David North
Gerry Healy und sein Platz in der Geschichte der Vierten Internationale

Schlusswort

Der Tod Gerry Healys am 14. Dezember 1989 ging an der bürgerlichen Presse nicht unbemerkt vorbei. Die Redakteure von Independent, Times, Guardian, Telegraph und Observer nutzten die Gelegenheit, um ihre Freunde unter den Revisionisten und Renegaten der Vierten Internationale anzurufen. Diese lieferten ihnen die erwünschte Menge subjektiven Gifts, das dann über Healy ausgegossen wurde. Sogar der ehrwürdige Altmeister des etablierten Journalismus, Sir Bernard Levin schloss sich an. Er überraschte seine Leser mit einer ganzen Zeitungsspalte, die der wütenden Denunziation eines Mannes gewidmet war, von dem die meisten wohl noch nie etwas gehört hatten. Die Haltung der bürgerlichen Presse war nicht ohne politische Bedeutung. Obwohl Healy in der letzten Periode seines Lebens degenerierte und den Marxismus aufgab, waren die britische herrschende Klasse und ihre Agenten unter den diversen kleinbürgerlich-revisionistischen Gruppen wenig geneigt, die vielen Jahre, in denen Healy mit unermüdlicher Energie und Entschlossenheit die revolutionären Perspektiven der Vierten Internationale verteidigt hatte, so schnell zu vergessen.

Und hier liegt die dauerhafte Bedeutung von Healys Beitrag zur Geschichte der marxistischen Bewegung. Das Internationale Komitee hat während seiner letzten Lebensjahre einen erbitterten Kampf gegen Healy geführt und nimmt keinen einzigen Satz, den es gegen ihn geschrieben hat, zurück. Aber selbst während der heftigsten Auseinandersetzung vergaßen wir nie, was Healy in den besten Jahren seines Lebens erreicht hatte. Während praktisch der gesamten Nachkriegsperiode – erst in Jahren extremer Armut und Isolation, und dann durch den langen kapitalistischen Boom hindurch, der zur Stärkung kleinbürgerlich-radikaler und revisionistischer Tendenzen auf der ganzen Welt führte – kämpfte Healy, um die Perspektive der internationalen proletarischen Revolution lebendig zu erhalten. Während die Opportunisten die revolutionären Traditionen der Vierten Internationale als „ultralinkes Sektierertum“ verhöhnten, sich an die großen stalinistischen und sozialdemokratischen Bürokratien anpassten und die kurzfristigen Erfolge kleinbürgerlicher Guerillabewegungen verherrlichten, beharrte Healy auf der historischen Bedeutung der Oktoberrevolution und den revolutionären Fähigkeiten der Arbeiterklasse. Diese Überzeugung war zudem nicht nur intellektueller und abstrakter Art. Sie schlug sich in der unerschöpflichen Energie nieder, mit der sich Healy dem Aufbau einer politischen Partei widmete, welche die Arbeiterklasse in der Eroberung der Macht führen würde. In krassem Gegensatz zu allen Revisionisten, die weder sich selbst noch ihre Organisationen allzu ernst nahmen, ließ sich Healy von der unerschütterlichen Überzeugung leiten, dass die Partei, die er aufbaute, die Arbeiterklasse zum Sturz des kapitalistischen Systems führen werde.

Healy konnte diese Überzeugung in bestechender Weise formulieren und vermitteln, und das machte seine erstaunliche Begabung als Redner aus. Er besaß die seltene Fähigkeit, ein Massenpublikum zu bannen. Wenn er in Form war, konnte er buchstäblich Tausende von den Sitzen reißen. Und das erreichte er, indem er seinem Publikum Vertrauen in die Stärke der historischen Prinzipien der Vierten Internationale und die revolutionäre Kraft der englischen Arbeiterklasse vermittelte.

Ich erinnere mich an einen Vortrag, den er auf einem Sommerlager im späten Juli 1972 hielt. Sein Thema war die Geschichte der britischen Arbeiterklasse. Healys Vortrag umspannte mehrere Jahrhunderte: der Bauernaufstand von 1381, die Revolution unter Cromwell Mitte des 17. Jahrhunderts, die große Chartistenbewegung der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts, die Gründung der Labour Party, der Generalstreik von 1926, die „Hungerjahre“ in den dreißigern, der neue Aufschwung der Arbeiterkämpfe nach dem Krieg bis hin zu den gegenwärtigen Kämpfen gegen die Arbeitsgesetzgebung der Tory-Regierung unter Edward Heath (den Industrial Relations Act). „Und jetzt“, erklärte Healy, während sich seine Stimme zum Schluss der Rede hob, „jetzt bildet sich diese Tory-Regierung ein, sie könne das Rad der Geschichte zurückdrehen und diese Arbeiterklasse zerstören.“ Er hielt inne und blickte auf das Publikum aus Hunderten von jungen Arbeitern, die beinahe zwei Stunden lang atemlos zugehört hatten, während sich die großartige Geschichte des englischen Proletariats vor ihnen entfaltete. Und dann sagte Healy: „Da haben sie sich ganz schön was vorgenommen!“ Die Spannung und Konzentration des Publikums entlud sich in begeistertem Applaus. In diesem Moment erschien Healy, wie er auf dem Podium stand, die Ärmel hochgekrempelt und die Hände an den Hosenträgern, während auf der großen Wölbung seines Kopfes Schweißtropfen glänzten, dem Publikum wie die leibhaftige Verkörperung der unbezwinglichen Entschlossenheit der Arbeiterklasse.

Nur eine Woche später brach ein spontaner landesweiter Streik von Millionen Arbeitern gegen die Inhaftierung von fünf Dockern aus, die gegen den Industrial Relations Act verstoßen hatten. Er schien beinahe eine lebendige Fortsetzung von Healys Vortrag zu sein.

Eine weitere Rede, an die man sich erinnert, ist Healys Ansprache einige Monate vorher, im März 1972, während einer Versammlung der Socialist Labour League zu Ehren der Young-Socialists-Mitglieder, die in einem Protestmarsch gegen Arbeitslosigkeit von Glasgow nach London gezogen waren. Die Bergarbeiter hatten der Heath-Regierung soeben eine gehörige Niederlage beigebracht, und es entwickelte sich eine Massenbewegung der Arbeiterklasse, um endgültig mit den Tories abzurechnen. Obwohl es innerhalb der SLL bereits ernsthafte politische Probleme gab, hatte Healy nichts von seiner Fähigkeit eingebüßt, die politischen Perspektiven und Prinzipien der revolutionären Bewegung einem Massenpublikum aus Arbeitern zugänglich zu machen.

„Diese große Versammlung“, begann er, „ist ein Zeichen an die Tory-Regierung und all die rechten Labour- und Gewerkschaftsverräter, die in der Arbeiterbewegung deren Geschäft betreiben: Die Arbeiterklasse ist entschlossen, dem Kapitalismus so bald sie kann ein Ende zu machen.“

Er gab dann einen Überblick über die politische Lage und warnte vor den Gefahren, die durch den Verrat der reformistischen Führer der Arbeiterbewegung drohten.

Dieses neue Stadium der politischen Massenentwicklung ist vor allem durch eine enorme Polarisierung der Klassenkräfte gekennzeichnet. Die Arbeiterklasse fordert höhere Löhne und einen besseren Lebensstandard. Die Tory-Regierung ist in einer tiefen Krise, während die Labour Party- und Gewerkschaftsführer geheime Koalitionsabsprachen mit der Heath-Regierung schließen.

Eine solche Situation, die für die revolutionären Kräfte sehr vielversprechende Möglichkeiten eröffnet, wird nicht von langer Dauer sein. Die Tory-Regierung spielt auf Zeit, während sie den Gegenangriff vorbereitet. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Die Arbeiterklasse macht einen großen politischen Sprung, und wehe den revolutionären Kräften, wenn sie dahinter zurückbleiben.

Vergeßt nie, dass die Tories sich darüber bewusst sind, dass ihre Klasse wirklich in Gefahr ist. Sie werden sich wehren wie in die Ecke getriebene Ratten.

Diejenigen Labour- und Gewerkschaftsführer, die ihnen helfen, indem sie die Arbeiterklasse entwaffnen, sind nichts weiter als die MacDonalds der siebziger Jahre.

Die stalinistische Führung der Kommunistischen Partei, die solche Verräter mit Angriffen auf die Marschierer unterstützte, stellt wieder einmal unter Beweis, dass der Stalinismus heute, in dieser entscheidenden Zeit, die konterrevolutionärste Kraft in der internationalen Arbeiterbewegung ist.

Und das ist die große Stärke, die in der trotzkistischen Geschichte der Socialist Labour League und der Young Socialists liegt. Wir sind die einzige Bewegung, die ihre Geschichte Zehntausenden, Jungen und Alten, die den Kapitalismus für immer abschaffen wollen, offen vorlegen können. Unsere Geschichte ist fleckenlos. Sie ist der Kampf, die Traditionen des Bolschewismus während der langen Jahrzehnte der Niederlagen seit der siegreichen russischen Revolution von 1917 aufrecht zu erhalten.

Wir sagen heute ganz deutlich, dass die größte Errungenschaft, die die Arbeiterklasse hat, im Kampf für die Prinzipien des Marxismus besteht, wie sie Leo Trotzki und der Aufbau des Internationalen Komitees der Vierten Internationale verkörpern.

Arbeiter, die gegen die Tories kämpfen wollen, brauchen dazu Werkzeuge und Mittel, und diese Mittel sind die Prinzipien des Marxismus. Deswegen weigern wir uns, diese lebensnotwendigen Prinzipien abzustumpfen, indem wir uns an kleinbürgerlichen Protestaktionen und verlogenen ,Einheits‘-Intrigen beteiligen.

Wenn wir das tun würden, während sich der Kampf gegen die Tory-Regierung an einem so entscheidenden Wendepunkt befindet, dann würden auch wir uns des Verrats an der Arbeiterklasse schuldig machen.

Deswegen halten wir uns für berechtigt, dieses großartige Publikum hier aufzurufen, die Tory-Regierung zum Abtreten zu zwingen.

Wir sagen den Gewerkschaftsmitgliedern unter den Zuhörern: der TUC hat Euch an die Tory-Regierung ausverkauft. Genau wie 1926 hat er schon verraten. Ihr müsst sofort handeln. Brecht die Gewerkschaften vom kapitalistischen Staat und der Tory-Regierung, vertreibt die Führer, die verraten haben, demokratisiert die Gewerkschaften von oben bis unten durch die Wahl neuer Führer, die strikt von der Mitgliedschaft kontrolliert werden.

Wir sagen den Mitgliedern der Labour Party: Ihr müsst sofort den Kampf gegen die rechten Führer Eurer Partei aufnehmen. Jede Verspätung wird katastrophale Folgen haben.

Wir sagen den Mitgliedern der Kommunistischen Partei: Euer Kampf geht noch tiefer. Ihr müsst sofort die Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung studieren, und Ihr werdet feststellen, dass der Trotzkismus auf der ganzen Linie gegen den Stalinismus bestätigt worden ist. Wir sind bereit und Willens, Euch dabei zu helfen. Denn der Trotzkismus ist heute die einzige wirkliche Stimme des Bolschewismus und Kommunismus.

Wir sagen den Jugendlichen, auf deren festen politischen Schultern die Hauptarbeit für die Vorbereitung dieser großartigen Versammlung ruhte – und da schließen wir die Studenten und jungen Intellektuellen ein: Die alten Parteien des Labour-Reformismus und des Stalinismus haben verraten. Nur das Programm des Trotzkismus, der Aufbau revolutionärer Parteien, die im Internationalen Komitee der Vierten Internationale organisiert sind, kann Euch und die Menschheit vor der Verelendung und dem Bankrott des Weltkapitalismus und der enormen Gefahr der Vernichtung der Erde in einem thermo-nuklearen Dritten Weltkrieg bewahren.

Ihr müsst Euch uns sofort anschließen und mithelfen, die Socialist Labour League in eine revolutionäre Partei zu verwandeln. Ihr müsst bei den Young Socialists eintreten und mithelfen, sie in eine revolutionäre Massenjugendbewegung zu verwandeln, die für das Recht auf Arbeit eintritt, die mit aller Kraft die Rentner verteidigt, mit einem Wort, ihr müsst sie zur Vorhut der Arbeiterklasse machen und ihren Kampf, die großen Prinzipien des Marxismus anzuwenden und aus ihnen zu lernen, unerbittlich verteidigen und ausdehnen.

Unsere Partei steht allen weit offen, die sich mit uns in Taten zusammenschließen wollen, um für die Prinzipien des Marxismus zu kämpfen.

Die Geschichte der britischen Arbeiterklasse ist eine Geschichte des ständigen Kampfes gegen den kapitalistischen Gegner und gegen die Tories. Es ist auch die Geschichte der erbärmlichsten Verrätereien ihrer Führung.

Die Socialist Labour League ist die einzige authentische Stimme des revolutionären Marxismus im England von heute. Wir werden nicht verraten. Wir werden mit Euch gehen bis zum Sieg. (Workers Press, 13. März 1972)

Heute, da wir diese Rede wieder lesen, wissen wir, dass Healy nicht in der Lage war, das Versprechen einzuhalten, das er auf dieser Versammlung gab. Aber doch hätte niemand, der Healy während dieser Phase seines Lebens kannte, an der tiefen Überzeugung gezweifelt, mit der er diese Worte sprach.

Als wirklicher Arbeiterführer überragte Healy seine Zeitgenossen in der britischen Arbeiterbewegung der Nachkriegszeit um ein vielfaches. Wäre es ihm darum zu tun gewesen, so hätte er sich mit Leichtigkeit eine hohe Position entweder in der Labour Party oder dem TUC sichern können. Aber diese Art von kleinlicher persönlicher Karrieresucht war Healy fremd. Er hatte nichts als Verachtung übrig für jene, die die sozialistischen Überzeugungen ihrer Jugend verraten und Frieden mit der herrschenden Klasse geschlossen hatten. Wer sich von ihnen mit Healy einließ, durfte sicher sein, daß er diese Erfahrung nicht so leicht wieder vergessen würde. Seine Haltung gegenüber Leuten, die er für Verräter an der Arbeiterklasse hielt, hätte mit Sicherheit nicht die Billigung von Amnesty International erhalten.

Healy kannte die Arbeiterbewegung und ihre Führer wie seine Westentasche, und sie kannten ihn. Im Jahr 1971 war er einmal nach Blackpool gekommen, um sich mit einem neuen Reporter für die Workers Press zu treffen, der dort über den Kongress der Labour Party berichten sollte. Er beschloss, in den traditionellen Empfang, der während solcher Kongresse gehalten wurde, einmal hineinzuschauen. Als er unter den „großen Männern“ der britischen Sozialdemokratie herumspazierte, von denen viele den Ausschluss Healys und anderer Trotzkisten aus der Labour Party in den fünfziger Jahren organisiert hatten, lächelten einige nervös, und andere versuchten krampfhaft, so zu tun, als bemerkten sie ihn nicht.

Aber ein besonders mutiger, Lawrence Daly, der Vorsitzende der Bergarbeitergewerkschaft, kam auf ihn zu und begrüßte ihn mit einem geselligen: „Schön, daß Du da bist, Gerry.“ Die beiden kannten sich seit den dreißiger Jahren, als sie beide Mitglieder der Kommunistischen Partei gewesen waren; und Daly gehörte zu denjenigen, mit denen Healy nach Chruschtschows Enthüllungen von 1956 intensive Diskussionen geführt hatte. Eine Weile hatte Daly dann einiges Interesse für den Aufbau einer revolutionären Tendenz innerhalb der Gewerkschaften an den Tag gelegt und sogar auf einer Konferenz des Newsletter gesprochen, die Healy im Jahr 1957 organisiert hatte. Aber kurze Zeit später entschied er sich endgültig für eine bequeme opportunistische Karriere in der NUM-Bürokratie.

Healy tauschte keine Nettigkeiten mit Daly aus. Er stellte dem NUM-Führer den neuen Reporter vor und fragte, ob er ihm ein Interview über die Vorbereitungen auf einen Zechenstreik und auf eine politische Konfrontation mit der Tory-Regierung geben werde.

„Aber natürlich, Gerry“, antwortete Daly. „Ich freue mich immer, wenn ich den Jungs von Workers Press behilflich sein kann.“ Und dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: „Aber in Deine Partei werde ich nicht eintreten.“

„Wir würden auf Dich sch...“, antwortete Healy, entfernte sich und überließ Daly und den Workers-Press-Reporter ihrem Schicksal.

Healy war mit Sicherheit ein „harter Mann“. Sein Charakter war durch die Erfahrungen seiner von Armut gezeichneten Jugend und durch das schwierige Leben eines Revolutionärs während der dreißiger Jahre geformt worden. Wie Cannon, den er bewunderte, war Healy ein Arbeiterkommunist „der alten Schule“. Sein Marxismus wurzelte in einem brennenden Hass auf das kapitalistische System, dessen Brutalität er persönlich kannte. Er wusste, wie es war, mit den Schuhen an den Füßen (damit sie nicht gestohlen wurden) in öffentlichen Armenunterkünften zu übernachten; Tag für Tag und Monat für Monat vor dem Arbeitsamt Schlange zu stehen; es mit den Angriffen berittener Polizei gegen Arbeitslosendemonstrationen aufzunehmen; und tagelang ohne Essen auszukommen. Erst in den sechziger Jahren, als das Wachstum der trotzkistischen Bewegung in Großbritannien zum ersten Mal einige Mittel zur Verfügung stellte, stiegen Healys persönliche Lebensumstände auf eine Stufe, die man als bescheidenen Komfort bezeichnen könnte.

Aber die Erfahrung persönlicher Armut war nicht die einzige und auch nicht die wichtigste Grundlage seiner „Härte“. Healy gehörte zu einer Generation, deren Auffassungen über revolutionären Kampf und Opfer von den welterschütternden Leistungen der Bolschewistischen Partei inspiriert waren. Für Arbeiter wie Healy bewiesen die Ereignisse von 1917, dass die sozialistische Revolution kein Ereignis für die ferne Zukunft war. Für sie war es eine praktische Aufgabe. Bis zu den letzten, tragischen Jahren lebte Healy für die Revolution, und die Revolution lebte in Healy. Diese Leidenschaft hob ihn unmissverständlich von allen anderen in der Arbeiterbewegung ab. Neben ihm erschienen die Führer der opportunistischen Organisationen als kleine Amateure oder Scharlatane.

Healy war nicht der Typ, der seine Gefühle zur Schau stellte oder zu Sentimentalität neigte. Wenn er einen politischen Kampf führte, sei es innerhalb der Partei oder gegen offene Feinde, so prallten emotionale Appelle an ihm ab. Er betrachtete sie nur als eines der vielen raffinierten Mittel, mit denen die britische Mittelklasse den politischen Fragen ausweichen wollte. Aber ich erinnere mich doch an eine Gelegenheit, bei der sich Healys Gefühle durch seine harte äußere Schale Bahn brachen.

Er hielt eine Rede zum vierzigsten Jahrestag der Vierten Internationale. Gegen Ende, nachdem er in bewegten Sätzen die Vernichtung des frühen Kaders der trotzkistischen Bewegung geschildert hatte, schlug Healy die jüngst veröffentlichten Memoiren von Leopold Trepper auf, dem sowjetischen Meisterspion, der die Rote Kapelle geführt hatte. Er las aus einem Kapitel vor, in dem Trepper an die stalinistischen Säuberungen der dreißiger Jahre erinnerte und erklärte, dass all jene, die sich nicht gegen die Mordmaschinerie erhoben, die kollektive Verantwortung dafür trugen. Mit erstickender Stimme las Healy weiter:

Wer hat denn damals protestiert? Wer ist denn aufgestanden und hat seinen Eid hinausgeschrien?

Solche Ehre dürfen nur die Trotzkisten für sich in Anspruch nehmen. Gleich ihrem Führer, der für seine Unbeugsamkeit mit dem Eispickel erschlagen wurde, kämpften sie unerbittlich gegen den Stalinismus – als einzige. Zur Zeit der großen Säuberungen hörten freilich ihren Protest nur noch die eisigen Steppen, in die man sie verschleppt hatte, um sie leichter ausrotten zu können. Selbst in den Lagern war ihr Verhalten würdig und vorbildlich, aber ihre Stimme verhallte in der Tundra.

Mit Recht klagen die Trotzkisten heute jene an, die damals mit den Wölfen heulten und nach dem Henker riefen. Doch sollten sie nicht vergessen, dass sie uns gegenüber den ungeheuren Vorteil hatten, ein geschlossenes System zu vertreten, das geeignet war, den Stalinismus abzulösen, und an dem sie in der tiefen Not der verratenen Revolution Halt fanden: Sie ,gestanden‘ nicht, denn sie wussten, dass ihr Geständnis weder der Partei noch dem Sozialismus nützte. (Leopold Trepper, Die Wahrheit, München 1975, Seite 63)

Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es Healy, bis zum Ende dieses Absatzes weiterzulesen. Dann klappte er das Buch zu, beendete seine Rede mit wenigen Worten und verließ den Saal.

* * *

Eine ausgedehnte und schwierige Periode lang war Gerry Healy ein entscheidendes menschliches Bindeglied in der historischen Kontinuität der Vierten Internationale. Jahrzehntelang kämpfte er gegen den Stalinismus und den Opportunismus. Am Ende zerbrach er unter dem Druck dieses gewaltigen Kampfes. Aber das Beste, das er in seiner langen politischen Laufbahn erreichte, lebt weiter im Internationalen Komitee der Vierten Internationale und die sich wieder erhebende revolutionäre internationale Arbeiterbewegung wird sowohl aus seinen Leistungen als auch seinen Fehlern lernen und nicht versäumen, seinem Angedenken den gebührenden Tribut zu zollen.