David North
Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale

Vorwort des Herausgebers zur deutschen Ausgabe

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit dem Leben und Werk eines Mannes, dessen Name in Deutschland nur einem verhältnismäßig kleinen Kreis bekannt ist. Gerry Healy lebte und wirkte vor allem in Großbritannien. Dennoch ist seine Biographie auch für den deutschen Leser von höchstem Interesse. Sie stellt ein wichtiges Bindeglied in der Kontinuität jener Ideen und Traditionen dar, die in Deutschland sowohl ihre höchste Blüte wie ihren tiefsten Niedergang erfuhren: des Marxismus und des proletarischen Internationalismus.

Es ist in erster Linie auf Healys Initiative zurückzuführen, dass eine Gruppe junger Arbeiter und Studenten in Deutschland für die Vierte Internationale gewonnen wurde und 1971 den Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) gründete, nachdem das jahrzehntelange Wirken des Nationalsozialismus, des Stalinismus und schließlich des pablistischen Revisionismus die in diesem Land einst so tief verwurzelte marxistische Tradition ausgerottet hatte.

Die Arbeiterbewegung hatte in Deutschland im 19.  Jahrhundert unter dem Banner des Marxismus einen beispiellosen Aufschwung erlebt; die Sozialdemokratie verstand es nicht nur, trotz Sozialistengesetz und ständiger Verfolgung Hunderttausende zu organisieren, sie trug auch ein mächtiges Element von Bildung und Kultur in breite Arbeitermassen hinein, welches das sicherste Unterpfand für den zukünftigen Triumph des Sozialismus zu sein schien.

Doch die Führung der SPD zeigte sich ihren historischen Aufgaben nicht gewachsen. 1914 kapitulierte sie vor dem deutschen Imperialismus und unterstützte im Namen der „Vaterlandsverteidigung“ das barbarischste Völkergemetzel, das die Menschheit bisher erlebt hatte. Nur ihre besten Vertreter, allen voran Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, blieben dem Marxismus treu.

Die Masse der Arbeiter, ernüchtert durch die Greuel des Krieges und beflügelt durch den Erfolg der russischen Oktoberrevolution, überwand den Verrat der SPD rasch und strömte erneut dem marxistischen Banner zu, das jetzt vom Spartakus-Bund und ab 1919 von der KPD getragen wurde. Es waren weitere Katastrophen und Niederlagen nötig, um die marxistische Tradition fast vollständig auszulöschen.

Der erste Schlag war der Mord an Liebknecht und Luxemburg am 15. Januar 1919. Er setzte jene tragische Kette von Ereignissen in Gang, die zur Entartung der Kommunistischen Internationale und schließlich zum Debakel von 1933 führte.

Ihrer erfahrensten Führer beraubt, war die KPD nicht in der Lage, die revolutionären Möglichkeiten der Nachkriegsjahre auszunutzen. Das Misslingen des „deutschen Oktober“ von 1923 verstärkte die Isolation der Sowjetunion, die, geplagt vom zaristischen Erbe der wirtschaftlichen Rückständigkeit und ausgeblutet durch einen dreijährigen Bürgerkrieg, dringend auf Hilfe von außen angewiesen war. Not und Mangel bildeten den Nährboden für das Anwachsen einer parasitären Bürokratie, die schließlich Stalin zu ihrem Führer erkor und sich vom Diener zum Herrn über Staat, Partei und Gesellschaft aufschwang.

In Thälmann fand Stalin seinen Statthalter in Deutschland. Ausgestattet mit einer beeindruckenden Vergangenheit als militanter Kämpfer in der Hamburger Arbeiterbewegung, aber versehen mit einem schwachen Charakter und einem noch beschränkteren theoretischen Horizont, bildete er das ideale Medium, um die KPD dem Diktat der Moskauer Bürokratie zu unterwerfen. Thälmann zwang der KPD jene fatale, im Juli 1929 vom Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale beschlossene „Sozialfaschismuspolitik“ auf, die die Arbeiterbewegung spaltete, lähmte und schließlich die Machtübernahme Hitlers ermöglichte. Die Theorie von der „sozialfaschistischen“ SPD leugnete jeden Unterschied zwischen SPD und NSDAP und lehnte eine Einheitsfront der Arbeiterorganisationen gegen den aufsteigenden Faschismus strikt ab. Die Mitglieder der trotzkistischen Linken Opposition, die für eine solche Einheitsfront eintraten, wurden von Thälmanns und Stalins Anhängern verleumdet, verfolgt und unterdrückt.

Die katastrophale deutsche Niederlage und die Weigerung der Kommunistischen Internationale, daraus irgendwelche Lehren zu ziehen, bewogen Trotzki, den bisherigen Kurs zur Reform der Kommunistischen Parteien aufzugeben und zur Verteidigung des marxistischen Erbes den Aufbau einer neuen, der Vierten Internationale in Angriff zu nehmen.

Die Niederlage von 1933 wirkte sehr viel nachhaltiger als der Verrat der SPD von 1914. Der Faschismus leistete gründliche Arbeit und rottete jede Spur von selbständigen proletarischen Organisationen aus. Nicht nur die Führer und Mitglieder der Linken Opposition und der KPD wanderten in die Konzentrationslager, jene der SPD und der reformistischen Gewerkschaften folgten ihnen bald nach.

Die stalinistische Bürokratie vollendete, was den Nazis nicht gelang. Tausende Kommunisten, die sich dem sicheren Tod in Deutschland durch die Flucht in die Sowjetunion zu entziehen versuchten, ließen ihr Leben in den Lagern Stalins; hunderte wurden 1939, nachdem Stalin einen Pakt mit Hitler geschlossen hatte, von der stalinistischen Geheimpolizei GPU an die Gestapo ausgehändigt. Selbst hinter den Linien des spanischen Bürgerkriegs wütete die GPU gegen Kommunisten, die sich freiwillig zum Kampf gegen Franco gemeldet hatten. Dieser Dolchstoß aus den eigenen Reihen trug viel stärker noch als die Niederlage durch den Klassenfeind dazu bei, die Hoffnungen, die einst Millionen in eine sozialistische Zukunft gehegt hatten, zu ersticken.

Die Apparate, die seit Hitlers Niederlage die deutsche Arbeiterbewegung dominieren, sind nur eine verzerrte Karikatur jener mächtigen Organisationen, die einst auf die bedingungslose Opferbereitschaft ungezählter Arbeiter bauen konnten. Gegründet unter der wohlwollenden Schirmherrschaft der alliierten Siegermächte und des bürgerlichen Staats, von dem sie vielfach finanziell abhängig sind, erfüllen SPD und Gewerkschaften die Aufgabe, die Arbeiter mit der bürgerlichen Gesellschaft zu versöhnen, und nicht, ihre unabhängigen Interessen zu vertreten.

Im Osten errichtete die SED eine Diktatur, die nur dem Namen nach sozialistisch war. Angeführt von altgedienten stalinistischen Henkern wie Ulbricht, Mielke und Honecker, bestand ihre Hauptaufgabe darin, jede unabhängige politische Regung der Arbeiterklasse im Keim zu ersticken und – wie 1953 – blutig niederzuschlagen. Der Anfangs noch beträchtliche Einfluss der KPD im Westen wurde durch die Verbrechen der DDR-Bürokratie und ihren eigenen rechten Kurs derart gründlich unterhöhlt, dass die Bourgeoisie es 1956 wagen konnte, sie zu verbieten.

Nur die Kader der Vierten Internationale vertraten noch jene revolutionären, marxistischen Traditionen, die einst zu einem derart gewaltigen Aufschwung der Arbeiterbewegung geführt hatten. Viele deutsche Trotzkisten hatten den Zweiten Weltkrieg trotz der doppelten Verfolgung durch Faschismus und Stalinismus überlebt, wurden 1945 sofort wieder aktiv und gewannen rasch Unterstützung in Betrieben und Gewerkschaften.

Doch bereits 1948 wurde ein maßgeblicher Kopf der deutschen Trotzkisten, Oskar Hippe, in Halle von der stalinistischen Polizei festgenommen und für acht Jahre in Bautzen eingesperrt. Hippe war ein führendes Mitglied der Linken Opposition seit den zwanziger Jahren und hatte während dem Krieg illegal in Deutschland gearbeitet. Seine Verhaftung schuf die Voraussetzungen, unter denen die deutsche Sektion der Vierten Internationale schließlich zerstört werden konnte.

Der entscheidende Schlag erfolgte diesmal nicht durch äußere Gewalt, sondern kam von innen. Zu Beginn der fünfziger Jahre entwickelte sich jene opportunistische Tendenz, die nach dem damaligen Sekretär der Vierten Internationale, Michel Pablo, als Pablismus bezeichnet wird. Pablo wurde in der Führung dieser Tendenz bald von Ernest Mandel abgelöst. In Deutschland fand sie ihren Hauptvertreter in Georg Jungclas, einem Trotzkisten aus Hamburg, der die Nazi-Zeit im dänischen Exil verbracht hatte.

Theoretisch stellte der Pablismus eine Anpassung an die oberflächlichen Erscheinungsformen der Nachkriegszeit dar. Unter dem Eindruck des Kalten Krieges revidierte er Trotzkis Auffassung, dass der Stalinismus durch und durch konterrevolutionär sei. Er wertete die Verstaatlichungen, welche die stalinistische Bürokratie in Osteuropa zu ihrer Selbsterhaltung durchführte, als Beweis dafür, dass diese die Fähigkeit zur „Selbstreform“ besitze und unter dem Druck objektiver Ereignisse eine fortschrittliche Rolle spielen könne. Praktisch gab der Pablismus das Ziel auf, unabhängige Sektionen der Vierten Internationale aufzubauen. Die Aufgabe der Trotzkisten wurde darauf beschränkt, Druck von links auf die bürokratischen Apparate auszuüben. Das führte schließlich zur Liquidation der deutschen und zahlreicher anderer Sektionen der Vierten Internationale.

Im März 1951 setzten Pablo, Mandel und Jungclas die Auflösung der Internationalen Kommunisten Deutschlands, wie die deutsche Sektion der Vierten Internationale damals hieß, in der Unabhängigen Arbeiterpartei (UAP) durch. Diese Partei bestand hauptsächlich aus Anhängern Titos, der sich gerade in einem heftigen Konflikt mit Stalin befand. Tito, dessen Aufstieg an die Spitze der jugoslawischen Kommunisten von Stalin selbst gefördert worden war, hatte allerdings nie mit den stalinistischen Auffassungen gebrochen. Er stritt lediglich für mehr Unabhängigkeit der Belgrader von der Moskauer Bürokratie. Als er schließlich Rückendeckung bei den westlichen, imperialistischen Mächten suchte und diese im Korea-Krieg unterstützte, brach auch die UAP bald wieder auseinander.

Ihre Aufgabe, die IKD zu zerstören, hatte sie freilich erreicht. Die deutschen Trotzkisten traten nun, erneut unter dem Druck von Pablo, Mandel und Jungclas, in die SPD ein, wo sie sich bald verloren. Einige machten Karriere in der SPD- und der Gewerkschaftsbürokratie, wie Jakob Moneta, der Herausgeber der IG-Metall-Mitgliederzeitung wurde, andere zogen sich aus der Politik zurück.

Ende der sechziger Jahre riefen die Pablisten in Deutschland mit der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) zwar wieder eine eigene Organisation ins Leben, aber sie berief sich nur noch dem Namen nach auf die Vierte Internationale. Ihre Mitglieder entstammten dem kleinbürgerlichen Milieu der studentischen Protestbewegung und vertraten dessen Ideologie. Inzwischen hat sich die GIM wieder aufgelöst und mit den Stalinisten der Peking-orientierten KPD (Maoisten) zur Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP) zusammengeschlossen.

Erst mit der Gründung des Bunds Sozialistischer Arbeiter wurde 1971 in Deutschland wieder an die historische Kontinuität der marxistischen Bewegung angeknüpft. Gerry Healy gebührt dafür ein doppeltes Verdienst. Zum einen hat er als Gründungsmitglied und maßgeblicher Führer des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IKVI) seit 1953 die theoretischen und politischen Grundlagen der trotzkistischen Bewegung gegen die Angriffe der Pablisten verteidigt. Das zweite und das dritte Kapitel des vorliegenden Buchs gehen ausführlich auf diese Periode seines Lebens ein. Zum anderen ist es Healys persönlichem Einsatz zu verdanken, dass eine Gruppe in Deutschland für das Internationale Komitee gewonnen wurde.

Im Frühjahr 1970 reisten einige junge Arbeiter und Studenten aus Deutschland auf ein Sommerlager der Socialist Labour League in Großbritannien und lernten Healy kennen. Healy war einer der wenigen aus jener älteren Generation von marxistischen Kämpfern, die die Niederlagen der dreißiger Jahre, den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsperiode miterlebt hatten, ohne ihren revolutionären Überzeugungen untreu zu werden. Und wie kein zweiter vermochte er es, diese Überzeugungen an eine neue Generation von Marxisten weiterzugeben. Nicht nur sein Denken, seine gesamte Persönlichkeit stand im schärfsten Kontrast zu jenen „linken“ Schwätzern, die zu Tausenden die 68er Studentenbewegung bevölkerten, mit pseudomarxistischen Phrasen um sich warfen, aber vor jeder praktischen Schlussfolgerung zurückschreckten und für die Arbeiterklasse nur Verachtung übrig hatten.

Seit diesem Sommerlager in Großbritannien entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen Healy und der Gruppe in Deutschland, die als Fraktion in der Gruppe „Internationale Arbeiterkorrespondenz“ (IAK) arbeitete. Diese Organisation gab seit 1965 in Zusammenarbeit mit der damaligen französischen Sektion des IKVI, der Organisation Communiste Internationaliste, ein hektografiertes Magazin gleichen Namens heraus. Die IAK spaltete sich bald; die Mehrheit ging in die SPD und löste sich dort auf, die marxistische Minderheit gründete den BSA.

Healy beteiligte sich intensiv an dieser Arbeit und sprach am 18. und 19. September 1971 auf der Gründungskonferenz des BSA in Hannover. Er betonte dort die Bedeutung einer marxistischen Partei auf deutschem Boden. Er ging dann auf die Tragweite der kurz zuvor gefällten Entscheidung der amerikanischen Regierung ein, die feste Beziehung zwischen Dollar und Gold zu lösen, die seit dem Kriegsende die Grundlage für stabile internationale Wirtschaftsbeziehungen gebildet hatte.

Die zyklische Krise des Kapitalismus sei nun in eine historische und soziale Krise übergegangen, lautete seine Schlussfolgerung. Ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Krieges sei auch das viel beschworene „deutsche Wirtschaftswunder“ endgültig vorbei. Healy wörtlich: „Die Lebensinteressen beider Klassen müssen jetzt ausgekämpft werden. Es gibt keinen Spielraum mehr für Kompromisse. Streiks und Kurzarbeit in Westdeutschland sind der Auftakt zu großen Klassenkämpfen. Seit der Entscheidung Nixons arbeiten wir mit geliehener Zeit. Aber es gibt dennoch keine Abkürzungen. Es ist notwendig, in der Arbeiterklasse und der Jugend einen marxistischen Kader zu erziehen. Große Klassenkämpfe schaffen Bedingungen, unter denen Arbeiter schnell lernen werden. Vor uns liegt eine großartige Zukunft!“

Diese Worte wurden bald bestätigt. Die Jahre 1972, 1973 und 1974 waren von großen Streikkämpfen beherrscht, und der BSA gewann schnell an Einfluss. Healy besuchte in dieser Zeit wiederholt Deutschland. 1974 und 1975 hielt er auf Sommerlagern des BSA vor bis zu 150 Teilnehmern Vorträge über politische und theoretische Fragen. Doch die kurze Erfahrung dieser Jahre reichte nicht aus, um eine enthusiastische, aber unerfahrene Gruppe, von deren Mitgliedern die meisten unter 25, kaum eines über 30 war, in einen erfahrenen marxistischen Kader zu verwandeln. War der BSA durch Healys Initiative gegründet worden, so reifte er schließlich im Kampf gegen Healy.

Der militante Aufschwung der Arbeiterbewegung, der im Mai/Juni 1968 in Frankreich seinen Ausgangspunkt genommen hatte und wie ein Lauffeuer rund um die Welt ging, kam 1975 zum Stillstand. Durch die vereinten Kräfte der Stalinisten, der Sozialdemokraten und nicht zuletzt ihrer pablistischen Helfer war es den Imperialisten noch einmal gelungen, ihr System vorübergehend zu stabilisieren. In Großbritannien führte die Labour-Party-Regierung, die durch die Anti-Tory-Bewegung an die Macht getragen worden war, heftige Angriffe gegen die Arbeiter durch; in Deutschland tat die Regierung Helmut Schmidts, der Willy Brandt, nach einem Streik im öffentlichen Dienst als sozialdemokratischer Kanzler abgelöst hatte, dasselbe.

Bisher hatte Healys Fähigkeit, die historischen Grundlagen der Bewegung überzeugend zu vertreten und gestützt darauf kraftvolle organisatorische Initiativen zu entwickeln, seine Schwächen überdeckt. Nun, wo es darauf ankam, die Perspektiven zu überprüfen und die Bewegung in einer schwierigen, veränderten Situation neu zu orientieren, traten diese voll in Erscheinung. Wie dieses Buch aufzeigt,[1] hatte Healy schon Ende der sechziger Jahre begonnen, sich von seiner internationalen Verantwortung abzuwenden und in den organisatorischen Erfolgen der britischen Sektion einen Ersatz für den Aufbau einer internationalen Führung zu sehen. Jetzt, wo diese organisatorischen Erfolge selbst auf zunehmende Schwierigkeiten stießen, kapitulierte er völlig vor dem Opportunismus und übernahm in kurzer Zeit dieselben pablistischen Positionen, die er in einer früheren Epoche seines Lebens so entschieden bekämpft hatte.

Für die Entwicklung des BSA schuf dies große Probleme. Healys zunehmend nationalistische Orientierung führte ihn dazu, die Arbeit anderer Sektionen zu sabotieren. Weitaus am schwersten wog dabei die politische Fehlorientierung, die von seiner Degeneration ausging. Wiederholt ermutigte er den BSA zu opportunistischen Praktiken – zur Anpassung an den einen oder anderen Flügel der Gewerkschaftsbürokratie, zur Teilnahme an der pazifistischen, von der stalinistischen DKP dominierten Friedensbewegung, zum Aufbau einer zentristischen Jugendorganisation – und stieß jedes Mal auf taube Ohren.

Die umfassende Kritik an der politischen Linie von Healys Workers Revolutionary Party und ihren theoretischen Grundlagen, die der Autor dieses Buches, David North dem Internationalen Komitee ab 1982 im Namen der Workers League vorlegte[2], schuf schließlich die Voraussetzungen für einen bewussten Bruch mit Healys Opportunismus. Als die WRP im Herbst 1985 auseinanderbrach und diese Kritik offen diskutiert werden konnte, stand der BSA geschlossen auf der Seite des Internationalen Komitees. Die revolutionären Prinzipien, die er einst von Healy gelernt hatte, erwiesen sich als stärker als der opportunistische Druck, den Healy später auf ihn ausgeübt hatte.

Der Kampf gegen die verschiedenen Fraktionen der WRP im Winter 1985/86, an dem sich der BSA intensiv beteiligte, eröffnete eine der fruchtbarsten Perioden in der Geschichte der Vierten Internationale. Das Internationale Komitee hat sich das reiche politische und theoretische Erbe der Vierten Internationale und des Kampfs gegen den Pablismus systematisch neu erarbeitet und zur Grundlage für die Erziehung und Stärkung seines Kaders gemacht.

Als im Winter 1989/90 das stalinistische Regime in der DDR zusammenbrach, wurde die volle Bedeutung dieser Arbeit deutlich. Wäre der BSA Healys politischem Vorbild gefolgt, der in diesem Jahr als Anhänger Michael Gorbatschows starb, er hätte sich wie alle pablistischen und revisionistischen Organisationen im Schlepptau der stalinistischen SED/PDS und der kleinbürgerlich demokratischen Organisationen wiedergefunden, die den kapitalistischen Konzernen und Banken den Weg in die DDR ebneten. Stattdessen hielt der BSA an dem fest, was er vom marxistischen Revolutionär Healy Positives gelernt hatte – Treue zu den Prinzipien des proletarischen Internationalismus, Unerbittlichkeit gegenüber revisionistischen Gegnern und unermüdliche Energie beim Aufbau der Partei. Politisch gefestigt durch den Kampf gegen den Renegaten Healy, kämpfte er für eine politische Linie, die sich sowohl gegen den Stalinismus wie gegen den Kapitalismus richtete und die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse zum Mittelpunkt hatte.

Das vorliegende Buch ist weit mehr als die persönliche Biographie eines Mannes, der länger als die meisten seiner Generation an revolutionären Prinzipien festgehalten und schließlich doch noch vor dem Opportunismus kapituliert hat; es ist ein Lehrbuch des Marxismus, das wichtige Erfahrungen behandelt, um die man nicht herum kommt, will man die Krise der Führung der Arbeiterklasse lösen.

Der Autor, David North, ist der nationale Sekretär der Workers League, der trotzkistischen Partei in den USA, die in politischer Solidarität mit dem Internationalen Komitee der Vierten Internationale arbeitet. Er kennt Gerry Healy aus langen Jahren der persönlichen Zusammenarbeit und hat im Kampf gegen Healys Degeneration die führende Rolle gespielt. Vom selben Autor stammt auch das Buch Das Erbe, das wir verteidigen, ein Abriss der Geschichte der Vierten Internationale.

Peter Schwarz

Essen, den 2. März 1992


[1]

Siehe Kapitel 4 und folgende.

[2]

Siehe Kapitel 8 dieses Buches .