David North
Das Erbe, das wir verteidigen

Die SLL verteidigt das Internationale Komitee

Über den politischen Inhalt des Kampfs, den das Internationale Komitee gegen die Wiedervereinigung der Socialist Workers Party mit dem pablistischen Internationalen Sekretariat führte, sagt Banda so gut wie überhaupt nichts. Zu diesem entscheidenden Abschnitt in der Geschichte der Vierten Internationale äußert er sich in nur zwei Absätzen:

Ein weiterer Betrug, der aus der Welt geschafft werden muss, ist die Legende, dass die Diskussion über Kuba das IK als »orthodox« auswies. Wenn das so wäre, dann hätten wir die heutige Krise nicht. Zweifellos gab es in der Auseinandersetzung mit der SWP eine Reihe wichtiger Beiträge zu der Methode des Pragmatismus, zu der Erkenntnistheorie und der Dialektik sowie zur Frage des Verhältnisses zwischen Basis und Überbau usw. Aber dies ändert nichts an dem Rahmen der Diskussion, und der war sehr verdächtig.

Healy lieferte keinerlei Beitrag zu diesem Kampf. Die theoretische Arbeit wurde ausschließlich von den Genossen Slaughter, Banda und Kemp geleistet.

Weil Banda heute ein Feind des Trotzkismus ist, bestreitet er die politische Berechtigung des Kampfs, den die Socialist Labour League in den frühen sechziger Jahren zur Verteidigung des programmatischen Erbes der Vierten Internationale führte. Den »Rahmen« des Kampfs gegen die prinzipienlose Wiedervereinigung 1961–1963 bildeten das Vermächtnis von Cannons »Offenem Brief« aus dem Jahr 1953 und die Gründung des Internationalen Komitees gegen den pablistischen Revisionismus. Die Verteidigung der Prinzipien, die Cannon bei der Gründung des Internationalen Komitees niedergeschrieben hatte, fiel der britischen Sektion in dem Moment zu, als die SWP, durch ihre politischen Schwächen nach 1953 an einer Weiterentwicklung des Kampfs gegen den Opportunismus gehindert, zu der liquidatorischen Perspektive der Pablisten überwechselte.

Unabhängig von Healys persönlichem Beitrag zu dem Kampf 1961–1963 – der kaum so gering war, wie Banda jetzt 20 Jahre danach behauptet – waren die Dokumente der britischen Trotzkisten ein bedeutender Beitrag zur theoretischen Entwicklung der Vierten Internationale. Die heutigen Verrätereien von Healy, Banda und Slaughter löschen ihre vergangenen Leistungen nicht aus. In Wirklichkeit hat Banda absolut nicht recht: Die WRP wurde 1985/86 von einer Krise zerschmettert, weil Healy, Banda und Slaughter die Prinzipien verwarfen, die sie 1961–1963 verteidigt hatten.

An den Kampf gegen die Wiedervereinigung geht Banda genauso heran wie zuvor an den »Offenen Brief« von 1953. Anstatt sich mit dem tatsächlichen Inhalt des Kampfs des IKVI auseinanderzusetzen, sucht er nach subjektiven Kriterien, um ihn zu denunzieren. So griff er den »Offenen Brief« als »ehrloses Manöver« an. Um den Kampf gegen die Wiedervereinigung abzutun, denunziert er den »verdächtigen Rahmen« der Diskussion. Aber er sagt nicht genau, wogegen er etwas einzuwenden hat. Er sagt noch nicht einmal, ob er die damalige Position zu Kuba heute ablehnt oder nicht. Banda erklärt auch nicht, ob das IKVI recht hatte, als es sich gegen die Wiedervereinigung stellte. Und wie üblich versucht er nicht, die Klassenkräfte zu analysieren, die sich in den entgegengesetzten Positionen ausdrückten.

Die Bedeutung des Kampfs der Socialist Labour League von 1961–1963 bestand darin, dass sie den unüberbrückbaren Klassengegensatz zwischen Trotzkismus und Pablismus nachwies. Sie zeigte auf, dass der Pablismus nicht einfach, wie die SWP behauptete, ein veralteter Begriff für falsche organisatorische Praktiken wie z. B. übertriebenen Zentralismus war. In einer umfassenden Analyse der politischen Entwicklung des Pablismus zeigte die SLL stattdessen, dass er ein Ausdruck des Drucks des Imperialismus auf die revolutionäre Vorhut war, eine kleinbürgerliche, opportunistische Strömung, die den programmatischen Grundlagen und revolutionären Aufgaben der Vierten Internationale unversöhnlich feindlich gegenüberstand. Die SLL wies nach, dass die von der SWP angestrebte Wiedervereinigung, wenn sich ihr niemand entgegenstellte, unweigerlich zur politischen Liquidierung der trotzkistischen Bewegung führen und sie in ein Anhängsel des Stalinismus, der Sozialdemokratie und des kleinbürgerlichen Nationalismus verwandeln würde. Von diesem Standpunkt aus erklärte die SLL, dass Kuba ein Aspekt, aber nicht das Wesen der Diskussion war. Die Frage des Klassencharakters des kubanischen Staats konnte nur im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der historischen Perspektiven der Vierten Internationale richtig beantwortet werden.

Als sich die SLL gegen eine Wiedervereinigung mit den Pablisten ohne vorherige Diskussion über die Bedeutung der Spaltung von 1953 und über die internationalen Perspektiven der Vierten Internationale wandte und die Charakterisierung von Kuba als Arbeiterstaat ablehnte, da verteidigte sie: 1) die Rolle der leninistischen Partei als Avantgarde der Arbeiterklasse und als unabdingbare Waffe für die Organisierung des Proletariats, 2) die Theorie der permanenten Revolution, in der die Hegemonie der Arbeiterklasse in den anti-imperialistischen und demokratischen Kämpfen der zurückgebliebenen Länder und ihre völlige Unabhängigkeit von den Organisationen der bürgerlichen Nationalisten begründet wird, 3) die Vierte Internationale als Weltpartei der sozialistischen Revolution, 4) den dialektischen und historischen Materialismus als theoretische Grundlage des revolutionären Programms des Marxismus.

Diese vier Aspekte waren Bestandteile einer umfassenden theoretischen Verteidigung des gesamten politischen Erbes des Trotzkismus. Insbesondere bedeutete die Fähigkeit der SLL, den Kampf gegen den pablistischen Revisionismus auf die Ebene der diesem zugrunde liegenden idealistischen Methode auszuweiten und nachzuweisen, dass sein Angriff auf das Programm der Vierten Internationale untrennbar mit antidialektischem ­Objektivismus verbunden war, einen großen Fortschritt für die Vierte Internationale. Es war eine Wiederbelebung der Linie, die Trotzki in seinem harten Kampf gegen Burnham und Shachtman 1939–1940 entwickelt hatte. Obwohl Healy die dialektische Methode später missbrauchte und verdrehte, ist auch dies eine bleibende Errungenschaft.

Die SLL eröffnete den Kampf gegen die Wende der SWP zur Wiedervereinigung mit einem Brief ihres Nationalkomitees an das Nationalkomitee der SWP, der am 2. Januar 1961 verfasst wurde. In diesem ersten Dokument wurde die Bedeutung des Pablismus richtig erklärt:

Die größte Gefahr für die revolutionäre Bewegung ist das Liquidatorentum, das sich aus der Kapitulation vor der Stärke des Imperialismus, vor den bürokratischen Apparaten der Arbeiterbewegung oder vor beidem ergibt. Noch unverkennbarer als 1953 vertritt der Pablismus heute diese liquidatorische Tendenz in der internationalen marxistischen Bewegung. Für den Pablismus ist die fortgeschrittene Arbeiterklasse nicht mehr die Vorhut der Geschichte, das Herz aller marxistischen Theorie und Strategie in der Epoche des Imperialismus, sondern der Spielball »welthistorischer Faktoren«, die auf abstrakte Weise betrachtet und eingeschätzt werden … Jede historische Verantwortung der revolutionären Bewegung wird geleugnet, alles wird panoramaartigen Kräften untergeordnet, die Fragen nach der Rolle der Sowjetbürokratie und der Klassenkräfte in der kolonialen Revolution bleiben ungelöst. Das muss auch so sein, weil der Schlüssel zu diesen Problemen die Rolle der Arbeiterklasse in den fortgeschrittenen Ländern und die Krise der Führung in der dortigen Arbeiterbewegung ist …

Jede Abweichung von der Strategie der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und des Aufbaus revolutionärer Parteien wird die Bedeutung eines Fehlers der trotzkistischen Bewegung von welthistorischem Ausmaß annehmen …

Gerade weil die Möglichkeiten, die sich dem Trotzkismus eröffnen, so gewaltig sind, und daher die Notwendigkeit politischer und theoretischer Klarheit so groß ist, müssen wir uns nachdrücklich gegenüber dem Revisionismus in allen seinen Formen abgrenzen. Es ist an der Zeit, die Periode zu beenden, in der der pablistische Revisionismus als eine Strömung innerhalb des Trotzkismus betrachtet wurde. Wenn wir das nicht tun, können wir uns nicht für die revolutionären Kämpfe rüsten, die jetzt beginnen. Wir möchten, dass die SWP in diesem Geiste mit uns zusammen vorwärtsgeht.[1]

Die SLL schloss die Möglichkeit einer Vereinigung mit dem Internationalen Sekretariat nicht aus, bestand aber darauf, den pablistischen Anschauungen keinerlei politische Zugeständnisse zu machen. Vor organisatorischen Schritten, so die SLL, müssten Weltperspektiven ausgearbeitet und eine äußerst detaillierte Analyse der Entwicklung des Pablismus erstellt werden.

Was die internationale Bewegung heute braucht, ist eine politische Erklärung der orthodoxen Trotzkisten, die unseren Standpunkt zu den großen Problemen von heute darlegt. Ohne eine solche internationale politische Erklärung wird es nicht möglich sein, die internationale Bewegung wiederaufzubauen. Das zeigt sich klar an der Krise in Ceylon und in unserer eigenen Bewegung in Argentinien. Die Entwicklung einer sehr vielversprechenden Bewegung in Japan kann auf der Grundlage einer solchen internationalen Bestätigung unserer Prinzipien vorangetrieben werden …

Auf dieses internationale Dokument muss eine Artikelserie folgen, die den revisionistischen Kurs des Pablismus analysiert. Es ist eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der Vierten Internationale, dass wir endlich mit jeder Spur eines solchen Revisionismus brechen. Wenn wir diesen Bruch jetzt nicht vollziehen, dann wird unsere Bewegung nach Meinung der SLL gerade in einer Periode, in der sie die größten Möglichkeiten hat, in ihre schwerste Krise geworfen.[2]

Am 8. Mai 1961 schickte die Socialist Labour League ein weiteres Dokument an die SWP, das sich ungeschminkt mit dem Abdriften der amerikanischen Bewegung auf eindeutig pablistische Positionen befasste und damit die Behauptungen der SWP widerlegte, die Spaltung von 1953 sei für die trotzkistische Bewegung nicht mehr von Bedeutung. Scharf griff die SLL die Behauptung von Morris Stein an, der Stalinismus könne durch Unterstützungsmaßnahmen für den anti-imperialistischen Kampf eine revolutionäre Rolle spielen, und gab ihrer Befürchtung Ausdruck, dass die Positionen einiger SWP-Mitglieder auf der Sitzung des Nationalkomitees vom 14. Januar 1961

einen Rückzug von den Positionen erkennen lassen, die gegen die Pablisten bezogen wurden. Das Wesen der pablistischen Methode bestand darin, von einem sogenannten »objektiven«, in Wirklichkeit rein betrachtenden Standpunkt aus die »objektiven Kräfte« (oder die »Weltrealität«) abzuwägen – und daraus dann oberflächliche Schlussfolgerungen zu ziehen, die lediglich eine Anpassung bedeuteten. Worin unterscheiden sich die oben zitierten Bemerkungen des Genossen Stein [zitiert in Kapitel 27] von der pablistischen Theorie, wonach die stalinistischen Parteien eine »revolutionäre Orientierung vertreten«?[3]

Die SLL kam dann auf einen kritischen Streitpunkt mit den Pablisten zu sprechen: die Unterordnung des Proletariats unter die nationale Bourgeoisie in den zurückgebliebenen Ländern:

Ein wesentlicher Bestandteil des revolutionären Marxismus in unserer Epoche ist die Theorie, dass die nationale Bourgeoisie in den unterentwickelten Ländern unfähig ist, den Kapitalismus zu besiegen und einen unabhängigen Nationalstaat zu errichten. Diese Klasse ist mit dem Imperialismus verbunden und von Natur aus unfähig zu einer unabhängigen kapitalistischen Entwicklung, denn sie ist Teil des kapitalistischen Weltmarkts und kann mit den Produkten der fortgeschrittenen Länder nicht konkurrieren. In nationalen Befreiungsbewegungen müssen sich die Arbeiter nach Lenins Parole richten, »getrennt marschieren, vereint schlagen« gegen ausländische Imperialisten und ihre unmittelbaren Kollaborateure. Mit Marx sagen wir: Unterstützt die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führer insoweit, wie sie helfen, gemeinsame Schläge gegen unseren Feind zu führen, wendet Euch jedes Mal gegen sie, wenn sie ihre eigenen Existenzbedingungen und ihre eigene Herrschaft festigen wollen.

Es stimmt zwar, dass die Stufe der »Unabhängigkeit« von Ländern wie Ghana und nationale Unabhängigkeitsbewegungen unter Führung von Männern wie Mboya in Kenia stimulierend auf nationale Befreiungsbewegungen in anderen Ländern wirken, aber es bleibt doch eine Tatsache, dass Nkrumah, Mboya, Nasser, Qasim, Nehru, Sukarno und ihresgleichen die nationale Bourgeoisie ihres Landes vertreten. Die maßgeblichen imperialistischen Politiker in den USA und Großbritannien wissen sehr genau, dass der Besitz und die strategischen Bündnisse des internationalen Kapitals in Asien, Afrika und Lateinamerika nur aufrechterhalten werden können, wenn sie Führern dieser Art die politische »Unabhängigkeit« geben oder ihren Sieg über feudale Elemente wie Faruq und Nuri as-Said akzeptieren.

Genosse Hansens Artikel über die Konferenz in Mexiko bezieht unserer Meinung nach keinen prinzipiellen Standpunkt zum Charakter solcher Staaten. Trotzkisten sind nicht dazu da, die Rolle solcher nationalistischer Führer aufzuwerten. Diese verfügen nur deshalb über das Vertrauen der Massen, weil die sozialdemokratischen und besonders die stalinistischen Führungen verraten haben. Daher werden sie zu Puffern zwischen dem Imperialismus und den Arbeiter- und Bauernmassen. Die Möglichkeit wirtschaftlicher Hilfe aus der Sowjetunion versetzt sie oft in die Lage, gegenüber den Imperialisten höher zu pokern. Sie ermöglicht es radikaleren Elementen unter den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führern sogar, imperialistischen Besitz anzugreifen und größere Unterstützung bei den Massen zu gewinnen. Die entscheidende Frage für uns aber ist in jedem Fall, dass die Arbeiterklasse in diesen Ländern durch eine marxistische Partei ihre politische Unabhängigkeit herstellt, die arme Bauernschaft zum Aufbau von Sowjets führt und die notwendigen Verbindungen zur internationalen sozialistischen Revolution erkennt. In keinem Fall sollten Trotzkisten unserer Meinung nach diese Strategie durch die Hoffnung ersetzen, dass die nationalistische Führung sozialistisch werde. Die Befreiung der Arbeiterklasse ist die Aufgabe der Arbeiter selbst. Die gegenwärtige Diskussion über Kuba scheint oft folgendermaßen zu verlaufen: Die kubanischen Massen unterstützen Castro; Castro begann als Kleinbürger, ist aber Sozialist geworden; der öffentliche Druck des imperialistischen Angriffs und des Volkskampfs könnten ihn zum Marxisten machen, und schon die Aufgaben, die sich ihm bei der Verteidigung der Errungenschaften der Revolution stellen, haben ihn »auf natürlichem Wege« zu Positionen gebracht, die man vom Trotzkismus nicht mehr unterscheiden kann. Diese Herangehensweise tritt die Grundsätze des Marxismus mit Füßen. Selbst wenn Castro und sein Kader sich »bekehren« würden, würde die Revolution dadurch proletarisch? Haben wir vergessen, wie hartnäckig Lenin im April und Mai 1917 die Notwendigkeit erklärte, die Mehrheit der Arbeiterklasse aufzuklären und zu organisieren, um durch die Sowjets die Macht zu erobern? Wenn schon die Bolschewiki nicht ohne die bewusste Unterstützung der Arbeiterklasse die Revolution führen konnten, wie dann Castro? Davon ganz abgesehen müssen wir politische Tendenzen auf einer Klassengrundlage einschätzen, danach, wie sie sich über lange Perioden hinweg in Beziehung zur Bewegung der Klassen im Kampf entwickeln. Keine proletarische Partei, und schon gar keine proletarische Revolution, wird in irgendeinem rückständigen Land aus bekehrten kleinbürgerlichen Nationalisten hervorgehen, die »natürlich« oder »zufällig« über die Bedeutung von Arbeitern und Bauern stolpern.[4]

Mit Nachdruck wies die SLL die Behauptung zurück, Castros kleinbürgerliche Bewegung des 26. Juli könne als Ersatz für die unabhängige Mobilisierung der kubanischen Arbeiterklasse dienen:

Es gibt keinen Weg zur Arbeitermacht außer der Zerschlagung des bürgerlichen Staats und der Kontrolle eigener Organe der Arbeiter – Sowjets, Arbeiterräte usw. – über das Leben der Nation. Das gilt für die fortgeschrittenen und für die kolonialen Länder. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur in den USA, sondern auch in Kuba. In der Diskussion auf dem NK der SWP haben einige Genossen das Vorgehen der lateinamerikanischen Genossen kritisiert, die in ihrer Resolution für die richtige Politik eintraten, nämlich für Arbeiter- und Bauernräte, für die Bewaffnung der Arbeiter usw. In diesen Kritiken wurde zum Beispiel angeführt, dass die kubanischen Massen und die Castro-Führung eine solche Kampagne für konterrevolutionär halten würden. Auch in dieser Herangehensweise wird wieder die ganze marxistische Methode und alle revolutionäre Erfahrung über den Haufen geworfen. Wenn diese Genossen einen Augenblick nachdenken, dann werden sie gewiss zustimmen, dass es in einer revolutionären Periode, wie sie in Kuba heute herrscht, gerade darauf ankommt, Methoden zu finden, mit denen die Arbeiterklasse die Probleme der Verteidigung nach innen und außen und die Wirtschaftsprobleme des Landes lösen kann. Die Taktik der revolutionären Partei wird darin bestehen, die Lösung dieser Probleme mit den Methoden der Arbeiterklasse anzugehen und dadurch den Weg zur Arbeitermacht zu weisen. Auch hier ist Lenins Führung der Bolschewistischen Partei in der Periode der Doppelherrschaft beispielhaft …

Genosse Hansens allgemeine Ausführungen zu dieser Frage sind äußerst entwaffnend: es gehe also, sagt er, um die Weltpartei, die auf der ganzen Welt wachse, während der Imperialismus zurückweiche. An manchen Orten, so legt er nahe, werde dieser Prozess der Befreiung der Arbeiterklasse ohne eine solche Partei vonstattengehen. Kuba soll vermutlich ein solcher Ort sein. In Genosse Hansens Darstellung stoßen wir auf das peinliche Phänomen, dass erst nach der Errichtung eines Arbeiterstaats »sozialistisches Bewusstsein aufzutreten beginnt«! Unserer Meinung nach ist die Diskussion der Parteifrage auf dieser abstrakten »internationalen« Ebene ein Ausweichmanöver, das die konkrete Frage des Aufbaus solcher Parteien in jedem Land umgeht.[5]

Auf einer Sitzung des Internationalen Komitees am 28. und 29. Juli 1961 analysierte Cliff Slaughter die Perspektivresolution der SWP und konzentrierte sich auf ihre grundlegende Abweichung von der marxistischen Methode:

Die grundlegende Schwäche der SWP-Resolution besteht darin, dass sie die marxistische Methode durch »Objektivismus« ersetzt, d. h. durch eine falsche Objektivität. Dieses Vorgehen führt sie zu ähnlichen Schlussfolgerungen wie die Pablisten. Aus seiner Analyse des Imperialismus als letztes Stadium des Kapitalismus folgerte Lenin, dass die bewusste revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse und ihrer Partei das Wichtigste sind. Die Helden des »Objektivismus« dagegen folgern, dass die Stärke der »objektiven Faktoren« so groß ist, dass ganz unabhängig davon, ob das Proletariat in seinem Kampf eine marxistische Führung hat, die Revolution der Arbeiterklasse siegen und die Macht der Kapitalisten gestürzt werden wird. Man kann die Formulierungen der SWP-Resolution kaum anders verstehen, wenn sie von der »Ungeduld« der Massen spricht, die die Revolution nicht bis zum Aufbau einer marxistischen Führung hinausschieben können. Das bedeutet, dass die bestehende Führung der anti-imperialistischen Kräfte »durch die Logik der Revolution selbst« gezwungen sein wird, die revolutionäre Führung des proletarischen Kampfs um die Macht zu übernehmen. Die SWP hat diese Theorie nicht vollends entwickelt, aber in ihrer Haltung zu Kuba akzeptiert sie genau diese Schlussfolgerungen. Die Vorstellung der Pablisten, die Kommunistischen Parteien und die Sowjetbürokratie würden »eine revolutionäre Orientierung vertreten«, folgte Anfang der fünfziger Jahre aus genau derselben Herangehensweise. Eine marxistische Analyse muss darauf beharren, dass diese Abweichung in der SWP-Resolution bis zu Ende gedacht wird. Wenn die kleinbürgerliche Führung in Kuba durch die objektive Logik der Ereignisse gezwungen wurde, das Proletariat zur Macht zu führen (die SWP sagt, Kuba sei ein »Arbeiterstaat«, was nur die Diktatur des Proletariats bedeuten kann), dann müssen wir fordern, dass eine Analyse der gegenwärtigen Weltlage vorgelegt wird, die erklärt, wie ein solches Ereignis möglich wurde und somit die leninistische Theorie über die Beziehung zwischen Klasse, Partei und Macht hinfällig wird.

Ähnliches gilt für die Formulierung der SWP-Resolution über den Aufbau der revolutionären Partei im Verlauf der Revolution selbst. Auch hier müssen die Implikationen dieser Formulierung bis zu Ende gedacht werden. Für uns haben solche Formeln nur unter dem Aspekt der allgemeinen historischen Perspektive der Klassenbeziehungen einen Sinn. Die SWP muss zeigen, in welcher Weise es »objektive Faktoren« in der Weltlage in einigen Fällen unnötig machen, eine revolutionäre Führung aufzubauen. Der Aufbau solcher Parteien sowohl in Perioden schwärzester Reaktion als auch in vorbereitenden und vorrevolutionären Perioden ist die größte historische Leistung von Lenin und seinen Anhängern. Selbst wenn Lenin und Trotzki in ihrer Zeit keinen Fehler machten, als sie solche Parteien vorbereitend aufbauten, meint dann die SWP, dass in unserer Zeit bestimmte objektive Kräfte sicherstellen, dass im Verlauf der Revolution selbst noch genug Zeit für den Aufbau revolutionärer Parteien bleibt? Wenn ja, dann müssen sie uns genau erklären, welche qualitative Veränderung es zwischen der Epoche des Imperialismus, in der Lenin und Trotzki arbeiteten, und unserem eigenen Zeitalter gegeben hat. Wenn nein, dann müssen sie in dieser Frage wohl zu der leninistischen Position zurückkehren.[6]

Im Verlauf seines heftigen Angriffs auf den desorientierenden Objektivismus der SWP-Perspektiven bezeichnete Slaughter die Behauptung, die Taten kleinbürgerlicher Nationalisten seien eine »Bestätigung« der Theorie der permanenten Revolution, als »reaktionäres Gewäsch«:

Das kann auf zweierlei hinauslaufen (oder vielleicht auf beides gleichzeitig): a) es enthebt Leute, die sich Trotzkisten nennen, der Aufgabe, in der Praxis, in der Arena des Kampfs der Arbeiterklasse, die Theorie der permanenten Revolution zu »bestätigen«, und b) es liefert mit Hilfe feiner Reden über die Bestätigung von Trotzkis Theorien einen Deckmantel für die Kapitulation vor den neuen Opportunisten und ihrer Rolle.[7]

Die weitere Entwicklung der Polemik zeigte, dass die SWP die Notwendigkeit zum Aufbau revolutionärer Parteien des Proletariats in den unterentwickelten Ländern zurückwies. Sie dehnte ihre Analyse von Kuba auf die Ereignisse in Algerien aus, unterstützte kritiklos Ben Bella und machte der SLL Vorwürfe, weil sie sich gegen das Unabhängigkeitsabkommen wandte, das 1962 in Évian zwischen der Nationalen Befreiungsfront Algeriens (FLN) und dem französischen Imperialismus ausgehandelt wurde. Die SWP-Führung erklärte:

Diese Beurteilung ist völlig falsch. Das Abkommen, das de Gaulle gegen den Widerstand der OAS abgerungen wurde, ist ein großer Sieg für das algerische Volk und für die arabische und koloniale Revolution. Es ist ein empfindlicher Rückschlag für den französischen und Weltimperialismus. Natürlich ist es bei weitem kein vollständiger und endgültiger Sieg. Aber es hebt den Kampf für nationale Unabhängigkeit und soziale Befreiung in diesem Land auf eine höhere Ebene und stellt die Revolution auf festere und günstigere Grundlagen, um ihre nächsten Aufgaben zu lösen …

Kuba und Algerien enthalten zusammen die meisten grundlegenden Probleme, mit denen Marxisten im gegenwärtigen Stadium der kolonialen Revolution konfrontiert sind. Die Desorientierung der SLL in Bezug auf diese beiden Revolutionen ist eine Folge der falschen Methode, mit der sie an die grundlegenden, hier wirkenden Prozesse herangeht. Die Wurzel ihrer Irrtümer ist in beiden Fällen dieselbe: Verlust der marxistischen Objektivität, Nichtbeachtung und Geringschätzung aller anderen Faktoren in der Situation, außer dem Charakter der offiziellen Führung. Die subjektive Methode der Analyse führt zu stark vereinfachten und sektiererischen Schlussfolgerungen.[8]

Während sich Banda wortreich über Healys Fehler in Bezug auf Messali Hadj Mitte der fünfziger Jahre auslässt (wobei er auch vor Lügen über seine eigene Rolle nicht zurückschreckt), sagt er seltsamerweise kein Wort über die Auseinandersetzung zu Algerien 1962–1963. Er sagt nicht, ob die SLL recht hatte oder nicht, als sie sich gegen das Évian-Abkommen stellte, oder ob er noch mit der Kritik der SLL an der pablistischen Linie gegenüber Ben Bella übereinstimmt. Der Angriff der Pablisten auf die Kritik der SLL am Évian-Abkommen richtete sich gegen das Recht des Proletariats, einen unabhängigen und feindlichen Standpunkt gegenüber der Politik der nationalen Bourgeoisie zu beziehen.

Hansen, der das Évian-Abkommen als notwendigen Kompromiss verteidigte, wich einer entscheidenden Frage aus: Das Abkommen war eine Übereinkunft zwischen den politischen Vertretern des französischen Imperialismus und der algerischen Bourgeoisie. Die Arbeiterklasse durfte es ebenso wenig unterstützen wie das Abkommen von 1947, das Ceylon die »Unabhängigkeit« von Großbritannien gab. In jener Periode stimmten die ceylonesischen Trotzkisten gegen das Unabhängigkeitsabkommen und lehnten jede Verantwortung oder Unterstützung für die Regelung ab, durch die in Ceylon ein kapitalistischer Staat unter der Vorherrschaft der nationalen Bourgeoisie errichtet wurde. Aber die SWP kümmerte sich nicht um diese Lehren. Mit seinen Spitzfindigkeiten über die Unvermeidbarkeit des Kompromisses in der Politik gab Hansen grundlegende Prinzipien zugunsten taktischer Vorteile auf.

Während die Pablisten die Konzentration des IKVI auf den Klassencharakter der Führung des anti-imperialistischen Kampfs als »subjektiv« ablehnten, vertraten sie selbst eine Theorie, die sich völlig auf die individuellen Aktionen der nationalistischen Führer und ihre entscheidende Rolle beschränkte. Am klarsten kam dies in ihrer Theorie über die Rolle der ­politischen Elite bei der Einführung des Sozialismus zum Ausdruck. Indem sie den Staatsapparat unter ihre Kontrolle bringt, so argumentierten die Pablisten, befreit sich die neue herrschende Schicht vom Einfluss der nationalen Bourgeoisie:

Diese Schicht entwickelt und gewinnt ihre gesellschaftliche Bedeutung durch die Verwaltung des Staats, nicht durch die inneren Notwendigkeiten der Produktion und ihre Stellung in der Produktion. Unter den historischen Bedingungen, wie sie in der Vergangenheit und bis zum letzten Krieg herrschten, entwickelte sich eine solche Schicht zwangsläufig zu einer Kompradoren-Bourgeoisie im Dienste des Imperialismus.

Aber unter den besonderen Bedingungen von heute, wo sie unweigerlich unter dem Einfluss der machtvollen Massenbewegung und der zunehmenden Macht der Arbeiterstaaten steht und weiß, dass sie den Ost-West-Gegensatz zu ihren Gunsten ausnutzen kann, übernimmt diese Schicht eine bonapartistische Rolle und überträgt diese auf den gesamten Staat, dessen ökonomische und soziale Strukturen noch nicht endgültig auf eine unvermeidbare, klassische kapitalistische Entwicklung ausgerichtet sind.[9]

Aus dieser Analyse folgte eine Perspektive, die die sozialistische Umwälzung von den subjektiven Entscheidungen der herrschenden Eliten abhängig machte, die angeblich über den Hauptklassen der Gesellschaft standen und unabhängig von ihnen handelten. Deshalb sollte die Vierte Internationale am besten versuchen, Zugang zu solchen Führern zu finden, um sie zu beeinflussen. Pablo setzte diese Theorie in die Praxis um und übernahm einen Posten in Ben Bellas Regime.

Die Anschauung, der Sozialismus sei nicht notwendigerweise ein Ergebnis des bewussten Kampfs der Arbeiterklasse, war der Kernpunkt von Hansens rein ökonomischer Definition eines Arbeiterstaats. Er erklärte im Juni 1962:

Lasst mich die Grundbegriffe wiederholen. Ein Arbeiterstaat ist grundsätzlich definiert durch die Enteignung des Eigentums der Kapitalistenklasse in der Schlüsselindustrie und dem Verkehrs- und Finanzwesen, durch die Errichtung eines staatlichen Außenhandelsmonopols und durch die Einführung einer Planwirtschaft. Abweichungen von der Norm eines gesunden Arbeiterstaats gehören grundsätzlich in den Bereich der Politik, d. h. sie betreffen das relative Ausmaß proletarischer Demokratie.[10]

Die historischen und politischen Grundlagen des Arbeiterstaats – alles, was mit der Entwicklung des Proletariats als einer sich ihrer revolutionären Aufgabe bewussten gesellschaftlichen Kraft und mit der Machteroberung und der Schaffung der spezifischen Formen zusammenhängt, durch die die Klasse ihre Diktatur ausübt – waren für Hansen keineswegs ausschlaggebend, um einen Staat als Arbeiterstaat zu bezeichnen. Da der Sozialismus in den rückständigen Ländern »von oben« eingeführt werden konnte und nicht von der proletarischen Revolution abhing, kam die SWP unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass der Kampf zum Aufbau einer revolutionären Partei des Proletariats nicht von wesentlicher Bedeutung war. »Die Erfahrung hat bewiesen«, schrieb Hansen, »dass Kräfte, die sozialistisch gesonnen, aber nicht bolschewistisch sind, an die Macht kommen und eine Reihe von Maßnahmen ergreifen können, die unter bestimmten Umständen so weit gehen, dass sie über den Privatkapitalismus hinausführen und die Grundlage für einen Arbeiterstaat legen.«[11]

Diese vollkommen liquidatorische Position fand Eingang in die Programmresolution, die auf dem Wiedervereinigungskongress der SWP und der Pablisten im Juni 1963 angenommen wurde: »In den rückständigen Ländern hat die Schwäche des Gegners die Möglichkeit geschaffen, auch mit einem stumpfen Instrument an die Macht zu kommen.«[12] Diese Worte enthüllten die gesamte historische Bedeutung der Wiedervereinigung von 1963. Die Position der Pablisten konnte nichts anderes heißen, als dass für die Verwirklichung des Sozialismus weder die Vierte Internationale noch die Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse notwendig war.

Die Position, in rückständigen Ländern seien marxistische Parteien nicht notwendig, führt zwangsläufig zu der Schlussfolgerung, dass sie nirgendwo auf der Welt notwendig sind. Wenn man die Notwendigkeit oder Unnotwendigkeit einer marxistischen Partei aus der Schwäche der herrschenden Klasse in einem gegebenen Land ableitet, dann folgt daraus, dass die Errichtung »sozialistischer« Regime in einer großen Anzahl rückständiger Länder unweigerlich eine derart verheerende Krise in den USA, Europa und Japan auslösen würde, dass der Sozialismus auch in diesen Ländern mit ähnlich »stumpfen«, d. h. nicht-marxistischen Instrumenten eingeführt werden kann. Da der Aufbau marxistischer Parteien nichts anderes ist als der bewusste Ausdruck der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse als Träger neuer gesellschaftlicher Verhältnisse, beinhaltet die Ablehnung der Notwendigkeit einer solchen Partei, dass der Sozialismus nicht notwendigerweise durch den proletarischen Klassenkampf herbeigeführt wird.

Die Ablehnung der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse stand im Zentrum der Perspektive der Pablisten. Sie stellten ausdrücklich fest, dass sich die Arbeit ihrer internationalen Bewegung nicht länger auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Länder konzentrierte. Stattdessen, erklärten sie auf ihrem Sechsten Kongress, »muss die Vierte Internationale ihre Aktivitäten als Internationale entsprechend dem wichtigsten Sektor der Weltrevolution, nämlich der kolonialen Revolution, reorganisieren und für eine ganze Periode den wesentlichen Teil ihrer Arbeit auf diesen Bereich konzentrieren«.[13]

Insbesondere erteilten die Pablisten jedem Versuch, das Proletariat in den rückständigen Ländern unabhängig von der Bourgeoisie zu organisieren, eine Absage:

Revolutionäre marxistische Elemente, die in diesen abhängigen Ländern tätig sind, haben nicht immer die Möglichkeit, sich von außen und völlig unabhängig den bestehenden nationalen Bewegungen unter bürgerlicher Führung oder Ideologie entgegenzustellen, denn damit würden sie riskieren, sich von den breiten Massen abzuschneiden und in der Praxis nichts zu bewirken. Während sie sich überall der Aufgabe widmen, offene revolutionär-marxistische Schriften zu verbreiten, die die Probleme klären und eine klare Perspektive aufzeigen, können sie sich gezwungen sehen, im Wesentlichen innerhalb bestehender nationaler Bewegungen mit revolutionärem Massencharakter zu arbeiten und in ihnen für einen proletarischen Flügel mit sozialistischer Orientierung einzutreten.[14]

Die Ablehnung des Proletariats könnte nicht deutlicher sein. Die pablistische Formel bestand aus Folgendem: Sie würden den »wesentlichen Teil ihrer Arbeit« auf die kolonialen Länder konzentrieren, um dort »im Wesentlichen innerhalb … nationaler Bewegungen zu arbeiten«.

Die britische und die französische Sektion des Internationalen Komitees weigerten sich, Delegationen zu dem pablistischen Wiedervereinigungskongress zu schicken, auf dem das Vereinigte Sekretariat geschaffen wurde. Stattdessen traf sich das IKVI im September 1963, um eine politische Bilanz des Kampfs gegen den Pablismus zu ziehen. Cliff Slaughter gab den Hauptbericht:

Der Kampf gegen den Revisionismus in der trotzkistischen Bewegung, besonders in der Socialist Workers Party, hat einen grundlegenden Unterschied in der Methode zutage gefördert. Die Führer der Socialist Workers Party haben den Marxismus durch Empirismus ersetzt, sie haben die Methode verworfen, die davon ausgeht, die Welt zu verändern, anstatt sie zu interpretieren oder zu betrachten. Der weitaus größere Teil der Arbeit im Kampf gegen diesen Revisionismus steht uns noch bevor. Es reicht nicht aus, den Abstieg der Revisionisten in den Empirismus nachweisen zu können – unsere Aufgabe besteht darin, anhand dieses Kampfs gegen den Revisionismus Sektionen der Vierten Internationale aufzubauen, die fähig sind, die fortgeschrittenen Arbeiter zu führen. An die Welt heranzutreten mit dem Ziel, sie zu verändern, bedeutet heute, vom Aufbau disziplinierter revolutionärer Parteien auszugehen, die in die Kämpfe der Arbeiterklasse eingreifen können und aus ihrem Eingreifen heraus die Vierte Internationale aufbauen. Diese Parteien sind proletarische Parteien, deren Arbeit und Methoden den Gesamtinteressen der Arbeiterklasse dienen. In den fortgeschrittenen Ländern können solche Parteien nur durch eine unversöhnliche Opposition gegen die kleinbürgerlichen Zirkel aufgebaut werden, die seit dem verhältnismäßigen Wohlstand nach 1945 die »offizielle« linke Politik dominieren. Innerhalb unserer Bewegung bedeutet dies einen ständigen Kampf, einen Kader aufzubauen, der bewusst Stellung bezieht gegen den Lebensstil der zentristischen Propagandazirkel, die der Bürokratie einen linken Deckmantel liefern. Das ist das direkte Gegenteil der pablistischen Theorie und Praxis, die die Bürokratie in der Form unterstützt, dass sie vorgeblich »linke« Strömungen in der stalinistischen Bürokratie unterstützt und glaubt, dass diese gezwungen sein würden, in den kapitalistischen Ländern die Macht zu erobern oder die politische Revolution in den Arbeiterstaaten durchzuführen. Auf der anderen Seite führt sie zu dem »tiefen Eindringen« in die Sozialdemokratie, das durch die Hoffnung auf »linkszentristische« Massenparteien gerechtfertigt wird.

In den zurückgebliebenen Ländern für die Lösung der Krise der Führung zu kämpfen, bedeutet, für den Aufbau proletarischer Parteien zu kämpfen, die sich die Diktatur des Proletariats zum Ziel setzen. In Ländern, wo das Kleinbürgertum oder die Bauernschaft zahlenmäßig stark sind, muss man den proletarischen Charakter der Führung besonders hervorheben. In dieser Frage schlagen die Revisionisten einen Weg ein, der Lenins und Trotzkis Auffassungen direkt zuwiderläuft. Sie rechtfertigen ihre Kapitulation vor kleinbürgerlichen, nationalistischen Führungen mit Spekulationen über einen neuartigen Typus der Bauernschaft. Die Pablisten vertreten seit einigen Jahren die Auffassung, dass der Charakter der neuen Staaten in Afrika durch den gesellschaftlichen Charakter und die Beschlüsse der Elite, die im Staat die Machtpositionen besetzt, bestimmt werden wird, und weniger durch den Klassenkampf, wie wir ihn verstehen. Vor Kurzem haben Pablo und andere »die revolutionäre Rolle der Bauernschaft« entdeckt. Dies ist nur ein dünner Deckmantel für die Kapitulation vor der kleinbürgerlichen Führung der FLN in Algerien und Castros in Kuba. Vor allem wird die »Theorie«, das »Epizentrum der Weltrevolution« habe sich in die kolonialen und halbkolonialen Länder verschoben, trotz ihrer revolutionären Erscheinung benutzt, um diese Kapitulation zu rechtfertigen.[15]

Mit besonderer Schärfe verurteilte Slaughter die pablistische Vorstellung einer »Internationale«, deren Führer ihre Hauptaufgabe darin sahen, den Führern bürgerlich-nationaler Bewegungen als halboffizielle Berater zur Seite zu stehen. Slaughter konnte sich damals bestimmt nicht vorstellen, dass innerhalb von wenig mehr als zehn Jahren Healy, Banda und er für die nationalen Bewegungen im Nahen Osten genau dieselbe Rolle spielen würden. In einem Absatz, der 1963 ein vernichtendes Urteil gegen die Pablisten war, sich heute aber wie eine prophetische Analyse des Abgangs der Workers Revolutionary Party liest, erklärte Slaughter:

Eine derartige Orientierung bringt einen bestimmten Typ nationaler Sektionen und einen bestimmten Typ von Führung innerhalb der pablistischen Internationale hervor. Um die Publikationen dieser Gruppe sammeln sich eine Reihe kleinbürgerliche Intellektuelle, die sich sehr schnell »prinzipielle«, aber ziemlich abstrakte Bekenntnisse zum Marxismus aneignen, getrennt vom Kampf für den Aufbau einer Führung und gegen die Feinde des Marxismus und der Arbeiterklasse. Solche Gruppen sind beständig auf der Suche nach »Bündnissen« mit allen möglichen zentristischen Strömungen und machen sich die naivsten Illusionen über diese »Verbündeten« aus gewerkschaftlichen und parlamentarischen Kreisen, wie in England und Belgien. Die wirkliche Aufgabe von Marxisten, nämlich »tiefer und tiefer in die Arbeiterklasse einzudringen«, um eine Kraft aufzubauen, die die Bürokratie zerschlagen wird, ist diesen Zirkeln ein Gräuel. Für diesen politischen Lebensstil ist die Botschaft, dass das Wichtigste die Ermutigung »linker Zentristen« sei, ein Geschenk des Himmels. Die Führer dieser Internationale werden immer mehr Männer mit »Einfluss«, Männer mit einem »gewissen Ruf« in kleinbürgerlichen Zirkeln, und nicht Arbeiterführer, nicht Führer, die eng und in allen Einzelheiten mit den Problemen der Arbeiterklasse und der revolutionären Partei vertraut sind.[16]

Zum Abschluss seines Berichts verurteilte Slaughter einen Absatz der Vereinigungsresolution, der davon sprach, »revolutionäre Parteien im Verlauf der Revolution selbst aufzubauen«. Slaughter erklärte, dass

dies die schlimmste aller heuchlerischen Formeln ist, von denen es in der Resolution nur so wimmelt. Gerade in revolutionären Situationen, wie in Algerien und Kuba, ist der Aufbau einer unabhängigen Partei am offensten abgelehnt worden, und zwar unter der Annahme, dass die kleinbürgerlichen Führer selbst zu revolutionären Marxisten würden. Selbst wenn diese Formulierung als ernsthafter theoretischer Beitrag vorgebracht würde, müsste man sie sofort als falsch zurückweisen. Die Aufgabe von Revolutionären besteht niemals darin zu spekulieren, ob genug »Zeit« zum Aufbau der Partei vorhanden ist, sondern in allen Entwicklungsstufen des Klassenkampfs, angeleitet von den langfristigen revolutionären Interessen der Arbeiterklasse, die revolutionäre Partei im Kampf gegen jeden Arm der Kapitalistenklasse und ihres Staats zu festigen, um einen bolschewistischen Kader zu entwickeln, der durch stählerne Bande mit jeder Schicht des Proletariats verbunden ist. Dieser ständige Kampf in Perioden schwärzester Reaktion und in Zeiten des revolutionären Aufschwungs ist die einzige Garantie dafür, im Kampf um die Macht vorbereitet zu sein. Selbst eine solche Partei wird zum Zeitpunkt der Revolution vor der Notwendigkeit stehen, interne Konflikte, Zögern, sogar Desertionen zu überwinden, wie es Lenin 1917 erging. Diese Perspektive hat absolut nichts mit der Vorstellung zu tun, einfach »revolutionäre Parteien im Verlauf der Revolution selbst aufzubauen«.[17]

Diese Worte sind heute so richtig wie 1963. Slaughter hat sie inzwischen zurückgewiesen – er machte nicht davor halt, im Dezember 1985 gegen eine Resolution des Internationalen Komitees zu stimmen, die den Standpunkt der britischen Trotzkisten im Kampf gegen die Wiedervereinigung der SWP mit den Pablisten bekräftigte. Die Tatsache, dass Slaughter seine eigenen Worte zurückweist, entwertet nicht den früheren Kampf oder die Rolle, die er darin spielte. Er hat es sich nicht einfach anders überlegt, sondern er hat seine Klassenposition geändert. Seine früheren Leistungen bleiben Bestandteil des Erbes der trotzkistischen Bewegung, und wir zitieren heute gegen ihn genau die Worte, mit denen er 1963 seinen Bericht abschloss:

Unser Kampf gegen den Revisionismus in der Vierten Internationale ist ein lebenswichtiger Bestandteil unserer revolutionären politischen Arbeit in der Arbeiterklasse. Er ist die revolutionäre Praxis, die die Vierte Internationale mit Sicherheit in die Lage versetzen wird, all jenen Kommunisten eine Führung zu bieten, die sich in die kommenden, letzten Schlachten der Arbeiterklasse zum Sturz des Weltkapitals einreihen.[18]

In ihrem Kampf gegen die Wiedervereinigung bereicherte die Socialist Labour League das Verständnis der trotzkistischen Bewegung über den Charakter des pablistischen Revisionismus. Die Richtigkeit von Slaughters Aussage – dass der Kampf gegen den Revisionismus das Herz des Aufbaus der Vierten Internationale ist – erwies sich bereits in der Verteidigung des Internationalen Komitees durch die SLL. Die Dokumente der SLL waren eine Erneuerung der historischen Perspektive, auf die sich die Gründung der Vierten Internationale gestützt hatte. Für die Pablisten war es ein wahrer Schock, als die SLL erklärte, die Organisierung der sozialistischen Weltrevolution und der Wiederaufbau der einstmals mächtigen sozialistischen Kultur in der Arbeiterbewegung, die durch den Verrat der Sozialdemokratie und des Stalinismus zerschlagen wurde, sei die Aufgabe der trotzkistischen Bewegung, und die Castros, Ben Bellas und Nassers dieser Welt seien keineswegs der Weg zur Macht, sondern Hindernisse auf diesem Weg, deren Autorität in den Massenbewegungen ihrer Länder die ungelösten Probleme der proletarischen Führung widerspiegele.

Gegen den »in Mode gekommenen Opportunismus« der Pablisten – Hansen erzählte der SLL sogar, ihre kritische Haltung gegenüber Castro sei in Lateinamerika politischer Selbstmord – verteidigten die britischen Trotzkisten den Kurs des Aufbaus revolutionärer Parteien, die sich auf das internationale Proletariat gründeten. Eine klare Ausrichtung auf die Arbeiterklasse im Gegensatz zu den Bürokratien und kleinbürgerlichen Führungen, die die Massenbewegung in jedem gegebenen Land dominierten, wurde von der SLL ausgegeben. Sie sagte den Trotzkisten in aller Welt, dass sie in einem rücksichtslosen Kampf gegen alle anderen Tendenzen, ganz gleich, wie groß, mächtig oder beliebt sie schienen, revolutionäre Parteien des Proletariats aufbauen mussten.

Die spätere Degeneration von Healy, Banda und Slaughter schmälert nicht im Geringsten die historische Bedeutung des Kampfs der SLL gegen die Wiedervereinigung. Den Standpunkt, den die SLL 1961–1963 zur Verteidigung des Internationalen Komitees gegen den Verrat der Socialist Workers Party einnahm, bewahrte die revolutionäre Kontinuität des Trotzkismus und verhinderte die Liquidierung der Vierten Internationale. Er führte das gesamte programmatische Erbe der Vierten Internationale fort und stellte die Grundlage für den Aufbau der trotzkistischen Bewegung als Weltpartei der sozialistischen Revolution wieder her.


[1]

Cliff Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism: A Documentary History, Bd. 3, The Socialist Workers Party’s Road Back to Pabloism, London 1974, S. 48–49.

[2]

Ebd., S. 54.

[3]

Ebd., S. 63.

[4]

Ebd., S. 64–66.

[5]

Ebd., S. 66–67.

[6]

Ebd., S. 161–162.

[7]

Ebd., S. 167.

[8]

Ebd., S. 217–218.

[9]

Sechster Weltkongress der Vierten Internationale, »The Colonial Revolution: Its Balance-Sheet, Its Problems, and Its Prospects«, in: Fourth International, Nr. 12, Winter 1960–1961, S. 42.

[10]

Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 3, S. 272.

[11]

Cliff Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism: A Documentary History, Bd. 4, The International Committee Against Liquidationism, London 1974, S. 58.

[12]

Zitiert in: ebd., S. 199.

[13]

Fourth International, Winter 1960–1961, S. 47.

[14]

Ebd., S. 37.

[15]

Slaughter (Hrsg.), Trotskyism Versus Revisionism, Bd. 4, S. 187–188.

[16]

Ebd., S. 218.

[17]

Ebd., S. 220–221.

[18]

Ebd., S. 221.