen Revolution begibt sich Professor Hobsbawm allerdings auf für ihn gefährliches Terrain, denn hier wird seine wissenschaftliche Tätigkeit durch seine politische Einstellung kompromittiert. Hobsbawm hat einmal eingestanden, dass er es als Mitglied der Kommunistischen Partei (KP) Großbritanniens vermied, über die Russische Revolution und das 20. Jahrhundert zu schreiben, weil die politische Linie seiner Partei der Wahrheitsfindung Grenzen gesetzt hätte. Weshalb er dennoch Mitglied einer Partei blieb, die ihn zu Lügen gezwungen hätte – diese Frage hat er nie überzeugend beantwortet. Es wäre besser für ihn und kein Verlust für die Geschichtsschreibung gewesen, wenn er sich weiterhin auf Ereignisse vor 1900 beschränkt hätte.

Kontrafaktische Geschichtsschreibung

Das wichtigste Dokument in Hobsbawms Buch ist ein Vortrag, den er im Dezember 1996 hielt. Er trägt den Titel »Können wir die Geschichte der Russischen Revolution schreiben?«

Eingangs trifft Professor Hobsbawm eine berechtigte Feststellung. Er schreibt, dass »die heftigsten Debatten zur russischen Geschichte im 20. Jahrhundert nicht darüber geführt [wurden], was geschehen war, sondern was hätte geschehen können«.[3] Die Diskussion über die Sowjetunion, sagt er, werfe daher das Problem der »kontrafaktischen«[4] Geschichtsschreibung auf. Damit ist die Frage gemeint, inwieweit man hinsichtlich einer bestimmten historischen Situation glaubwürdig beurteilen kann, was mit ihrem Eintritt nicht geschah oder was andernfalls hätte geschehen können. Hobsbawm hat recht, wenn er feststellt, dass die Diskussion über die sowjetische Geschichte unzählige kontrafaktische Fragen aufwirft. Die wichtigste von ihnen lautet, ob die Russische Revolution einen grundlegend anderen Verlauf hätte nehmen können als die Entwicklung zur stalinistischen Diktatur.

Hobsbawm steht der Revolution wohlwollend gegenüber. Er ist der Ansicht, dass Lenin und die bolschewistische Partei in ihrer Politik von den unerbittlichen Realitäten der gegebenen politischen Umstände des Jahres 1917 ausgingen und die Macht gestützt auf eine große, ja unwiderstehliche Welle der Unterstützung unter den Volksmassen übernahmen. Dennoch gelangt er am Ende zu dem Schluss, es gebe keine Grundlage für die Aussage, die Revolution hätte wesentlich andere Ergebnisse zeitigen können.

Im Gegensatz zu Richard Pipes, der in der Oktoberrevolution nur eine finstere Verschwörung skrupelloser sozialistischer Ideologen gegen das russische Volk sah, anerkennt Hobsbawm die historischen Prozesse, die in der Revolution am Werk waren. Er gibt aber keine Einschätzung der Rolle des subjektiven Faktors – von Parteien, politischen Programmen, politischen Führern, des Massenbewusstseins usw. – im historischen Prozess. Als ernstzunehmender Historiker weiß Hobsbawm durchaus, dass es diesen subjektiven Faktor gibt und dass er den Ausgang der Ereignisse beeinflusst. Was er jedoch über die Beziehung zwischen objektiven und subjektiven Faktoren sagt, ist verworren, widersprüchlich, ungenau und verschwommen. Er gibt in seinen Bemerkungen über Lenin und Stalin zu: »Ohne den persönlichen Einsatz dieser einzelnen Männer wäre die Geschichte der Russischen Revolution zweifellos ganz anders verlaufen.«[5] Doch darüber, was in der Geschichte anders verlaufen wäre, äußert er nichts Bestimmtes.

Hobsbawm würde nicht bestreiten, dass Lenin in der Russischen Revolution eine bedeutende Rolle spielte. Aber er zögert stark, Kontrafaktisches – Alternativen – in einem historischen Szenario ohne Lenin zu erwägen. Was wäre geschehen, wenn es Lenin nicht gelungen wäre, 1917 aus der Schweiz nach Russland zurückzukehren? Dazu könne man, so Hobsbawm, nicht viel mehr sagen, als dass sich die Dinge möglicherweise völlig anders entwickelt hätten, oder auch nicht. »Und weiter kommt man nicht, jedenfalls nicht im Reich der Tatsachen.«[6]

In einem anderen Abschnitt seines Vortrags, der sich mit der historischen Rolle Stalins befasst, meint Hobsbawm:

Man kann beispielsweise mit guten Gründen behaupten, dass das Projekt einer äußerst schnell vorangetriebenen Industrialisierung durch eine staatliche Planung in der Sowjetunion einen gewissen Spielraum für den ausgeübten Zwang von oben gehabt habe, doch wenn die Sowjetunion damals ein solches Projekt durchführen wollte, unabhängig davon, wieviel Millionen Sowjetbürger wirklich dahinterstanden, dann wäre es ohne gewisse Zwangsmaßnahmen nicht abgegangen, selbst wenn der Mann an der Spitze der Sowjetunion weniger erbarmungslos und grausam als Stalin gewesen wäre.[7]

Beiden Abschnitten liegt die Auffassung zugrunde, dass das subjektive Element keine entscheidende Bedeutung annehmen kann. In einem Vortrag über die historischen Alternativen der Russischen Revolution wächst sich diese Argumentation zu einer offenen Apologie des Stalinismus aus. Hobsbawm argumentiert folgendermaßen: Die bolschewistische Partei ergriff 1917 die Macht in der Hoffnung, dass eine Revolution in Deutschland, die Lenin für unmittelbar bevorstehend hielt, Sowjetrussland zu Hilfe kommen werde. Dies war eine katastrophale politische Fehlkalkulation. Obwohl Lenin vom Gegenteil überzeugt war, bestand zum Ende des Weltkriegs in Deutschland keine ernstzunehmende Aussicht auf eine Revolution. Die Einschätzung, die deutsche Arbeiterklasse sei 1918 von den sozialdemokratischen Führern verraten worden, tut Hobsbawm als Mythos ab. »Eine deutsche Oktoberrevolution oder etwas Ähnliches war einfach nicht im Gange und konnte daher auch nicht verraten werden.«[8]

Dieses Urteil sagt mehr über Hobsbawms historischen Pessimismus aus als über die Zustände in Deutschland im Jahr 1923. Er schreibt die Möglichkeit einer siegreichen Revolution in Deutschland einfach ab, ohne eine Einschätzung der wirklichen damaligen politischen Lage zu geben. Es gibt wertvolle Studien über den »Deutschen Oktober«, die überzeugend darlegen, dass der Ausgang der schweren Krise, die im Oktober 1923 in Deutschland herrschte, vom Vorgehen der Kommunistischen Partei abhing. Das war Trotzkis Standpunkt 1924, nachdem die Entscheidung der Kommunistischen Partei, einen geplanten Aufstand in letzter Minute abzusagen, in ein Fiasko geführt hatte.[9]

Theoretisch ergibt sich Hobsbawms Fehler aus einer fatalistischen Gleichgültigkeit gegenüber den Auswirkungen des subjektiven politischen Handelns auf den Lauf der Ereignisse. Die folgende Passage bringt Hobsbawms Haltung auf den Punkt und zeigt, wie seine einseitige Herangehensweise in eine Rechtfertigung des Stalinismus umschlägt: Da es keine Chance für eine deutsche Version der Oktoberrevolution gegeben habe, war es »der Russischen Revolution … beschieden, den Sozialismus in einem rückständigen und alsbald völlig zerrütteten Land aufzubauen …«[10] Die Bolschewiki hatten also 1917 die Macht übernommen, »obwohl ihr Programm einer sozialistischen Revolution völlig unrealistisch war«.[11] Hier scheint sich Hobsbawm übrigens selbst zu widersprechen, indem er die entscheidende Rolle des subjektiven Faktors anerkennt und Lenins Fehler verheerende historische Folgen zuschreibt. Trotz aufrichtiger Überzeugungen und ehrbarer Absichten spielte Lenin auf Risiko und verlor. Das Ergebnis war der Sozialismus in einem Land. »Die Geschichte muss von dem ausgehen, was sich tatsächlich ereignet hat«, erläutert Hobsbawm. »Alles andere ist Spekulation.«[12]

Diese Auffassung ist reichlich hausbacken, denn das, »was sich ereignet hat« – wenn man darunter nur versteht, was die Tageszeitungen gemeldet haben –, ist mit Sicherheit nur ein kleiner Bestandteil des historischen Prozesses. Die Geschichtsschreibung muss sich schließlich nicht nur mit dem befassen, »was sich ereignet hat«, sondern auch mit den weitaus wichtigeren Fragen, weshalb sich das eine ereignet hat und das andere nicht, und was hätte geschehen können. Sobald man über ein Ereignis nachdenkt – d.h. darüber, »was sich ereignet hat« –, ist man gezwungen, auch die Vorgeschichte und die Umstände einzubeziehen. Ja, die Sowjetunion übernahm 1924 die Politik des »Sozialismus in einem Land«. Das »hat sich ereignet«. Aber die Opposition zum »Sozialismus in einem Land« hat sich auch »ereignet«. Der Konflikt zwischen der stalinistischen Bürokratie und der Linken Opposition, über den Hobsbawm keine Silbe verliert, hat sich ebenfalls »ereignet«. Da Hobsbawm die Kräfte der Opposition, die der Politik der Sowjetunion eine andere Richtung geben wollten, bewusst ausklammert oder als bedeutungslos abtut, besteht seine Definition dessen, »was sich ereignet hat«, aus einer einseitigen, eindimensionalen, pragmatischen und vulgären Verflachung einer äußerst komplexen historischen Wirklichkeit. Von dem auszugehen, »was sich ereignet hat«, bedeutet für Hobsbawm schlicht, damit zu beginnen und zu enden, »wer gesiegt hat«.

Selbst der gewissenhafteste Erzähler historischer Begebenheiten kann nur einen kleinen Teil dessen anführen, »was sich ereignet hat«. Das Studium und das Schreiben der Geschichte umfasst unweigerlich in beträchtlichem Umfang Auswahl und Spezialisierung. Doch diese Auswahl und Spezialisierung sollte zumindest dem historischen Prozess Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sie sollte die wichtigsten Fäden zusammenführen, aus denen die Geschichte gewoben wurde. »Was sich ereignet hat«, kann schließlich ebenso gut anhand der verworfenen wie anhand der verwirklichten politischen Optionen definiert werden. Hobsbawm tut jedoch so, als habe die von Trotzki vertretene Politik kein wirkliches historisches Interesse mehr beanspruchen dürfen, nachdem die Kommunistische Partei sie verworfen und ihn ausgeschlossen und des Landes verwiesen hatte.

Lässt man die geschliffene Prosa des Akademikers weg, bleibt eine banale und eindimensionale Herangehensweise an die Geschichte übrig. »Stalin hat gesiegt«, gibt uns Hobsbawm zu verstehen, »und es hat wirklich keinen Sinn, sich zu überlegen, was passiert wäre, wenn er nicht gesiegt hätte.« Über das hinaus zu blicken, »was sich ereignet hat«, d.h. den historischen Prozess im vollen Umfang seiner konkreten Möglichkeiten zu betrachten, ist müßige Spekulation, eine Abkehr von der historischen Realität und eine Flucht in unhaltbare Urteile und selbstgefällige Illusionen.

Wenn wir jedoch in das, »was sich ereignet hat«, die widersprüchlichen und gegensätzlichen Elemente des historischen Prozesses einbeziehen, dann ist die Kluft zwischen dem, »was sich ereignet hat«, und dem, »was sich nicht ereignet hat«, nicht mehr der spekulative Abgrund, den Hobsbawm darin sehen will. Eine umfassendere und vollständigere Betrachtung der Geschichte würde zumindest einen Teil dessen, »was sich nicht ereignet hat«, als etwas erscheinen lassen, »das sich hätte ereignen können«.

Es ist nicht bloß leere Spekulation, wenn man auf der Grundlage eines Studiums der Alternativen, die den Entscheidungsträgern zur Verfügung standen, überlegt, »was sich hätte ereignen können«. Schließt man das, »was sich hätte ereignen können«, aus der Betrachtung aus, gäbe es überhaupt keinen Grund mehr, die Geschichte zu studieren. Denn immerhin sollte sie uns etwas lehren.

Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die internationale Bourgeoisie nicht wenige große Katastrophen. Sie unterzog diese Erfahrungen einer sorgfältigen Untersuchung und lernte daraus. John Maynard Keynes war ein erbitterter Kritiker der Friedensverträge, die nach dem Ersten Weltkrieg geschlossen worden waren. Gebrannt durch die Desaster, die sich aus Versailles ergeben hatten, machte die Bourgeoisie Keynes’ Auffassungen zur Grundlage ihrer Politik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Es gibt natürlich eine Grenze, jenseits derer die Betrachtung historischer Alternativen, des »nicht eingeschlagenen Weges«, in müßige Spekulation umschlägt. Auch kann man vom methodischen Standpunkt her Gefahr laufen, objektive Faktoren zu unterschätzen oder zu übersehen, die die Möglichkeit eines grundlegend anderen Verlaufs der Geschichte bedeutend reduzieren. Gerade Marxisten haben ein solches, unangemessen spekulatives Herangehen an die Geschichte zu Recht kritisiert.

Objektive und subjektive Faktoren in der Geschichte

Doch was Hobsbawm vorbringt, sind nicht solche berechtigten Einwände. Er bezieht hinsichtlich der Geschichte der Russischen Revolution und der Sowjetunion einen ultra-deterministischen, übermäßig objektivistischen und fatalistischen Standpunkt: Es habe keine plausiblen Alternativen zu dem gegeben, »was sich ereignet hat«. Diese Herangehensweise rechtfertigt er mit einer vereinfachenden Gleichsetzung der sozialen Revolution mit natürlichen Prozessen.

Doch an dieser Stelle müssen wir die Spekulation aufgeben und zur wirklichen Situation Russlands in einer Revolution zurückkehren. Große Massenrevolutionen, die von unten ausbrechen – und Russland 1917 war vermutlich das eindrucksvollste Beispiel für solch eine Revolution in der Geschichte – sind in gewisser Hinsicht »Naturerscheinungen«. Sie sind wie Erdbeben und gewaltige Überschwemmungen, vor allem wenn wie in Russland der Überbau staatlicher und nationaler Institutionen praktisch zerfallen ist. Sie sind in hohem Maße unkontrollierbar.[13]

Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen Erdbeben und Überschwemmungen auf der einen Seite und Revolutionen auf der anderen. Bei tektonischen Verschiebungen der Erdkruste und Überflutungen spielt das Denken keine Rolle. Die Erde beschließt nicht zu rumpeln, und der Fluss wägt nicht ab, ob er über die Ufer treten soll. Bei sozialen Revolutionen hingegen ist das Bewusstsein ein immenser Faktor.[14] Revolution bedeutet das Handeln denkender Menschen. Vom Revolutionär, der sein ganzes Leben ihrer Vorbereitung gewidmet hat, bis zum einfachen Arbeiter, dessen Lebenslage so unerträglich geworden ist, dass er beschlossen hat, gegen die bestehende Ordnung zu kämpfen, ist die Revolution eine bewusste Tat. Wie mächtig die »rein« objektiven, d.h. ökonomischen, technologischen usw. Kräfte auch sein mögen, die dem sozialen Ausbruch zugrunde liegen – und es gibt in der Gesellschaft keine »rein objektiven« Phänomene, da sich jedes Ereignis vermittels des Handelns menschlicher Subjekte vollzieht –, tritt eine revolutionäre Situation erst dann ein, wenn die objektiven Impulse das menschliche Hirn erreicht haben und in komplexe Formen politischen Denkens übersetzt worden sind. Der Vergleich sozialer Revolutionen mit zerstörerischen Naturereignissen, der nur in einem eng begrenzten Sinne angebracht ist, gehört zu den am häufigsten missbrauchten Metaphern. Wird auf den Unterschied zwischen Naturereignissen und menschlichem Handeln nicht hingewiesen, mystifiziert, verzerrt und verfälscht die Metapher den historischen Prozess. Hobsbawm schreibt:

Wir müssen aufhören, uns die Russische Revolution in Kategorien der Ziele und Absichten der Bolschewiki oder sonstwelcher Gruppen, ihrer langfristigen Strategie und der Kritiken anderer Marxisten an ihrer Praxis vorzustellen.[15]

Wollte man Hobsbawms Anweisung nachkommen, dann wäre es schlicht unmöglich, die Russische Revolution zusammenhängend darzustellen, geschweige denn zu verstehen. Sie verrät seine Unfähigkeit, das wichtigste Kennzeichen der historischen Entwicklung im 20. Jahrhundert zu begreifen: die noch nie dagewesene Rolle des Bewusstseins bei der Gestaltung der Geschichte. Die Entstehung sozialistischer Massenparteien war Ausdruck einer neuen historischen Erscheinung, die nur durch das Zusammenwirken zweier miteinander verbundener Prozesse möglich wurde – des Aufstiegs der Arbeiterklasse und der Entstehung des Marxismus.

Ende des 19. Jahrhunderts stand das Programm der sozialen Revolution auf dem Banner politischer Parteien. Von Marx und Engels mit der Einsicht in die objektiven Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung gewappnet, bereiteten die Führer der neuen sozialistischen Parteien die Arbeiterklasse auf die antikapitalistische Revolution vor, in der sie die führende und ausschlaggebende Rolle spielen sollte.

Da sie auf einer wissenschaftlich begründeten Einsicht in die Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung beruhten und es daher ermöglichten, die Bedeutung und Auswirkung politischer Ereignisse schon im Moment ihres Geschehens in bislang undenkbarer Weise zu verstehen, gewannen die Analysen, Perspektiven, Strategien und Programme politischer Organisationen eine vollkommen neue Rolle im historischen Prozess. Die Geschichte ereignete sich nun nicht mehr einfach. Sie wurde vorausgesehen, vorbereitet und in bis dahin nicht möglichem Maße bewusst gesteuert. Die Generation von Marxisten, die in den letzten Jahren des 19. oder den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts politisch aktiv wurde, erwartete eine Revolution als Folge sozioökonomischer Widersprüche, die erkannt und analysiert worden waren. Sie fasste ihre eigene politische Arbeit wie die ihrer Gegner im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die Revolution auf. Nur in diesem Zusammenhang kann man verstehen, weshalb die marxistische Polemik ein so großes Gewicht auf die Feststellung legte, welchen Klasseninteressen verschiedene Programme dienten und welchen »Klassencharakter« politische Strömungen besaßen.

Die Russische Revolution enthüllte die objektive Bedeutung der Ziele, Absichten, Strategien und Kritiken aller politischen Parteien und Tendenzen, die vor 1917 in der einen oder anderen Weise in Russland aktiv gewesen waren. Was die politischen Hauptakteure zwischen April und Oktober 1917 taten, auf welcher Seite der Barrikaden sie in den entscheidenden Schlachten standen, war in den großen theoretischen und politischen Kämpfen der vorangegangenen zwei Jahrzehnte vorweggenommen worden.

Oberflächlich erscheint es plausibel, die Revolution als unkontrollierbare Katastrophe darzustellen, der auch die ausgeklügeltsten Pläne nicht beizukommen vermochten. Aber wenn das Bewusstsein eine so geringe Rolle spielt, wenn das Element der theoretischen Voraussicht im Chaos einer revolutionären Epoche verblasst, wie soll man dann die Arbeit Lenins und Trotzkis vor, während und insbesondere nach 1917 einschätzen?

Nach der Revolution von 1905 versuchten die verschiedenen Fraktionen der russischen Sozialdemokratie, die Aufgaben der Arbeiterklasse im Lichte der Erfahrungen dieses Ereignisses zu definieren. Ihre Antworten sollten nicht nur ihre eigene Rolle in den folgenden Ereignissen, sondern auch den künftigen Verlauf der Russischen Revolution bestimmen. Hobsbawm dagegen beteuert: »Was Lenin für Pläne hatte – und letzten Endes hörte die Partei auf Lenins Kommando – war belanglos.«[16]

Dieser Behauptung widerspricht schon die einfache Tatsache, dass ohne die Umorientierung der bolschewistischen Partei im Frühjahr 1917 auf der Grundlage von Lenins »Aprilthesen« – d.h. ohne die Annahme der strategischen Linie, die zuvor Leo Trotzki formuliert hatte – die Macht­eroberung der Bolschewiki nicht stattgefunden hätte. Revolutionen sind tatsächlich gewaltige Ereignisse; aber Politik und Programm, die Erzeugnisse des Bewusstseins, spielen in ihnen eine entscheidende Rolle.

Hobsbawm versucht, die Rolle des Bewusstseins im revolutionären Prozess bis hin zu dessen Leugnung zu minimieren. Lenin, schreibt er, »konnte einfach keine Strategien oder Perspektiven entwickeln, die über die täglich neu zu treffende Wahl zwischen Entscheidungen, die für das unmittelbare Überleben notwendig waren, und solchen, die ein unmittelbares Desaster nach sich zu ziehen drohten, hinausgingen. Wer konnte es sich schon leisten, all die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden mussten, im Hinblick auf die möglichen langfristigen Auswirkungen auf die Revolution zu bedenken?«[17]

Diese Darstellung Lenins als vulgärer Realpolitiker, der pragmatisch und intuitiv auf die Tagesereignisse reagierte, ergibt selbst innerhalb des von Hobsbawm gesetzten Rahmens schwerlich einen Sinn. Die Verteidigung der Revolution erforderte eine umfassende strategische Konzeption; ihre erfolgreiche Verwirklichung hing von der bewussten Einsicht in die Klassenstruktur und Dynamik der russischen Gesellschaft ab. Natürlich waren Lenin und Trotzki während der Revolution und des Bürgerkriegs sehr beschäftigt. Aber darum hörten sie nicht auf zu denken. Ihre Schriften – vor allem Trotzkis großartige Manifeste und Reden für die Kongresse der Kommunistischen Internationale – erstaunen noch heute durch die Tiefe und Breite ihrer strategischen Vision. Unter den zahlreichen politischen Kräften, die im Strudel der Revolution und des Bürgerkriegs wirkten, waren nur die Bolschewiki fähig, eine strategische Linie zu formulieren, die Dutzenden Millionen Menschen in einem riesigen und kulturell zerklüfteten Land als gemeinsames Banner diente. Wie E.H. Carr treffend bemerkte, war der Erfolg der Bolschewiki im Bürgerkrieg nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Lenins Genie von Grund auf kreativ und nicht in negativer Weise destruktiv war.

Hobsbawms Herunterspielen des politischen Bewusstseins macht es praktisch unmöglich zu verstehen, wie die Bolschewiki an die Macht kamen und weshalb sie den Bürgerkrieg gewannen. Wenn politische Parteien nur Spielball der Vulkanausbrüche der Geschichte sind, dann folgt daraus, dass der Sieg der Bolschewiki – je nach Standpunkt – entweder ihrem Glück oder dem Pech ihrer Gegner zuzuschreiben war.

Hobsbawms Fatalismus

Wendet man Hobsbawms Standpunkt auf die Periode nach der Revolution an, dann dient er als Apologie des Stalinismus. Bewegt von unkontrollierbaren historischen Kräften, auf die er nur mit verzweifelten Improvisationen reagieren konnte, war das Schicksal des Bolschewismus schon 1921 besiegelt. Hobsbawm schreibt dazu: »Zu diesem Zeitpunkt war der zukünftige Kurs mehr oder weniger vorgeschrieben …«[18] In einem weiteren Aufsatz im selben Band verleiht Hobsbawm dieser Ansicht noch nachdrücklicher Ausdruck: »Leider kann ich mir keine realistische Prognose vorstellen, welche die langfristige Zukunft der Sowjetunion wesentlich anders hätte ausmalen sollen, als sie tatsächlich eingetreten ist.«[19]

Die sowjetische Geschichte hätte also vielleicht einen weniger grausamen Verlauf nehmen können, doch das Ergebnis des historischen Prozesses war 1921 im Wesentlichen entschieden. Stalin spielte lediglich, wenn auch unter exzessiver Gewaltanwendung, das Blatt aus, das ihm die vorausgegangene Entwicklung zugeteilt hatte. Hobsbawm liefert uns eine »linke« Spielart der reaktionären Standardthese, dass keine Alternative zum Stalinismus möglich war. Hobsbawm ist nicht der Auffassung, der stalinistische Totalitarismus sei das unvermeidbare Ergebnis des Marxismus gewesen. Sein Argument lautet, der Stalinismus sei unvermeidlich und unaufhaltsam aus den objektiven Bedingungen hervorgegangen, die nach 1917 in der Sowjetunion herrschten. Alles Gerede von einer Alternative zu dem, was tatsächlich geschah, sei reine Spekulation. Die objektiven Umstände hätten keine Alternative zugelassen. Die Politik der Regierung hätte etwas weniger grausam sein können, aber das hätte nur einen graduellen, keinen grundsätzlichen Unterschied gemacht.

Worin bestehen unsere Einwände gegen diese Einschätzung? Die Trotzkisten haben schließlich immer darauf bestanden, dass die stalinistische Degeneration der bolschewistischen Partei und des Sowjetstaates in letzter Analyse auf ungünstige objektive Bedingungen zurückging – in erster Linie die historische Rückständigkeit Russlands, die durch sieben ununterbrochene Jahre Weltkrieg, Revolution und Bürgerkrieg angerichtete wirtschaftliche Verwüstung und schließlich die lange Isolation des Sowjetstaates infolge der Niederlagen der europäischen, insbesondere der deutschen Arbeiterklasse nach dem Ersten Weltkrieg.

Es besteht jedoch ein entscheidender Unterschied zwischen der Anerkennung der objektiven materiellen Grundlagen des Stalinismus und der Aussage, dass diese Grundlagen nur zu einem politischen Ergebnis führen konnten – zur unwiderruflichen bürokratischen Degeneration der UdSSR und ihrem schließlichen Zusammenbruch 1991. In einer solchen Auffassung der Sowjetgeschichte fehlt eine Kleinigkeit: die Rolle der Politik, der Programme, der Kämpfe verschiedener Strömungen, des Bewusstseins; die Bedeutung von Entscheidungen, die Individuen unter dem Einfluss einer mehr oder weniger tiefen politischen Einsicht in den historischen Prozess trafen. Die Geschichte wird in einen gänzlich abstrakten und überaus deterministischen Vorgang verwandelt: alles wird von blind wirkenden, unkontrollierbaren Kräften entschieden. Die Geschichte schwemmte die Bolschewiki erst an die Macht und dann, wenn nicht weg von der Macht, zumindest in eine Sackgasse.

Hobsbawm hat uns bereits gesagt, wir müssten »aufhören, uns die Russische Revolution in Kategorien der Ziele und Absichten der Bolschewiki oder sonstwelcher Gruppen, ihrer langfristigen Strategie und der Kritiken anderer Marxisten an ihrer Praxis vorzustellen«.[20] Das bedeutet, dass es keinen Anlass gibt, sich mit den politischen Kämpfen zu befassen, die während der 1920er Jahre in der bolschewistischen Partei tobten. Trotzkis Schriften über den Stalinismus, seine Kritik an der Sowjetpolitik, der Gegensatz zwischen der von ihm vertretenen langfristigen Strategie und jener der stalinistischen Führung sind, folgt man Hobsbawm, kaum von Bedeutung. Das Schicksal der UdSSR war bereits 1921 in Stein gemeißelt, und die kommunistische Regierung – egal, wer sie führte – hätte nichts tun können, was einen grundlegenden Unterschied gemacht hätte. Wer das Gegenteil vertritt, muss Hobsbawm wohl glauben, ergeht sich lediglich in den müßigen Spekulationen trotzkistischer Dickschädel. Es überrascht daher nicht, dass Hobsbawm in seinem Vortrag den Kampf der Linken Opposition und Trotzkis gegen den Stalinismus mit keiner Silbe erwähnt. In einem 300-seitigen Band mit Essays und Vorträgen, deren zentrales Thema die Stellung der Oktoberrevolution in der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist, erscheint Trotzkis Name nur ein einziges Mal.

Hobsbawm macht nicht den Marxismus für den Stalinismus verantwortlich. Wenn aber die stalinistische Diktatur das einzig denkbare Ergebnis der Oktoberrevolution war, kann man schwerlich daran festhalten, dass die Machteroberung der Bolschewiki den Interessen der Arbeiterklasse und dem historischen Fortschritt diente. Am Ende bleibt nur die Schlussfolgerung – die Hobsbawm auch stark andeutet –, dass der Oktober 1917 ein furchtbarer Fehler war und dass es wahrscheinlich viel besser gewesen wäre, wenn sich Kamenew, der Gegner des Aufstands, anstelle Lenins in der bolschewistischen Partei durchgesetzt hätte.

Hobsbawms Argumentation stellt nicht nur die politische Berechtigung der Oktoberrevolution in Frage, sondern wirft einen dunklen Schatten auf das sozialistische Vorhaben als Ganzes. Man kann sich schließlich kaum eine soziale Revolution vorstellen, die unter derart perfekten Bedingungen stattfindet, dass ihr Erfolg am Ende garantiert ist. Die Revolution, die ohne riesige Verwerfungen und den Zusammenbruch der politischen und wirtschaftlichen Mechanismen der bestehenden Ordnung gar nicht denkbar ist, bedeutet naturgemäß einen Sprung ins Ungewisse. Es wird zahlreiche Gefahren geben. Eine politische Organisation wäre närrisch, wenn nicht in verbrecherischer Weise verantwortungslos, wenn sie die Arbeiterklasse zu einem revolutionären Aufstand aufriefe, ohne der festen Überzeugung zu sein, dass die Umstände gemeistert, in ihrem weiteren Verlauf beeinflusst und den Zielen des revolutionären Programms unterworfen werden können.

Welche vernünftige Grundlage verbleibt jedoch noch für eine solche Zuversicht, wenn die Lehre aus dem Oktober 1917 und seinen Folgen lautet, revolutionäre Parteien seien den objektiven Bedingungen einfach ausgeliefert, sie seien hilflose Werkzeuge des historischen Prozesses, der sie zwinge, seine Anweisungen auszuführen, und seien sie noch so furchtbar?

Hobsbawm liefert also nicht nur eine Apologie für Stalin – »die objektiven Umstände haben ihn gezwungen« –, sondern bestätigt auch das klassische liberale Argument der bürgerlichen Demokratie gegen die Revolution als Werkzeug des gesellschaftlichen Wandels. Sein Standpunkt beruht allerdings erstens auf einer falschen Methode und zweitens auf einem recht nachlässigen – das Wort unehrlich möchte ich vermeiden – Umgang mit den Fakten. Sein Fatalismus hat nichts mit der Methode des historischen Materialismus gemeinsam. Hobsbawm beruft sich auf die objektiven Bedingungen, als ob sie eine Art Marschbefehl wären, der Parteien und Menschen keine andere Wahl lässt, als ihm zu folgen. Eine solche Auffassung ist in höchstem Maße oberflächlich.

Die Risse, die sich nach 1921 in der russischen Kommunistischen Partei auftaten, zeugen davon, dass die objektiven Bedingungen ein breites Spektrum an Reaktionen hervorriefen. Die verschiedenen Antworten der Parteiführer auf die Probleme, und die Tendenzen, die sich um sie sammelten, widerspiegelten nicht nur unterschiedliche Einschätzungen der objektiven Umstände, sondern auch unterschiedliche Beziehungen zu verschiedenen und sogar einander feindlichen gesellschaftlichen Kräften.

Stalins Antwort auf die »objektiven Bedingungen« widerspiegelte immer deutlicher die gesellschaftliche Stellung der wachsenden Staatsbürokratie, die sich aus der unteren städtischen Mittelklasse rekrutierte, und artikulierte deren materielle Interessen. Die Politik Trotzkis und der Linken Opposition artikulierte dagegen in sehr bewusster Form die Interessen des Industrieproletariats. Je mehr diese gesellschaftliche Kraft, die der Hauptträger marxistischer Politik in der UdSSR war, durch die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen des Bürgerkriegs geschwächt wurde, desto ungünstiger gestaltete sich die Voraussetzung für die Entwicklung und Verwirklichung sozialistischer Politik.

Man darf diese »ungünstigen Bedingungen« jedoch nicht wie eine nicht beeinflussbare Wetterlage auffassen. Man muss sie in konkreten politischen Begriffen verstehen, als Ausdruck des Kampfs feindlicher gesellschaftlicher Kräfte. Je mehr die Stellung des durch den Bürgerkrieg dezimierten Industrieproletariats geschwächt wurde, desto rücksichtsloser und brutaler entfaltete sich die Opposition gegen die marxistischen Führer der Arbeiterklasse. Sie ging von den Elementen in der Partei- und Staatsbürokratie aus, die in der Politik der Linken Opposition eine Bedrohung ihrer materiellen Interessen sahen.

Darin bestand der Kern des politischen Kampfs, der in den 1920er Jahren in der Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Internationale tobte.

Was wäre gewesen, wenn die Linke Opposition sich durchgesetzt hätte?

An dieser Stelle möchte ich eine Reihe von Aussagen treffen, die Professor Hobsbawm für unzulässige Spekulation und im Rahmen der historischen Analyse für indiskutabel halten würde.

Erstens: Wenn sich die Linke Opposition im Kampf innerhalb der russischen Kommunistischen Partei durchgesetzt hätte, wäre die Sache des internationalen Sozialismus unermesslich gestärkt worden. Zumindest wären die konterrevolutionären Katastrophen der 1930er Jahre – insbesondere der Sieg des Faschismus in Deutschland – wahrscheinlich verhindert worden.

Zweitens: Mit dem Sieg der Opposition hätte sich das wirtschaftliche und politische Leben der Sowjetunion unvergleichlich progressiver entwickelt. Die Behauptung, das Abgleiten der UdSSR in die totalitäre Grausamkeit der dreißiger Jahre sei durch unkontrollierbare »objektive Umstände« vorherbestimmt gewesen, ist schlichtweg nicht haltbar. Wenn sich die »objektiven Umstände« für die Entwicklung der UdSSR in Richtung Sozialismus immer widriger gestalteten, so war dies vor allem eine politische Folge der Niederlage Trotzkis und der Linken Opposition.

Drittens, und das ergibt sich aus den ersten beiden Punkten: Die Niederlage Trotzkis und der Linken Opposition bereitete allen folgenden Tragödien den Weg, die die Sowjetunion, die internationale Arbeiterklasse und die sozialistische Bewegung heimsuchen sollten und unter deren Schatten wir bis heute leben. Ich möchte einen weiteren Punkt hinzufügen: Man kann eine Diskussion über das Schicksal des Sozialismus im 20. Jahrhundert nicht ernst nehmen, wenn sie nicht mit der notwendigen Sorgfalt die Folgen von Trotzkis Niederlage in Erwägung zieht. Man muss, anders gesagt, nicht nur betrachten, was sich unter Stalin »ereignet hat«, sondern auch, was sich im Falle von Trotzkis Sieg »hätte ereignen können«.

Betritt man damit das Gebiet unstatthafter Spekulation? Man muss einräumen, dass die Frage nach der Zulässigkeit dieses Ansatzes durchaus berechtigt ist. Es besteht sicher die Gefahr, dass man bei der Erörterung des Kontrafaktischen in unerlaubte Spekulation und reines Wunschdenken verfällt. Wenn man sich andere Wege der historischen Entwicklung vor Augen hält, darf man die Bandbreite der Möglichkeiten nicht überschreiten, die damals tatsächlich vorhanden waren. Außerdem muss man sich – auf der Grundlage eines sorgfältigen Studiums der ökonomischen Grundlagen, des technologischen Entwicklungsstandes und der Klassenstruktur der gegebenen Gesellschaft – der Schranken bewusst bleiben, innerhalb derer das subjektive Handeln des Menschen, der selbst Produkt und Ausdruck spezifischer, historisch entstandener Umstände ist, die objektiv gegebenen Umstände beeinflussen und verändern kann.

Zwei historische Exkurse: England 1529 und Frankreich 1794

Ein auf die Herrschaft der Tudors spezialisierter Historiker könnte – wenn er wollte – zum Beispiel überlegen, was hätte passieren können, wenn Katharina von Aragon, die erste Frau Heinrichs des Achten, einen männlichen Thronfolger zur Welt gebracht hätte. Welche Auswirkungen hätte das auf die Entwicklung Englands gehabt? Hier sind verschiedene Mutmaßungen möglich, aber man kommt nicht sehr weit, bevor man sich eindeutig auf höchst spekulativem Terrain wiederfindet. Wahrscheinlich kann man davon ausgehen, dass Katharina, wenn sie einen Jungen geboren hätte und dieser dann nicht im Kindesalter gestorben wäre, von ihrem triebhaften Ehegatten nicht vor ein Scheidungsgericht gezerrt worden wäre. Es ist daher möglich, wenn auch keineswegs sicher, dass die übrigen Herrschaftsjahre Heinrichs zumindest in persönlicher Hinsicht weniger turbulent verlaufen wären.

Könnten wir jedoch darüber hinaus schlussfolgern, dass England ohne die königliche Ehekrise ein katholisches Land geblieben wäre? Das wäre sicherlich hoch spekulativ und fraglich. Denn die Auseinandersetzung um die Scheidung trieb nur eine politische Krise auf die Spitze, die tief in sozioökonomischen Prozessen wurzelte, die ganz Europa erfasst hatten. Die wirklich interessante und entscheidende Frage, die man beim Studium der Herrschaft Heinrichs des Achten beantworten muss, lautet gerade, weshalb eine nicht ungewöhnliche dynastische Erbfolgekrise in einen Kampf zwischen Kirche und Staat mit revolutionären Konsequenzen umschlug. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Beweggründe Einzelner – die sich der historischen Dimensionen und Folgen ihres Handelns weitgehend nicht bewusst waren – nicht besonders maßgeblich.

Selbst wenn wir mehrere Jahrhunderte weiter gehen, in die Epoche der Französischen Revolution, reagieren historische Persönlichkeiten immer noch mit einem sehr beschränkten Verständnis der historischen Kräfte, die auf sie einwirken. Natürlich unterscheidet sich das historische Bewusstsein Robespierres stark von jenem Heinrichs des Achten oder selbst Oliver Cromwells. Zum Ende des 18. Jahrhunderts war das bewusste Verständnis gesellschaftlicher Kräfte und Interessen sicherlich ausgeprägter als ein oder zwei Jahrhunderte früher. Aber die Macht der historischen Notwendigkeit war noch nicht in entsprechende Formen wissenschaftlichen Denkens übersetzt worden – diese Leistung wurde erst mit der Entstehung des modernen Kapitalismus und der Arbeiterklasse möglich. Daher wurden die Ereignisse der Französischen Revolution, ungeachtet der großen Begabung ihrer führenden Persönlichkeiten, in jedem Stadium von der Kraft der historischen Notwendigkeit geprägt.

Das heißt nicht, dass es nur so und nicht anders kommen konnte. Man kann sich viel »Kontrafaktisches« vorstellen, das den Verlauf der Ereignisse geändert hätte. Aber auf dem gegebenen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung und angesichts der beschränkten Einsicht des Menschen in die tieferen Gesetze der historischen Entwicklung wären solche Änderungen von den politisch Handelnden vollzogen worden, ohne dass sie die historischen Konsequenzen ihres Tuns auch nur annähernd klar verstanden hätten.

Im Frankreich des Jahres 1794 existierten weder die objektiven Mittel noch die ihnen entsprechende wissenschaftliche Einsicht, um den historischen Entwicklungsgang bewusst zu gestalten – d.h. gestützt auf ein Verständnis der Logik sozioökonomischer Prozesse zu handeln. Die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses handelten zweifellos bewusst und verfügten über ein recht feines Gespür für die in der Revolution aktiven gesellschaftlichen Kräfte. So war sich Robespierre sicherlich darüber im Klaren, dass Danton mächtige Unterstützung unter Teilen der Bourgeoisie fand. Er spürte die Gefahr, die ein Zusammenstoß mit den Indulgenten mit sich brachte. Aber Robespierre konnte sich nicht im modernen Sinne der historischen Implikationen seiner Taten bewusst sein. Die objektiven Voraussetzungen für die Entwicklung des historischen Materialismus waren noch nicht herangereift, und die Triebkräfte des historischen Handelns wurden noch in verschiedenen mystifizierten ideologischen Formen (wie Vernunft, Menschenrechte, Tugend, Brüderlichkeit) aufgefasst und interpretiert.

Die Entstehung des historischen Selbstbewusstseins

So geraten alle Diskussionen über einen alternativen historischen Ausgang der Französischen Revolution sehr schnell ins Fahrwasser spekulativer Hypothesen. Da die führenden Persönlichkeiten die historischen Folgen ihres eigenen Handelns nicht voraussehen konnten, können wir schwerlich mit einer gewissen Sicherheit behaupten, der Sieg der einen Jakobinerfraktion anstelle der anderen hätte den Gang der Geschichte grundlegend geändert, und schon gar nicht, wie genau er das getan hätte.

Mit der Herausbildung des Marxismus wandelte sich die Beziehung des Menschen zu seiner eigenen Geschichte von Grund auf. Der Mensch gewann die Fähigkeit, sein Denken und Handeln bewusst in sozioökonomischen Begriffen zu interpretieren und damit den genauen Stellenwert seines eigenen Handelns in der Kette der historischen Kausalität zu bestimmen.

Deswegen begibt man sich nicht auf den Boden müßiger Spekulation, wenn man Alternativen zum Ausgang des Kampfes innerhalb der russischen Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Internationale in Betracht zieht. Hier handelt es sich nicht, wie 130 Jahre zuvor in Frankreich, um politische Gruppen, die im Dunkeln tappten, getrieben von sozioökonomischen Kräften, derer sie sich nicht bewusst waren, und die ihr Handeln in weitgehend idealistischen Begriffen definierten und begründeten.

Als Leo Trotzki und die Linke Opposition den Kampf aufnahmen, besaßen sie ein außerordentlich weitreichendes Verständnis der historischen Implikationen der Probleme, vor denen die Sowjetunion und die internationale sozialistische Bewegung standen. Sowohl in seiner Analyse der innen- und außenpolitischen Widersprüche der UdSSR als auch bei seinen Warnungen an die Stalinisten ließ Trotzki keinen Zweifel daran, was die Folgen der wachsenden Macht der Bürokratie und der falschen Politik der sowjetischen Führung sein würden.

»Birgt der Bürokratismus die Gefahr einer Entartung in sich oder nicht?«, fragte Trotzki im Dezember 1923. »Nur ein Blinder könnte eine solche Gefahr abstreiten.«[21] Diese Zeilen wurden in der Eröffnungsrunde des Kampfes gegen das aufsteigende stalinistische Regime verfasst. Schon in diesem frühen Stadium hatte Trotzki die »allmähliche Entartung« der Kommunistischen Partei als einen der »politischen Wege« bezeichnet, auf dem es »zum Sieg der Konterrevolution kommen« könnte.[22]

So ernst die Gefahr auch sei, argumentierte Trotzki, politischer Weitblick gestützt auf eine marxistische Analyse gebe der Partei die Möglichkeit, die Krise zu überwinden:

Wir stellen diese Varianten der Entwicklung natürlich nicht deshalb so unverhüllt und krass dar, weil wir sie für historisch wahrscheinlich erachten – im Gegenteil, ihre Wahrscheinlichkeit ist minimal –, sondern deshalb, weil uns nur eine solche Formulierung der Frage die Möglichkeit zu einer richtigeren und umfassenderen historischen Orientierung eröffnet und es uns ermöglicht, alle erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Unser größter Vorteil als Marxisten besteht darin, dass wir neue Tendenzen und neue Gefahren schon im Keim erkennen.[23]

Um die Frage zu beantworten, ob der Sieg der Linken Opposition den Verlauf der sowjetischen und der Weltgeschichte durchgreifend geändert hätte, werden wir uns konkret mit drei Themen befassen, die für das Schicksal der UdSSR von ausschlaggebender Bedeutung waren: 1) der sowjetischen und innerparteilichen Demokratie, 2) der Wirtschaftspolitik und 3) der internationalen Politik.

Keine der politischen und theoretischen Strömungen, die auf die eine oder andere Weise behaupten, die Sowjetunion sei wegen der »verhängnisvollen Fehler« des Marxismus oder der objektiven Bedingungen, die der Bolschewismus vorfand, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, hat jemals versucht, die Politik der Linken Opposition konkret zu analysieren. Das ist bemerkenswert. Trotzki ist bis auf den heutigen Tag »der große Unaussprechliche« der sowjetischen Geschichte. In den seltenen Fällen, in denen er erwähnt wird, geschieht dies gewöhnlich, um seine Arbeit zu verdrehen und zu verfälschen.

Das Schweigen wie die Lügen zollen auf ihre Weise der historischen Bedeutung von Trotzkis Kampf gegen den Stalinismus Tribut. Alle Behauptungen, der Untergang der UdSSR sei unvermeidlich gewesen, die sozialistische Revolution sei ihrem ganzen Wesen nach ein utopisches Unterfangen gewesen und die Oktoberrevolution habe die russische Arbeiterklasse daher in eine Sackgasse geführt, aus der es kein Entrinnen gab, der Marxismus führe unweigerlich zum Totalitarismus usw., werden durch die historische Bilanz der Linken Opposition widerlegt. Die von ihr vertretene Politik verkörperte eindeutig eine tragfähige, theoretisch scharfsinnige und politisch starke Opposition gegen die stalinistische Bürokratie.

Innerparteiliche Demokratie

Kommen wir nun zu den drei genannten Themen, zunächst zur Frage der sowjetischen und der innerparteilichen Demokratie. Es ist eine historische Tatsache, belegt durch das bereits zitierte Dokument von 1923, dass Trotzki in einem sehr frühen Stadium des Kampfes, noch bevor der Begriff Stalinismus politisch gebräuchlich war, erkannte, dass der wachsende Bürokratismus und die Abnahme der innerparteilichen Demokratie eine potenziell tödliche Gefahr für den Bolschewismus und für das Überleben der Sowjetregierung darstellten. In zahllosen Dokumenten betonten Trotzki und die Linke Opposition, dass eine kluge und richtige sowjetische Politik, ganz zu schweigen von der politischen Erziehung eines marxistischen Kaders und breiter Schichten der Arbeiterklasse, ohne demokratische Verhältnisse innerhalb der bolschewistischen Partei undenkbar waren. Trotzki schrieb 1923:

Die öffentliche Meinung der Partei bildet sich unvermeidlich aus Widersprüchen und Meinungsverschiedenheiten. Konzentriert man diesen Prozess ausschließlich auf den Apparat, der dann die fertigen Früchte seiner Arbeit in Form von Losungen, Befehlen u.a. an die Partei weitergibt, so bedeutet das eine intellektuelle und politische Schwächung der Partei … Um das zu verhindern, ist es nötig, dass die leitenden Parteiorgane auf die Stimme der breiten Parteimassen hören, nicht jede Kritik als eine Erscheinungsform der Fraktionsmacherei interpretieren und dadurch gewissenhafte und disziplinierte Parteimitglieder auf den Weg der Abkapselung und der Fraktionstätigkeit stoßen.[24]

Trotzki wies die eigennützige Behauptung des Apparats zurück, jede Opposition gegen Beschlüsse von Führungsgremien der Partei bringe unterschiedslos die Interessen feindlicher Klassenkräfte zum Ausdruck:

Die Partei kann häufig ein und dieselbe Aufgabe auf verschiedenen Wegen lösen. Und die Meinungsverschiedenheiten entstehen darüber, welcher dieser Wege besser, kürzer, ökonomischer ist. Solche unterschiedlichen Einschätzungen können sich, unabhängig vom Charakter der Frage, in großen Teilen der Partei durchsetzen. Das muss aber keineswegs heißen, dass es sich um den Kampf zweier Klassentendenzen handelt. Zweifellos wird uns das in Zukunft nicht nur einmal, sondern Dutzende von Malen passieren, denn der vor uns liegende Weg ist schwierig, und nicht nur die politischen Aufgaben, sondern beispielsweise auch die organisatorisch-wirtschaftlichen Fragen des sozialistischen Aufbaus werden zu Meinungsverschiedenheiten und zu zeitweiligen Gruppierungen um verschiedene Meinungen führen. Eine politische Prüfung aller Schattierungen mit Hilfe der marxistischen Analyse ist für unsere Partei immer eine äußerst notwendige Sicherheitsmaßnahme.[25]

Der Charakter des Parteiregimes wirkte sich direkt auf den sozialistischen Aufbau aus. Die wirtschaftliche Planung, so erläuterte Trotzki bei unzähligen Gelegenheiten, verlange von ihrem ganzen Wesen her nach einer engagierten und demokratischen Beteiligung der Massen an den Entscheidungsprozessen und sei unvereinbar mit bürokratischen Verordnungen. Während Trotzki also die Widersprüche der sowjetischen Wirtschaft weitsichtig einschätzte und konkrete Maßnahmen zu ihrer Linderung vorschlug, betonte er zugleich, dass die Ausarbeitung und Verwirklichung einer richtigen Wirtschaftspolitik demokratische Verhältnisse innerhalb der Partei erfordere.

Die innerparteiliche Demokratie war nicht einfach eine abstrakte Grundsatzfrage, noch beschränkte sich ihre praktische Bedeutung auf die Wirtschaftspolitik. Bei Trotzkis Kampf zur Verteidigung der Sowjetdemokratie ging es um das gesamte Erbe der sozialistischen Kultur und des revolutionären Denkens, wie sie sich im Verlauf des vorangegangenen Jahrhunderts in der internationalen Arbeiterbewegung entfaltet hatten. Die Bürokratie behandelte den Marxismus wie Lenins Leichnam: Sie mumifizierte ihn und zelebrierte an ihm allerhand mystische Beschwörungs­riten. Von 1927 an spielte der Marxismus bei der Ausarbeitung der Sowjetpolitik im Grunde keinerlei Rolle mehr. Die Niederlage der Opposition und die Unterdrückung des revolutionären Marxismus versetzten auf praktisch jedem Gebiet des geistigen und kulturellen Lebens dem kritischen Denken den Todesstoß.

Wirtschaftspolitik

Kommen wir zum zweiten Thema, der Wirtschaftspolitik der Linken Opposition. Es ist ein umfangreiches Gebiet, das sich nicht in wenige Zitate zwängen lässt. Dennoch möchte ich einige anführen, um zumindest anzudeuten, wie grundlegend sich die Opposition im Umgang mit Problemen der sowjetischen Wirtschaftsentwicklung von der stalinistischen Bürokratie unterschied.

Im Mittelpunkt des Konflikts zwischen der Opposition und den Stalinisten über die Wirtschaftspolitik stand die grundlegendste Frage der historischen Perspektive: Konnte die Sowjetunion den Sozialismus mittels ihrer eigenen nationalen Ressourcen aufbauen oder hing die sozialistische Entwicklung der UdSSR letztendlich vom Sieg der proletarischen Revolution in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern Westeuropas und Nordamerikas ab? Bis 1924 lautete die unbestrittene Prämisse der Sowjetpolitik, die Machteroberung in Russland sei nur der erste Schritt zur sozialistischen Weltrevolution. Darauf hatte das gesamte revolutionäre Vorhaben beruht, das die Bolschewiki im Oktober 1917 begonnen hatten. Ein national auf sich gestellter sozialistischer Staat konnte, besonders in einem wirtschaftlich und kulturell so rückständigen Land wie Russland, nicht lebensfähig sein. Als Stalin im Herbst 1924 die »Theorie« vom »Sozialismus in einem Land« einführte, setzte er sich in Widerspruch zur internationalistischen Orientierung, die die Bolschewiki unter der Führung Lenins und Trotzkis vertreten hatten. Eigentlich handelte es sich dabei nicht um eine »Theorie«, sondern um eine plumpe, pragmatische Reaktion auf die Niederlage der deutschen Revolution im Vorjahr und auf den zeitweiligen Rückgang der revolutionären Bewegung in Westeuropa.

Professor Hobsbawm würde nicht bestreiten, dass die Politik des »Sozialismus in einem Land« stark von der ursprünglichen Vision der Oktoberrevolution abwich. Doch er legt nahe, dass diese Vision nicht allzu realistisch war, da es der Russischen Revolution unvermeidlich »beschieden« war, den Sozialismus in einem Land aufzubauen oder dies zumindest zu versuchen. Würde man Hobsbawm auffordern, diesen Standpunkt zu verteidigen, so müsste er am Ende wohl argumentieren, dass die theoretische Lehre im allgemeinen abstrakten Sinne zwar auf Seiten Trotzkis, die praktische Realität aber eindeutig auf Seiten Stalins gestanden habe und dass Trotzkis Auffassung der Weltrevolution zwar eine faszinierende Lektüre sei, in der konkreten politischen und wirtschaftlichen Lage der UdSSR Mitte der 1920er Jahre aber wenig zu bieten gehabt habe. Wer also behaupte, Trotzkis Politik sei eine wirkliche Alternative zu jener Stalins gewesen, gebe sich revolutionären Schwärmereien hin.

Natürlich kann ich nicht sicher sein, ob Hobsbawm genau so argumentieren würde. Ich betreibe hier ein bisschen »Spekulation«. Aber selbst wenn Hobsbawm nicht exakt diese Ansichten vertreten sollte, habe ich sie doch oft von bürgerlichen Historikern gehört, von offenen Apologeten des Stalinismus ganz zu schweigen.

Das grundlegende Problem mit diesem Einwand ist, dass er Trotzkis Ansichten und seine Differenzen mit Stalin in verzerrter und stereotyper Weise auffasst. Man kann Trotzkis Perspektive viel leichter abtun, wenn man sie auf ein ungeduldiges und romantisches Drängen zum Sturm auf die Barrikaden des Weltkapitalismus herabmindert und ihr Stalins nüchterne Sorge um die Entwicklung der Sowjetunion auf der Grundlage einer realistischen Bewertung ihrer nationalen Ressourcen entgegenstellt.

Wir können natürlich die Verfasser von Schriften über die sowjetische Geschichte nicht zwingen, Trotzkis Schriften zu lesen. Wer seine Artikel und Bücher mit der gebührenden Sorgfalt studiert – und Trotzki zählte meiner Meinung nach zu den größten politischen Denkern und Schriftstellern des 20. Jahrhunderts –, wird allerdings feststellen, dass Trotzkis revolutionärer Internationalismus gerade in den Analysen der Widersprüche und Probleme der sowjetischen Wirtschaftsentwicklung seinen brillantesten und differenziertesten Ausdruck fand.

Nichts in Trotzkis Schriften deutet darauf hin, dass er der Ansicht war, die sowjetische Wirtschaftspolitik solle einfach abwarten, bis die Arbeiterklasse in Westeuropa oder den Vereinigten Staaten von Amerika die Macht erobere. Der zentrale Ausgangspunkt seines Umgangs mit den wirtschaftlichen Problemen der Sowjetunion bestand gerade darin, dass die UdSSR eine Politik benötige, die sie befähige, während einer mehr oder weniger langen Übergangsperiode, deren Dauer man nicht voraussagen könne, in einem vom Kapitalismus dominierten internationalen Umfeld zu bestehen.

Ungeachtet ihres Programms des »Sozialismus in einem Land« hielt die stalinistische Bürokratie während der 1920er Jahre, wenn auch inkonsequent, am Eintreten der Sowjetunion für die internationale Revolution fest. Die Hauptkritik, die Trotzki aus wirtschaftlicher Sicht an diesem Programm übte, lautete denn auch nicht, es bestreite kategorisch die langfristige Bedeutung der Weltrevolution für das Schicksal der Sowjetunion. Sondern er betonte, dass die nationalistische Orientierung, die dem »Sozialismus in einem Land« zugrunde lag, zu einer Politik der Autarkie führe, die die direkten und indirekten Auswirkungen der Weltwirtschaft auf die Sowjetunion in gefährlicher Weise unterschätze.

Es mag paradox erscheinen, dass Trotzki, der große Verfechter der Weltrevolution, mehr als jeder andere sowjetische Führer seiner Zeit die überragende Bedeutung enger wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der UdSSR und dem kapitalistischen Weltmarkt hervorhob. Die wirtschaftliche Entwicklung der Sowjetunion, betonte Trotzki, erfordere sowohl Zugang zu den Ressourcen des Weltmarktes als auch eine durchdachte Nutzung der internationalen Arbeitsteilung. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Planung setze zumindest eine Kenntnis von Wettbewerbsvorteilen und Leistungsfähigkeit auf internationaler Ebene voraus. Es ergebe wirtschaftlich keinen Sinn, die Vergeudung der beschränkten eigenen Ressourcen zur Tugend zu erheben, indem man vergeblich versuche, auf sowjetischem Boden zu duplizieren, was man auf dem kapitalistischen Weltmarkt viel günstiger haben könne. 1927 schrieb Trotzki:

Die Orientierung auf eine isolierte sozialistische Entwicklung und auf ein von der Weltwirtschaft unabhängiges Entwicklungstempo verzerrt die ganze Perspektive, bringt die planmäßige Leitung vom Kurs ab und führt zum Verlust der Fähigkeit, unsere Beziehungen zur Weltwirtschaft richtig zu regulieren. Das führt dazu, dass wir weder richtig entscheiden können, was wir selbst herstellen, noch was wir aus dem Ausland einführen. Eine entschlossene Abkehr von der Theorie einer isolierten sozialistischen Wirtschaft wird schon in den nächsten Jahren zu einer ungleich zweckmäßigeren Ausnutzung unserer Ressourcen führen, zu einer rascheren Industrialisierung, zu einem planmäßigeren und dynamischeren Wachstum unseres Maschinenbaus, zu einem rascheren Anwachsen der Zahl der beschäftigten Arbeiter, zu einer realen Senkung der Preise, zu einer tatsächlichen Stärkung der UdSSR inmitten der kapitalistischen Einkreisung.[26]

Trotzki zählte zur Generation russischer Marxisten, die ihr revolutionäres Exil genutzt hatten, um die Wirkungsweise des kapitalistischen Systems in den fortgeschrittenen Ländern genau zu beobachten und zu studieren. Sie kannten nicht nur die oft geschilderten »Schrecken« des Kapitalismus, sondern auch seine positiven Errungenschaften. Die zahllosen Stunden, die sie mit dem Studium des »Kapitals« verbracht hatten, waren durch viele Jahre Anschauungsunterricht ergänzt worden. Sie brachten ein präzises Verständnis der Komplexität der modernen Wirtschaftsorganisation mit nach Russland zurück. Das gilt insbesondere für Trotzkis engste Verbündete während der Zeit des Exils. Hätte der politische Kampf die Frage nicht derart tragisch belastet, hätten sie über den Gedanken, Russland könne allein durch die Verstaatlichung seiner kümmerlichen Produktionsmittel den Sprung in den Sozialismus machen, wohl einfach nur gelacht. Nach Trotzkis Auffassung war die Aneignung der Techniken von kapitalistischem Management, Organisation, Buchführung und Produktion eine Voraussetzung für die sozialistische Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft.

Ein kurzer Überblick über den Gegensatz zwischen der Wirtschaftspolitik Trotzkis und Stalins muss auch die Frage der Kollektivierung ansprechen. Es ist bekannt, dass sich die sowjetische Landwirtschaft nie vollständig von den traumatischen Folgen der ebenso gedankenlosen wie brutalen Kollektivierung unter Stalin von 1929 bis 1932 erholt hat. Ein vernünftigerer Umgang mit den Problemen der sowjetischen Landwirtschaft hätte der UdSSR unermessliche Verluste und eine endlose Agonie erspart. Gerade auf diesem Gebiet nimmt die Frage einer alternativen Politik historische Bedeutung an, und deshalb tun rechts stehende Historiker in der Regel so, als habe es keine gegeben. Es wird sogar oft behauptet, die Kollektivierung sei eine Folge davon, dass Stalin in den späten 1920er Jahren das Programm der Linken Opposition zur schnellen Industrialisierung übernommen habe. In Wirklichkeit widersetzte sich Trotzki der blindwütigen Kollektivierungskampagne der Stalinisten und verurteilte sie. Trotz der pseudosozialistischen Demagogie, die mit der Kollektivierung einherging, warnte Trotzki, dass sie die tatsächliche Produktionsfähigkeit von Industrie und Landwirtschaft grob missachte und von derselben nationalistischen und antimarxistischen Konzeption des »Sozialismus in einem Land« ausgehe wie die vorangegangenen gescheiterten Wirtschaftsprogramme der stalinistischen Bürokratie.

In einer Kritik der stalinistischen Kollektivierung aus dem Jahr 1930 gab Trotzki zu, dass er früher für eine raschere Industrialisierung eingetreten sei und eine stärkere Besteuerung der wohlhabenderen Bauernschichten (der Kulaken) vorgeschlagen habe, um Mittel für die Entwicklung der Industrie freizumachen:

Aber wir haben die Ressourcen der Industrialisierung nie für unbegrenzt gehalten. Wir dachten nie, ihr Tempo könne nur mit der Peitsche der Bürokratie reguliert werden. Immer wieder haben wir auf die Notwendigkeit einer systematischen Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse als auf eine Grundbedingung der Industrialisierung hingewiesen. Die Kollektivierung sahen wir stets in Abhängigkeit von der Industrialisierung. Die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft stellten wir uns als eine Aufgabe vieler Jahre vor. Nie haben wir verkannt, dass innere Widersprüche beim sozialistischen Aufbau eines einzelnen Landes unvermeidbar sind. Die Widersprüche auf dem Lande können nur beseitigt werden, wenn die Widersprüche zwischen Stadt und Land beseitigt werden, und das ist nur durch die Weltrevolution möglich. Wir haben daher niemals von Stalin und Krschischanowski die Liquidierung von Klassen im Rahmen des Fünfjahresplanes gefordert …

Das Tempo der Industrialisierung ist keine Angelegenheit bürokratischer Phantasien, sondern eine Frage des Lebens und der Kultur der Massen.

Die Planung des sozialistischen Aufbaus kann sich daher nicht an bürokratischen Direktiven orientieren, die von Erfahrung abgekoppelt sind. Sie muss wie der sozialistische Aufbau selbst im Rahmen einer umfassenden Sowjetdemokratie ausgearbeitet und verbessert werden.[27]

Trotzki wies dann noch einmal auf die Grundlage seiner Kritik an der stalinistischen Kollektivierung hin:

Immer haben wir uns nachdrücklich gegen das Projekt ausgesprochen, »in kürzester Zeit« eine nationale, sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Kollektivierung und Industrialisierung sind für uns untrennbar mit der Weltrevolution verbunden. Die Probleme unserer Wirtschaft werden letzten Endes auf internationaler Ebene entschieden.[28]

Wenn wir uns bemühen, die Auswirkungen eines Siegs der Linken Opposition auf die Geschichte der Sowjetunion zu erfassen, behaupten wir nicht, man könne ein genaues Bild ihrer möglichen Entwicklung zeichnen. Eine detaillierte hypothetische Rekonstruktion der Vergangenheit ist ebenso unmöglich wie die Vorhersage der Zukunft. Eine andere Politik hätte nach 1924 eine große Menge neue politische, gesellschaftliche und ökonomische Variablen in die historische Gleichung eingebracht, die in ihrem Zusammenwirken den Verlauf der Ereignisse vielleicht ganz anders verändert hätten, als man sich das vorstellen kann, wenn man rückblickend die Alternativen bewertet. Doch die Berücksichtigung dieser historischen »Unschärferelation« bedeutet nicht, dass man überhaupt nichts Überzeugendes oder Kluges über historische Alternativen sagen kann. Es gibt sehr solide faktische und theoretische Gründe für die Annahme, dass ein Sieg der Linken Opposition höchst wahrscheinlich zu einer rationaleren, produktiveren und menschlicheren Entwicklung der sowjetischen Wirtschaft geführt hätte. Hobsbawm versucht diese Möglichkeit zu entkräften, indem er schreibt, dass die Industrialisierung in jedem Falle »ohne gewisse Zwangsmaßnahmen« nicht durchführbar gewesen wäre. Die Frage sei nur deren Ausmaß. Aber das ist, wie die Geschichte der UdSSR zur Genüge zeigt, keine kleine Frage. Man sollte die dialektische Beziehung zwischen Quantität und Qualität nicht vergessen. Es besteht ein großer Unterschied zwischen einer hohen Besteuerung der reichsten Bauernschichten und der physischen »Liquidierung der Kulaken als Klasse«. Hätte die Wirtschaftspolitik der Opposition nichts weiter erreicht, als die Schrecken der stalinistischen Kollektivierung zu verhindern – und es ist praktisch unvorstellbar, dass sie bei einem Sieg der Linken Opposition stattgefunden hätte –, dann wäre der UdSSR diese Katastrophe mit allen ihren Folgen erspart geblieben.

Internationale Strategie

Wenden wir uns nun den Folgen der Niederlage Leo Trotzkis und der Linken Opposition für die internationale Arbeiterklasse und die sozialistische Weltbewegung zu. Diese internationale Dimension berücksichtigt Hobsbawm bei seiner Erwägung kontrafaktischer Alternativen nicht. Er vertritt den Standpunkt, dass der endgültige Zusammenbruch der UdSSR unausweichlich aus den objektiven Bedingungen hervorging, mit denen sie 1921 konfrontiert war, und bemüht sich nicht zu untersuchen, wie die internationale Politik des stalinistischen Regimes auf die Entwicklung der Sowjet­union zurückwirkte. Er behauptet sogar, dass zwischen der Innen- und Außenpolitik kaum ein Zusammenhang bestanden habe: »Die Russische Revolution hat tatsächlich zwei ineinander verwobene Geschichten: ihren Einfluss auf Russland und ihren Einfluss auf die übrige Welt. Wir dürfen die beiden nicht miteinander verwechseln.«[29]

Eine solche Trennung würde das Phänomen des Stalinismus unverständlich machen. Das stalinistische Regime entstand auf der Grundlage einer russischen nationalistischen Reaktion gegen den proletarischen sozialistischen Internationalismus, den die bolschewistische Regierung unter der Führung von Lenin und Trotzki verkörperte. Das Programm des Sozialismus in einem Land diente all jenen Elementen innerhalb der Bürokratie als Banner, die ihre eigenen materiellen Interessen mit der Entwicklung der UdSSR als machtvollem Nationalstaat identifizierten. Die Privilegien der Bürokratie beruhten auf dem Staatseigentum an den Produktionsmitteln. Je bewusster sie sich über die nationalstaatliche Grundlage ihrer Privilegien wurde, desto weniger war die Bürokratie bereit, diese im Interesse der Weltrevolution aufs Spiel zu setzen. Das Programm des Sozialismus in einem Land legitimierte die Unterordnung der Interessen der internationalen sozialistischen Bewegung unter die nationalen Interessen des Sowjetstaates, so wie die Bürokratie sie auffasste.

Gerade auf der Ebene des internationalen Klassenkampfes führte die Niederlage der Linken Opposition zu den tragischsten und langfristigsten Folgen, und daher stellt sich gerade hier die Frage, ob sich die UdSSR anders hätte entwickeln können, besonders ernsthaft und tiefgehend. In seiner Analyse des Wachstums des stalinistischen Regimes betonte Trotzki stets, dass die politische Reaktion gegen das Programm und die Traditionen des Oktober innerhalb der UdSSR durch die Niederlagen der internationalen Arbeiterklasse enorm gestärkt wurde. Der anfängliche Rückschlag der Linken Opposition im Spätherbst 1923 war eindeutig mit der Niederlage der deutschen Revolution verbunden, die die Hoffnung auf eine baldige Unterstützung der europäischen Arbeiter für die Sowjetunion dämpfte. In diesem Klima wuchs die Empfänglichkeit für die nationalistische Perspektive des Sozialismus in einem Land. Die politische Fehlorientierung, zu der die nationalistische Linie der sowjetischen Führer innerhalb der Kommunistischen Internationale führte, hatte ihrerseits weitere Niederlagen der Arbeiterklasse außerhalb der UdSSR zur Folge. Jede dieser Niederlagen verstärkte die Isolation Sowjetrusslands, schwächte das Vertrauen der sowjetischen Arbeiter in die Perspektive der Weltrevolution und untergrub die politische Stellung der marxistischen und internationalistischen Opposition gegen das stalinistische Regime.

Da sie naturgemäß die Möglichkeit einer Revolution äußerst skeptisch sehen und als Verstoß gegen den normalen Gang der Geschichte betrachten, fällt es Berufshistorikern leicht, die internationale Perspektive, die die Oktoberrevolution beseelte, als unrealistisch und utopisch abzutun. Wir haben bereits gesehen, wie Hobsbawm Lenins Vertrauen auf eine deutsche Revolution für einen fatalen politischen Fehlschluss hält. Hobsbawm äußert sich zwar nicht über Trotzkis Kampf gegen die Politik des Sozialismus in einem Land, aber ich bin mir sicher, dass er auf die Bitte nach einer Stellungnahme geantwortet hätte, Trotzkis internationale Perspektive in den 1920er und 1930er Jahren sei genauso unrealistisch gewesen wie jene Lenins im Jahr 1918. Hobsbawm würde sagen, es sei lediglich eine weitere fruchtlose kontrafaktische Spekulation, wenn man Trotzkis internationales Programm als tragfähige Alternative betrachte, deren Verwirklichung möglicherweise den Gang der sowjetischen Geschichte geändert hätte.

Wie also können wir nachweisen, dass die internationale Politik der Linken Opposition, die sich auf die Theorie der permanenten Revolution stützte, die Kommunistische Internationale deutlich gestärkt und die internationale Stellung der Sowjetunion verbessert hätte? Natürlich können wir nicht mit politischer und moralischer Sicherheit beweisen, dass der Sieg der Linken Opposition den Erfolg der revolutionären Kämpfe außerhalb der Sowjetunion garantiert hätte. Wir geben gern zu, dass auf dem Gebiet der Revolution nicht die logische Beweisführung, sondern der tatsächliche Kampf den Ausschlag gibt. Das heißt jedoch nicht, dass wir gestützt auf historische Belege keine plausiblen Schlussfolgerungen über die wahrscheinlichen Folgen eines Sieges der Opposition für die revolutionäre Weltbewegung ziehen könnten.

Wir wollen, wenn auch nur kurz, auf zwei entscheidende Ereignisse in der Geschichte der internationalen Arbeiterklasse eingehen.

Die chinesische Revolution

Betrachten wir als Erstes die katastrophale Niederlage der chinesischen Revolution von 1927. Die Ursache dieser Niederlage war die Unterordnung der Kommunistischen Partei Chinas unter die von Tschiang Kai-Schek geführte bürgerliche Kuomintang. Die chinesische KP wurde von Stalin angewiesen, Tschiang und die Kuomintang als maßgebliche Führung der demokratischen Revolution anzuerkennen. Der politische Hintergrund dieser Anweisung waren Stalins Bemühungen um engere Beziehungen zwischen der Sowjetunion und China vermittels eines politischen Bündnisses mit Tschiang. Trotzki warnte beharrlich, dass die Unterordnung der KP unter die bürgerliche Kuomintang, ein Verstoß gegen die grundlegendsten Lehren aus der bolschewistischen Strategie von 1917, katastrophale Folgen für die Arbeiterklasse haben werde. Tschiang sei kein Bundesgenosse, in den die Kommunistische Partei und die Arbeiter das geringste Vertrauen setzen könnten. Sobald sich eine Gelegenheit biete, werde Tschiang auf Druck seiner imperialistischen und bürgerlichen Schutzpatrone erbarmungslos gegen die KP und die revolutionären Arbeiter von Schanghai vorgehen. Diese Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Selbst als Tschiang immer bedrohlicher vorging, drängte Stalin die KP Chinas, ihre Loyalität gegenüber der Kuomintang noch offener zur Schau zu stellen. Am Ende wies die KP Chinas die revolutionären Arbeiter in Schanghai an, vor dem Einzug von Tschiangs Truppen ihre Waffen abzugeben. Während Trotzkis vernichtendes Urteil über Stalins Politik in der ganzen Kommunistischen Internationale widerhallte, trieben die Ereignisse in China auf ihren katastrophalen Höhepunkt zu. Tschiangs Truppen marschierten in Schanghai ein, wo sie, genau wie Trotzki und die Linke Opposition gewarnt hatten, Zehntausende kommunistische Arbeiter niedermetzelten. Die KP Chinas erlitt einen Schlag, von dem sie sich nie wieder erholte.

Es ist nicht erforderlich, etwas zu behaupten, was sich der Sache nach nicht beweisen lässt: dass nämlich die Politik der Linken Opposition den Sieg der chinesischen Revolution in den 1920er Jahren sichergestellt hätte – obwohl ein solcher Sieg meines Erachtens möglich gewesen wäre. Man kann aber mit großer Gewissheit festhalten, dass die chinesische Kommunistische Partei Tschiangs Staatsstreich im April 1927 nicht zum Opfer gefallen und die Stellung der Arbeiterklasse nicht so fatal geschwächt worden wäre. Unter der Führung Stalins entwickelten sich die Ereignisse in einer Weise, die den historischen Folgen der chinesischen Niederlage ein unermessliches Ausmaß verlieh. Sie hatte unmittelbare Auswirkungen auf die UdSSR, deren politische Isolation sie steigerte, was wiederum das bürokratische Regime stärkte. Vor allem aber veränderte sie auf tragische Weise den Charakter der revolutionären Bewegung in China selbst. Nachdem Tschiangs konterrevolutionärer Schlag die KP in den Städten zerschlagen hatte, zogen sich ihre verwirrten Überreste auf das Land zurück und gaben ihre historische Orientierung auf die Arbeiterklasse auf. Von nun an stützte sich die Arbeit der KP Chinas unter der Führung Maos – der übrigens auf dem rechten Flügel der zerschlagenen Partei gestanden hatte – auf die Bauernschaft. So kam es, dass die Partei, die 1949 an die Macht gelangte, über wenig echte Verbindungen zur Arbeiterklasse verfügte und kaum noch der Bewegung aus der Zeit vor der Katastrophe von 1927 ähnelte. Wir erleben die direkten Folgen der katastrophalen Politik Stalins bis heute, da Maos Erben die Ausbeutung der chinesischen Massen durch transnationale Konzerne unterstützen und überwachen.

Hätte ein Sieg der Linken Opposition nichts weiter erreicht, als die von Stalins Politik herbeigeführte Katastrophe in China zu verhindern, hätte dies allein den Verlauf der Weltgeschichte grundlegend zugunsten der Sowjetunion und der internationalen revolutionären Bewegung geändert.

Hitlers Aufstieg zur Macht

Kommen wir nun zum zweiten Ereignis: dem Aufstieg des Faschismus in Deutschland. Vor Hitlers Sieg im Januar 1933 verfügten die beiden Arbeitermassenparteien in Deutschland – die Sozialdemokratische Partei (SPD) und die Kommunistische Partei (KPD) – über eine Anhängerschaft von 13 Millionen Wählern. Bei den letzten Wahlen vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler hatten diese beiden Parteien zusammen mehr Stimmen erhalten als die Nazis. Die Anzahl der Wählerstimmen gab jedoch die tatsächliche Stärke der faschistischen und der sozialistischen Bewegung nur ungenügend wieder. Hitlers Bewegung, die sich auf das ruinierte Kleinbürgertum und auf Lumpenelemente stützte, bestand selbst mit ihren Sturmabteilungen aus einer formlosen und instabilen Masse. Die beiden sozialistischen Parteien hingegen stützten sich auf die Arbeiterklasse, die aufgrund ihrer Stellung zu den wichtigsten Produktivkräften eine mächtige gesellschaftliche und politische Kraft darstellte.

Hitlers großer Vorteil bestand in der politischen Spaltung der Arbeiterbewegung. Sowohl die Führer der SPD wie die der KPD lehnten gemeinsame Aktionen ab, um die Arbeiterklasse gegen die faschistische Gefahr zu verteidigen. Die Haltung der Sozialdemokratie ergab sich aus ihrer feigen Unterordnung unter das faulende bürgerliche Regime der Weimarer Republik und aus ihrer Angst vor den möglichen revolutionären Folgen einer gemeinsamen Offensive sozialdemokratischer und kommunistischer Arbeiter gegen die Faschisten.

Die Kommunistische Partei stand vor der Aufgabe, diese lähmende Spaltung der Arbeiterklasse zu überwinden, indem sie den Sozialdemokraten eine Einheitsfront anbot, um die faschistische Bedrohung zurückzuschlagen. Trotz des politischen Widerstands der SPD-Führer hätten öffentliche, direkte und anhaltende Aufrufe der KPD zu einer Einheitsfront zumindest einen tiefen Eindruck bei den sozialdemokratischen Arbeitern hinterlassen und ihnen vor Augen geführt, dass die Kommunisten nicht für die Spaltung des deutschen Proletariats verantwortlich waren. Selbst wenn ein Meinungsumschwung der sozialdemokratischen Massen nicht ausgereicht hätte, die Ablehnung eines ernsthaften Kampfs gegen Hitler durch die SPD- und Gewerkschaftsführer zu überwinden, hätte eine konsequente Kampagne der Kommunistischen Partei ihr ­Ansehen in den Augen von Millionen sozialdemokratischen Arbeitern gehoben und einen beträchtlichen Teil von ihnen auf ihre Seite gewonnen.

Doch die KPD führte nie eine solche Kampagne. Stattdessen erklärte sie die Sozialdemokratie zu einer Spielart des Faschismus – zu »Sozial­faschisten«, um genau zu sein –, mit der jede Abmachung unzulässig sei. Die KPD hielt sich damit an die ultralinke Linie der »Dritten Periode«, die die Stalinisten auf dem Sechsten Kongress der Kommunistischen Internationale durchgesetzt hatten.

Schon 1930 warnte Trotzki, der sich mittlerweile im Exil auf der türkischen Insel Prinkipo befand, dass der Faschismus eine ungeheure Gefahr für die deutsche und internationale Arbeiterklasse darstelle, und dass die Weigerung der KPD, für eine Einheitsfront zu kämpfen, Hitler den Weg an die Macht ebne. Am 26. September 1930 schrieb Trotzki:

Der Faschismus ist in Deutschland zu einer wirklichen Gefahr geworden; er ist Ausdruck der akuten Ausweglosigkeit des bürgerlichen Regimes, der konservativen Rolle der Sozialdemokratie und der akkumulierten Schwäche der Kommunistischen Partei im Kampf gegen dieses Regime. Wer das leugnet, ist blind oder ein Schwätzer.[30]

Ein erfolgreicher Verteidigungskampf gegen den Faschismus, schrieb er, heiße, »sich der Mehrheit der deutschen Arbeiterklasse zu nähern und mit den sozialdemokratischen und parteilosen Arbeitern eine Einheitsfront gegen die faschistische Gefahr zu bilden«.[31]

Am 26. November 1931 schrieb Trotzki:

Es ist Pflicht der Linken Opposition, Alarm zu schlagen: Die Leitung der Komintern führt das deutsche Proletariat in eine gewaltige Katastrophe, in die panische Kapitulation vor dem Faschismus!

Die Machtergreifung der deutschen »Nationalsozialisten« würde vor allem die Vernichtung der Elite des deutschen Proletariats nach sich ziehen, die Zerstörung seiner Organisationen, den Verlust seines Selbstvertrauens und des Glaubens an seine Zukunft. Entsprechend der weitaus größeren Reife und Schärfe der sozialen Gegensätze in Deutschland würde sich die Höllenarbeit des italienischen Faschismus wahrscheinlich als eine unbedeutende, beinahe humane Erfahrung ausnehmen im Vergleich zur Arbeit des deutschen Nationalsozialismus.[32]

Am 27. Januar 1932 antwortete Trotzki auf die erbärmlichen Behauptungen der stalinistischen Führer, dass ein Sieg Hitlers lediglich dem Sieg der Kommunisten den Weg bereiten werde:

Der Faschismus ist nicht einfach ein System von Repressionen, Gewalttaten, Polizeiterror. Der Faschismus ist ein besonderes Staatssystem, begründet auf der Ausrottung aller Elemente proletarischer Demokratie in der bürgerlichen Gesellschaft. Die Aufgabe des Faschismus besteht nicht allein in der Zerschlagung der proletarischen Avantgarde, sondern auch darin, die ganze Klasse im Zustand erzwungener Zersplitterung zu halten. Dazu ist die physische Ausrottung der revolutionärsten Arbeiterschicht ungenügend. Es heißt, alle selbständigen und freiwilligen Organisationen zu zertrümmern, alle Stützpunkte des Proletariats zu zerstören und die Ergebnisse eines dreiviertel Jahrhunderts Arbeit der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften zu vernichten.[33]

Einen letzten Absatz aus Trotzkis Schriften möchte ich anführen. Im April 1932 warnte Trotzki in einer Erklärung, dass ein Sieg Hitlers einen Krieg zwischen Deutschland und Sowjetrussland unvermeidlich machen würde. In sorgfältig gewählten Worten erklärte er, wie er, wäre er an der Macht, auf einen faschistischen Sieg in Deutschland reagieren würde:

An ihrer Stelle würde ich, sobald ich die telegraphische Nachricht von diesem Ereignis erhielte, eine Teilmobilmachung anordnen. Steht man einem Todfeind gegenüber und ergibt sich der Krieg mit Notwendigkeit aus der Logik der realen Situation, so wäre es unverzeihlicher Leichtsinn, diesem Gegner Zeit zu lassen, sich festzusetzen und zu stärken, Bündnisse einzugehen, sich die nötige Hilfe zu verschaffen, einen umfassenden militärischen Angriffsplan – nicht nur für den Westen, sondern auch für den Osten – auszuarbeiten, und so eine ungeheure Gefahr wachsen zu lassen.[34]

Wir wissen, was danach geschah – der Sieg der Nazis, der perfide Nichtangriffspakt Stalins mit Hitler, der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, die feige Schwächung der sowjetischen Verteidigungsbereitschaft durch Stalin, während Hitler die Operation Barbarossa vorbereitete, der Verlust von 27 Millionen sowjetischen Soldaten und Zivilisten im Kampf gegen die deutsche Invasion. Vor diesem Hintergrund kann man Trotzkis Worte nicht ohne Erbitterung über das Ausmaß der Verluste und die Vergeudung lesen. Wie viel Leid und Elend hätte vermieden werden können, wie anders hätte das 20. Jahrhundert verlaufen können, wenn sich die Politik Trotzkis, die Politik des revolutionären Marxismus durchgesetzt hätte.

Unsere kurze Übersicht über die Niederlagen in China und Deutschland kann kaum mehr sein als ein erster Einstieg in das Thema der konterrevolutionären Rolle des Stalinismus in der internationalen Arbeiterbewegung und deren Auswirkungen auf die Entwicklung der UdSSR. Wir stoßen aber bereits an die Grenzen dessen, was man im Rahmen eines einzigen Vortrags ausführen kann. Dennoch muss ich um der historischen Klarheit willen noch eines hinzufügen. Die Niederlage der deutschen Arbeiterklasse kennzeichnete einen entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung des stalinistischen Regimes. Bedroht durch ein starkes faschistisches Regime, für das seine eigene Politik die Hauptverantwortung trug, durchtrennte Stalin die letzten dünnen Fäden, die den sowjetischen Staat noch mit dem Ziel der sozialistischen Weltrevolution verbanden. Fortan sollte sich die Verteidigung der UdSSR auf politische Bündnisse mit imperialistischen Staaten – je nach Umständen mit demokratischen oder faschistischen – stützen, auf Kosten der Interessen der internationalen Arbeiterklasse. Die Sowjetunion spielte nun in der Weltpolitik eine offen konterrevolutionäre Rolle. Diese Verwandlung fand ihren mörderischen Ausdruck im Verrat an der Spanischen Revolution, im Massaker an den alten Bolschewiken, in der Jagd auf revolutionäre Gegner des stalinistischen Regimes außerhalb der UdSSR und schließlich im Stalin-Hitler-Pakt.

Hobsbawm verschließt nicht nur die Augen vor alledem. Seine Aufsätze erwecken auch den Eindruck, er habe die politischen Auffassungen, die ihn Jahrzehnte lang in der britischen Kommunistischen Partei hielten, niemals kritisch überdacht: »Das furchtbare Paradox der Sowjetära ist«, erzählt uns Hobsbawm allen Ernstes, »dass der Stalin, den die Sowjetvölker erlebt haben, und der Stalin, der im Ausland als Befreier gesehen wurde, ein und dieselbe Person waren. Und er war zumindest zum Teil für die einen der Befreier, weil er für die anderen der Tyrann war.«[35]

Aufrichtig wäre gewesen, wenn Hobsbawm geschrieben hätte, »dass der Stalin, den die Sowjetvölker erlebt haben, und der Stalin, den die britische Kommunistische Partei betrügerisch darstellte, nicht ein und dieselbe Person waren«. Stattdessen kompromittiert er sich bedauerlicherweise als Historiker, indem er schäbige Rechtfertigungstheorien für den Stalinismus auftischt und damit das tragische Paradox seines eigenen geistigen Lebens zur Schau stellt.

Wir haben uns bemüht, in einem Überblick über die wichtigsten Differenzen zwischen dem stalinistischen Regime und der Linken Opposition auf drei Gebieten – des Parteiregimes, der Wirtschaftspolitik und der internationalen Strategie – nachzuweisen, dass der Sieg des Trotzkismus, d.h. des wirklichen Marxismus, aller Wahrscheinlichkeit nach den Verlauf der sowjetischen Geschichte und der internationalen sozialistischen Bewegung von Grund auf geändert hätte. Wer die Geschichte der Sowjetunion im Rahmen eines absoluten Determinismus der historischen Niederlage interpretiert, wird diese Behauptung wohl ablehnen. Für solch unverbesserliche Skeptiker und Pessimisten, die die Sache des Sozialismus von vornherein für aussichtslos halten, sind Politik, Programm und alle anderen Formen subjektiven Handelns bedeutungslos.

Man muss die historische Alternative zum Stalinismus studieren

Wie wir bereits erklärt haben, kann man nicht mit Gewissheit behaupten, dass Trotzkis Sieg das Überleben der UdSSR und den Triumph des Sozialismus sichergestellt hätte. Aber eine solche Behauptung ist auch nicht nötig, um unsere Erwägung der historischen Alternativen politisch und theoretisch zu rechtfertigen. Es genügt uns, nachzuweisen, dass es ein wirkliches Potential für einen anderen historischen Entwicklungsweg gab, und dass die Sowjetunion an bestimmten entscheidenden Punkten am Scheideweg stand, an dem eine andere, d.h. marxistische Politik einen weitaus günstigeren Verlauf der Ereignisse ermöglicht hätte.

Hier erwarten wir eine weitere Frage, die ernsthaft und angebracht ist: Selbst wenn man zugibt, dass die Standpunkte Trotzkis und der Linken Opposition theoretisch eine echte marxistische Alternative zu denen des stalinistischen Regimes darstellten, verkörperte diese Opposition jemals eine wirklich bedeutende politische Kraft innerhalb der Sowjetunion? Schließlich sollte sich die Erwägung von Alternativen, wenn sie keine müßige Spekulation sein soll, auf das beschränken, was im Rahmen der objektiven Umstände möglich war.

Um diese wichtige Frage zu beantworten, möchte ich aus dem wertvollen Werk »Die Geburt des Stalinismus« des Historikers Michael Reiman zitieren:

Die Bedeutung der linken Opposition wird in der einschlägigen Literatur nicht selten unterschätzt … Doch halten viele Autoren es für unwahrscheinlich, dass die Opposition irgendeinen nennenswerten Einfluss auf die Masse der Parteimitglieder oder gar auf breitere Bevölkerungskreise ausgeübt habe. Aber für eine solch einschränkende Ansicht lassen sich kaum stichhaltige Argumente anführen. Sie wirkt sogar reichlich paradox angesichts jener Berge von Munition, die von der Führung der KPdSU(B) in diesen Jahren gegen die Opposition verschossen wurden: Hunderte von Erklärungen, Aufsätzen, Büchern, Broschüren – ganz zu schweigen von den politischen Massenkampagnen, die noch in den letzten Winkel der UdSSR vordrangen.

Schon im Frühjahr 1926 hatte die Vereinigte Opposition, gestützt auf die Kader der alten und erfahrenen Parteiführer, nicht unbedeutendes Terrain erobert. Sie behielt einen gewissen Einfluss in Leningrad, in der Ukraine, in Transkaukasien, im Ural und in einer Reihe von Betrieben Moskaus und des Zentralen Industriebezirks, in höheren Lehranstalten und einigen zentralen Institutionen, sowie im Kommandokorps von Armee und Marine, das die harte Zeit des Bürgerkriegs unter Trotzkis Führung durchgemacht hatte. Die Unterdrückungsmaßnahmen der Parteiführung verhinderten ein Wachstum der Opposition, aber ihr Einfluss war weiterhin viel größer, als dies in Abstimmungen der Parteizellen zum Ausdruck kam.[36]

Trotzki und die übrigen wichtigsten Führer der Linken Opposition wurden auf einem Plenum des Zentralkomitees, das im Juli und August 1927 tagte, aus der russischen Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Doch die Opposition ließ sich dadurch nicht zum Schweigen bringen. Reiman schreibt:

Auch nach dem Plenum gingen bei den Parteiorganisationen – besonders in großen städtischen Zentren und in den Hauptstädten – oppositionelle Flugblätter und Literatur in größeren Mengen ein. Starke oppositionelle Aktivität wurde der Reihe nach aus verschiedenen Städten und Gebieten der UdSSR bekannt: aus Leningrad und der Ukraine, aus Transkaukasien, Sibirien, dem Ural und natürlich auch aus Moskau, wo ein großer Teil der oppositionellen Politiker sein Tätigkeitsfeld hatte. Allmählich wuchs die Zahl illegaler und halblegaler Zusammenkünfte, an denen sich in erheblichem Umfang Arbeiter und junge Leute beteiligten. Der Einfluss der Opposition in einigen großen Parteiorganisationen war beträchtlich. Das erschwerte die Arbeit der von Stalin beherrschten Parteiapparate. Auch vor der Armee machte die oppositionelle Tätigkeit nicht halt. Nachrichten vom Anwachsen der Autorität der Opposition kamen aus dem Militärbezirk und der Garnison von Leningrad, aus Kronstadt, aus Verbänden in der Ukraine und in Belorussland.

Das Hauptproblem der Führung lag indessen nicht hier, sondern in den allgemeinen Kräfteverhältnissen innerhalb der Partei. Auf Seiten der Opposition standen viele bekannte Politiker. Die besonders im Falle Stalins und Bucharins geschwächte Autorität der Führung reichte nicht aus, die Misserfolge und das Versagen der Parteipolitik vor den Parteimitgliedern als Errungenschaften hinzustellen.[37]

Wie konnte die Stalinfraktion der Herausforderung durch die Linke Opposition begegnen? Reiman erklärt: »Die Führung hätte nur dann problemlos Herr der Lage werden können, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, die Organe der OGPU in den Kampf einzuschalten.«[38]

Die weitere Geschichte der UdSSR und der internationalen sozialistischen Bewegung zeugt von den blutigen Gewaltmethoden, mit denen die stalinistische Bürokratie ihre Macht und ihre Privilegien festigte. Man kann eine Besprechung der historischen Alternativen unmöglich abschließen, ohne auf die Auswirkungen und Kosten der stalinistischen Unterdrückung einzugehen. Hobsbawm geht, wie wir gesehen haben, leichtfertig über diese Frage hinweg. Bei der Industrialisierung, hatte er uns erklärt, »wäre es ohne gewisse Zwangsmaßnahmen nicht abgegangen, selbst wenn der Mann an der Spitze der Sowjetunion weniger erbarmungslos und grausam als Stalin gewesen wäre«. Hobsbawm ignoriert schlicht die gesellschaftliche Grundlage und den politischen Zweck der Gewalttaten der Bürokratie. Die stalinistische Gewalt war kein revolutionärer Exzess, sondern konterrevolutionärer Terror.

Hobsbawm weicht diesem Problem aus, weil eine ehrliche Behandlung der historischen Bedeutung und der Folgen der Säuberungen für die Sowjetunion und für die internationale sozialistische Bewegung unmöglich mit seiner historischen Apologetik vereinbart werden kann. Es gab eine Alternative zur stalinistischen Variante der sowjetischen Entwicklung, und der stalinistische Terror war das Mittel, mit dem sie vernichtet wurde. In den Kellern der Lubjanka und zahllosen weiteren Hinrichtungskammern in der ganzen Sowjetunion wurden Hunderttausende revolutionäre Sozialisten vernichtet, die zum Sieg der Oktoberrevolution beigetragen hatten. Ihr Einfluss auf die Arbeiterklasse und die sowjetische Gesellschaft hatte sich nicht auf die Verbreitung bestimmter politischer Ideen beschränkt, so wichtig diese waren. Stalins Opfer verkörperten in ihrem kollektiven Handeln jene außerordentliche sozialistische Kultur, die der revolutionären Bewegung der russischen Arbeiterklasse welthistorische Bedeutung verlieh.

In Trotzkis Persönlichkeit fand diese Kultur ihren höchsten Ausdruck. Wie Victor Serge so treffend erklärte:

Damit sich eine Persönlichkeit wie Trotzki herausbilden konnte, mussten Tausende und Abertausende Individuen diesen Typus über eine lange historische Periode hinweg entwickeln. Es handelte sich um ein breites gesellschaftliches Phänomen, nicht um das plötzliche Aufleuchten eines Kometen …

Die Herausbildung dieses außerordentlichen sozialen Charakters – meines Erachtens des höchsten, der für den modernen Menschen möglich ist – hörte nach 1917 auf, und die meisten seiner überlebenden Vertreter wurden 1936–1937 auf Stalins Befehl ermordet. Während ich diese Zeilen schreibe und so viele Namen, so viele Gesichter vor Augen habe, kommt mir der Gedanke, dass dieser Menschentyp, seine gesamte Tradition und Generation, vernichtet werden musste, bevor das Niveau unserer Zeit so weit gesenkt werden konnte. Männer wie Trotzki erinnern allzu störend an die menschlichen Möglichkeiten der Zukunft, als dass sie in Zeiten der Trägheit und Reaktion am Leben bleiben dürfen.[39]

Weshalb haben wir diesen Vortrag der Frage gewidmet, welche Alternativen als Ergebnis der Oktoberrevolution möglich gewesen wären? Man kann die Vergangenheit nicht mehr ändern, und wir müssen mit ihren Folgen leben. Aber unser Verständnis der Vergangenheit und des Prozesses, der zu diesen Folgen geführt hat, bildet die Grundlage für unser Verständnis der gegenwärtigen historischen Lage und des darin enthaltenen Potenzials. Unsere Einschätzung der zukünftigen Möglichkeiten des Sozialismus hängt unauflöslich damit zusammen, wie wir die Ursachen für seine Niederlagen im Verlaufe dieses Jahrhunderts bewerten.

Welche Lehren ziehen wir aus dem 20. Jahrhundert? Wenn alles, was seit Ausbruch des Ersten Weltkriegs passiert ist, lediglich der Ausdruck unkontrollierbarer und unbegreifbarer Kräfte war, dann kann man wenig mehr tun, als – je nach Vorliebe und Verzweiflungsgrad – auf eine bessere Zukunft hoffen oder dafür beten.

Wer die Lehren dieses Jahrhunderts studiert und gezogen hat, sieht die heutige historische Lage und die Aussichten für die Zukunft allerdings in einem ganz anderen Licht. Die Ereignisse des 20. Jahrhunderts fügen sich dann in historische Zusammenhänge ein und gewinnen einen Sinn. Keine andere Periode der Geschichte war so reich an revolutionären und konterrevolutionären Erfahrungen. Widersprechende gesellschaftliche Kräfte stießen mit nie dagewesener Härte aufeinander. Die Arbeiterklasse, die 1917 den ersten großen revolutionären Durchbruch erzielte, war in den Folgejahren der furchtbaren Kraft der Konterrevolution nicht gewachsen. Vermittels der Arbeit Trotzkis, der Linken Opposition und der Vierten Internationale wurden der Charakter der Konterrevolution und die Ursachen für die Niederlagen jedoch analysiert und verstanden. Und gestützt auf diese theoretischen und politischen Grundlagen bereitet sich die Vierte Internationale bewusst und mit ungebrochenem revolutionären Optimismus auf die Zukunft vor.


[1]

Franz Mehring, Gesammelte Schriften, Bd. 14, Berlin 1975, S. 319.

[2]

Stefan Zweig, Die Welt von gestern: Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt/Main 1970, S. 15.

[3]

Eric Hobsbawm, Wieviel Geschichte braucht die Zukunft?, München 2001, S. 305.

[4]

In der deutschen Ausgabe wird der von Hobsbawm verwendete Begriff »counterfactual« durchgängig mit »hypothetisch« statt mit dem eingeführten Begriff »kontrafaktisch« übersetzt.

[5]

Ebd., S. 307.

[6]

Ebd., S. 309.

[7]

Ebd., S. 308.

[8]

Ebd., S. 311.

[9]

Eine detaillierte Darstellung der Ereignisse von 1923 findet sich bei Pierre Broué, The German Revolution 1917–1923, Chicago 2006. Er zitiert Trotzkis Einschätzung der Fehler der KPD auf Seite 822.

[10]

Eric Hobsbawm, Wieviel Geschichte braucht die Zukunft?, München 2001, S. 311 (eigene Hervorhebung).

[11]

Ebd., S. 306.

[12]

Ebd., S. 313.

[13]

Ebd., S. 313.

[14]

Das soll nicht heißen, dass der bewusste Faktor bei Naturereignissen keine Rolle spielt. Das Ausmaß des Schadens, den ein Erdbeben oder eine Überschwemmung hervorrufen, hängt von den bewussten Vorbereitungen ab, die vor der Katastrophe getroffen wurden, und vom Tempo, mit dem danach bewusste Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Hurrikan, der 2005 New Orleans zerstörte, illustriert, welche Rolle der bewusste Faktor – oder dessen Abwesenheit – bei einer Naturkatastrophe spielt.

[16]

Ebd.

[17]

Ebd.

[18]

Ebd.

[19]

Ebd., S. 71.

[20]

Ebd., S. 313.

[21]

Leo Trotzki, »Der neue Kurs«, in: Schriften 3, Linke Opposition und IV. Internationale, Bd. 3.1, Hamburg 1997, S. 221.

[22]

Ebd., S. 241.

[23]

Ebd., S. 242.

[24]

Ebd., S. 228f.

[25]

Ebd., S. 238.

[26]

Leo Trotzki, »Entwurf einer Plattform der Vereinigten Opposition«, in: Schriften 3, Linke Opposition und IV. Internationale, Bd. 3.2, Hamburg 1997, S. 932.

[27]

Leo Trotzki, »Der neue Wirtschaftskurs in der UdSSR«, in: Schriften 1, Sowjetgesellschaft und stalinistische Diktatur, Bd. 1.1, Hamburg 1988, S. 155–157.

[28]

Ebd., S. 158.

[29]

Eric Hobsbawm, Wieviel Geschichte braucht die Zukunft?, München 2001, S. 315.

[30]

Leo Trotzki, »Die Wendung der Komintern und die Lage in Deutschland«, in: Schriften über Deutschland, Bd. 1, Frankfurt/Main 1971, S. 82.

[31]

Ebd., S. 96.

[32]

Leo Trotzki, »Soll der Faschismus wirklich siegen? Deutschland – der Schlüssel zur internationalen Lage«, in: ebd., S. 155–156.

[33]

Leo Trotzki, »Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats«, in: ebd., S. 182.

[34]

Leo Trotzki, »Ein Sieg Hitlers bedeutet: Krieg gegen die UdSSR«, in: ebd., S. 315.

[35]

Eric Hobsbawm, Wieviel Geschichte braucht die Zukunft?, München 2001, S. 316.

[36]

Michael Reiman, Die Geburt des Stalinismus: Die UdSSR am Vorabend der »zweiten Revolution«, Frankfurt/Main 1979, S. 42f.; der letzte Satz ist übersetzt aus Michael Reiman, The Birth of Stalinism: The USSR on the Eve of the »Second Revolution«, Bloomington 1987, S. 20.

[37]

Ebd., S. 56f.

[38]

Ebd., S. 57.

[39]

David Cotterill (Hrsg.), The Serge-Trotsky Papers, London 1994, S. 209 (aus dem Englischen).