David North
Das Erbe, das wir verteidigen

Trotzkis proletarische Militärpolitik

In seiner Kritik an dem Verhalten der SWP vor dem Gericht in Minneapolis wandte sich Grandizo Munis außerdem gegen folgende Erklärung Cannons:

Wir halten Hitler und den Hitlerismus für den größten Feind der Menschheit. Wir wollen ihn vom Erdboden tilgen. Wir unterstützen die amerikanische Kriegserklärung deswegen nicht, weil wir nicht glauben, dass die amerikanischen Kapitalisten Hitler und den Faschismus besiegen können. Unserer Meinung nach kann der Hitlerismus nur durch einen Krieg unter der Führung der Arbeiter besiegt werden.[1]

Worauf Munis antwortete:

Zu sagen, dass wir die Kriegserklärung nicht unterstützen, weil wir nicht glauben, dass die amerikanischen Kapitalisten Hitler und den Faschismus besiegen können, unterstellt letztlich, dass wir sie unterstützen würden, wenn wir an diesen Sieg glaubten; das verleitet diejenigen, die an den Sieg der Vereinigten Staaten glauben, dazu, sie zu unterstützen. Unsere Ablehnung des Kriegs begründet sich auf den Charakter des gesellschaftlichen Regimes, das ihn hervorbringt, nicht auf den einen oder anderen Glauben an die Niederlage des Faschismus.[2]

Munis’ Einwand gegen Cannons Formulierung beruhte auf einer kindischen Spitzfindigkeit. Die Position der SWP, die Cannon in dem Prozess vertrat, bestand darin, dass die Trotzkisten einen Krieg der amerikanischen Imperialisten gegen Hitler nicht unterstützten.

Wenn dagegen eine Arbeiterregierung in den USA die Macht übernehmen würde, dann würde die SWP einen militärischen Kampf gegen Hitler unterstützen – genau wie sie den Krieg der Sowjetunion gegen Nazideutschland unterstützte. Auf die Fragen des Staatsanwalts antwortete Cannon, indem er die Anti-Kriegspolitik der SWP verteidigte:

Frage: Aber Sie werden doch versuchen, in Kriegszeiten den Krieg auszunutzen, um die gegenwärtige Regierungsform zu zerstören, oder etwa nicht?

Antwort: Es ist ja wohl kein Geheimnis, dass wir die jetzige Regierungsform verändern wollen.

F.: Und Sie betrachten den kommenden Krieg als den Zeitpunkt, wo Sie dieses Ziel erreichen können?

A.: Ja, meiner Meinung nach wird der kommende Krieg zweifellos die imperialistischen Regierungen in allen Ländern schwächen.

F.: Sie sagten, soweit ich mich erinnere, dass Sie den Krieg nicht unterstützen werden? Sie halten überhaupt nichts von Landesverteidigung, oder?

A.: Nicht in imperialistischen Ländern, nein.

F.: Ich rede von unserem Land.

A.: Ich bin hundertprozentig dafür, dieses Land mit unseren eigenen Mitteln zu verteidigen, aber ich bin dagegen, die imperialistischen Regierungen dieser Welt zu verteidigen –

F.: Ich spreche von der Regierung der Vereinigten Staaten in ihrer jetzigen verfassungsmäßigen Form. Die wollen Sie nicht verteidigen, oder?

A.: Nicht in politischem Sinne, nein.

F.: Sie wollen sie in überhaupt keinem Sinne verteidigen, nicht wahr?

A.: Ich habe gestern bereits erklärt, dass, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich für den Krieg entscheidet und am Krieg teilnimmt, unsere Leute und unsere Anhänger ebenfalls am Krieg teilnehmen werden. Wir sabotieren den Krieg nicht, wir behindern ihn nicht, aber wir werden auch weiterhin unsere Ideen verbreiten, zur Beendigung des Kriegs aufrufen und zu einer anderen Regierung aufrufen.[3]

Wenn diese Formulierungen einen Verrat an der Strategie und Taktik des revolutionären Defätismus darstellen, dann geht dieser Verrat auf Trotzki zurück. Cannon stützte sich auf die »Militärpolitik«, die Trotzki während der letzten Monate seines Lebens ausgearbeitet hatte.

Am 12. Juni 1940 begann Trotzki mit den SWP-Führern eine Diskussion über die politische Linie angesichts des bevorstehenden Eintritts der USA in den Zweiten Weltkrieg. (Es ist dieselbe Diskussion, in der es auch um die Haltung der SWP gegenüber den Stalinisten in den Wahlen von 1940 ging. Diesen Teil der Diskussion führt Banda an, um, wie wir bereits gezeigt haben, den falschen Eindruck zu erwecken, Trotzki habe sich gegen die SWP gestellt. Aber bei der Frage des kapitalistischen Militarismus zieht er es vor, Trotzkis Standpunkt zu ignorieren.)

Trotzki trat für eine entscheidende Weiterentwicklung der politischen Agitation der SWP ein – weg von der abstrakten Verurteilung des Kriegs hin zu einem konkreten Programm, das Proletariat auf der Grundlage des unvermeidlichen Kriegs auf die sozialistische Revolution vorzubereiten:

Die Militarisierung schreitet in unerhörtem Ausmaß voran. Wir können ihr nicht mit pazifistischen Phrasen entgegentreten. Die Militarisierung wird von breiten Schichten der Arbeiter unterstützt. Ihr gefühlsmäßiger Hass gegen Hitler mischt sich mit konfusem Zugehörigkeitsgefühl zu ihrer Klasse. (Sie hassen die siegreichen Räuber.) Die Bürokratie nutzt dies aus und sagt, helft dem besiegten Räuber. Wir ziehen ganz andere Schlussfolgerungen. Aber dieses Gefühl ist die unerlässliche Grundlage für unsere letzte Vorbereitungsperiode. Für diese Vorbereitung müssen wir eine neue, realistische Grundlage finden. Wir müssen uns dagegen wenden, dass Jugendliche ohne Kampfausbildung in den Krieg geschickt werden. Die Gewerkschaften müssen die Arbeiter nicht nur in Friedenszeiten verteidigen und ihre Ausbildung sicherstellen, sondern auch jetzt fordern, dass der Staat sie in Militärfragen ausbildet.

In den Gewerkschaften könnten wir zum Beispiel folgendermaßen argumentieren: Ich bin Sozialist, und Du bist Patriot. Nun gut. Wir werden über unsere Meinungsverschiedenheiten diskutieren. Aber wir sollten uns darauf einigen, dass die Arbeiter auf Staatskosten zu Militärexperten ausgebildet werden. Es sollten gemeinsam mit den Gewerkschaften entsprechende Schulen eröffnet werden – auf Regierungskosten, aber unter Kontrolle der Gewerkschaften. Diese Herangehensweise würde uns selbst heute Zugang zu den Arbeitern verschaffen, die zu 95 bis 98 Prozent patriotisch sind.

Nur mit dieser Perspektive, und nicht mit abstraktem Antimilitarismus, können wir in den Gewerkschaften und militärischen Organisationen Erfolg haben. Auf diese Weise können wir neue Wege finden und Sympathien für Zeiten der Illegalität erwerben. Die technische Seite der Untergrundarbeit ist natürlich wichtig, aber nur ein kleiner Teil der illegalen Aktivität.[4]

Wenn man Cannon politische Kapitulation »vor den rückständigen Schichten der amerikanischen Arbeiterklasse« vorwerfen will, muss man Trotzki für diese »politische Feigheit« verantwortlich machen, der dem SWP-Führer riet, die patriotischen Gefühle bei 9,8 von 10 Arbeitern im Amerika von 1940 zu berücksichtigen.

Trotzki war der Ansicht, die Hauptgefahr für die SWP sei nicht eine Schwächung ihrer Opposition gegen den imperialistischen Krieg, sondern die Verwandlung dieser Opposition in Pazifismus – was die SWP angesichts ihrer revolutionären Aufgaben entwaffnen würde, die nicht darin bestanden, radikale Phrasen zu dreschen, sondern den Sturz des US-Imperialismus vorzubereiten. »Wenn man uns mit Pazifisten verwechselt«, erklärte er, »so ist das hundertmal gefährlicher, als wenn man uns zeitweilig mit bürgerlichen Militaristen in einen Topf wirft.«[5]

Trotzkis Argumente gründeten sich auf die Auffassung, dass die Vierte Internationale den imperialistischen Krieg ausnutzen müsse, um die sozialistische Revolution vorzubereiten. Auf Cannons Frage: »Könnte man also sagen, dass wir Militaristen sind?« antwortete Trotzki daher: »Ja – in gewissem Sinne – sind wir proletarische sozialistische revolutionäre Militaristen.«[6]

Am 7. August 1940 führte Trotzki eine Diskussion mit SWP-Mitgliedern, in der er die politische Situation in den USA vor ihrem Eintritt in den Zweiten Weltkrieg und die Aufgaben, die der revolutionären Partei mit Kriegseintritt der USA gestellt sein würden, analysierte. Ausgehend davon, dass sich die USA unweigerlich in den Konflikt einmischen würden, versuchte Trotzki eine Reihe von Übergangsforderungen zu entwickeln, die der SWP unter den Bedingungen des Kriegs Zugang zur amerikanischen Arbeiterklasse verschaffen würden.

Für Trotzki – im Gegensatz zu Munis – war der revolutionäre Defätismus nicht nur eine Phrase. Um in Kriegszeiten erfolgreich für die Niederlage der »eigenen« herrschenden Klasse zu kämpfen, musste man eine konkrete Politik und taktische Initiativen erarbeiten, die darauf abzielten, die Arbeiterklasse von allen Formen des Chauvinismus zu brechen.

Trotzki machte einen sehr bedeutsamen Unterschied zwischen der allgemeinen Formel, »den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg zu verwandeln« – die die objektive Logik der historischen Entwicklung und die wesentlichen Aufgaben des Proletariats ausdrückte –, und den besonderen Übergangsformulierungen und Parolen der Partei in ihrem Kampf, die Massen gegen die Bourgeoisie zu mobilisieren.

Trotzki verachtete den Pazifismus gerade deshalb, weil er auf nichts weiter hinauslief als auf »persönliche« Ablehnung des bürgerlichen Militarismus und die mobilisierten Massen ihrem Schicksal überließ. Er bestand darauf, dass wehrpflichtige Parteimitglieder ihre Einberufung akzeptierten und gemeinsam mit ihrer Generation am Krieg teilnahmen:

Wir sollten begreifen, dass sich das Leben dieser Gesellschaft, die Politik, alles am Krieg orientieren wird. Und deswegen muss sich auch das revolutionäre Programm am Krieg orientieren. Wenn der Krieg eine Tatsache ist, dann können wir ihn nicht mit Wunschträumen und frommem Pazifismus bekämpfen. Wir müssen uns in dem Rahmen zurechtfinden, den diese Gesellschaft geschaffen hat. Dieser Rahmen ist furchtbar – es ist der Krieg –, aber insofern wir schwach sind und das Schicksal der Gesellschaft nicht in unsere Hände nehmen können, insofern weiter die herrschende Klasse stark genug ist, uns diesen Krieg aufzuzwingen, müssen wir diesen Rahmen gezwungenermaßen für unsere Aktivitäten akzeptieren.[7]

Trotzki wandte sich dann dem besonderen Problem des politischen Bewusstseins der amerikanischen Arbeiterklasse unter Kriegsbedingungen zu.

Die Kapitalisten wollen jetzt eine gewaltige Millionenarmee schaffen, Offiziere ausbilden, einen neuen militärischen Geist ins Leben rufen, und sie haben erfolgreich begonnen, die öffentliche Meinung der Nation in Richtung Militarismus zu bringen. Als Roosevelt seine Wahlrede hielt, da wandte sich die öffentliche Meinung vehement einer Neutralitätspolitik zu, aber inzwischen gehören all diese Gefühle der Vergangenheit an – der Kindheit der Nation –, obwohl das erst ein paar Monate her ist.

Im ganzen Land wird jetzt die Schaffung einer gewaltigen Armee, Marine und Luftwaffe befürwortet. Das ist die richtige psychologische Atmosphäre für den Aufbau einer Kriegsmaschinerie, und ihr werdet sehen, wie sie von Tag zu Tag wachsen wird. Es wird Militärschulen usw. geben, und preußische Sitten werden in den USA Einzug halten. Die Söhne bürgerlicher Familien werden mit preußischen Gefühlen und Idealen gefüttert werden, und ihre Eltern werden stolz darauf sein, dass ihre Söhne wie ein preußischer Leutnant aussehen. In gewissem Maße wird das auch für die Arbeiter gelten.

Deswegen müssen wir versuchen, die Arbeiter von den anderen durch ein gesondertes Ausbildungsprogramm zu trennen, durch Arbeiterschulen und Arbeiteroffiziere, die sich um das Wohlergehen der Arbeiter in der Armee kümmern müssen usw. Wir können der Militarisierung nicht entkommen, aber innerhalb dieser Maschinerie können wir eine Klassenlinie vertreten. Die amerikanischen Arbeiter wollen nicht von Hitler erobert werden, und denjenigen, die für ein »Friedensprogramm« eintreten, werden die Arbeiter antworten, »Hitler will aber kein Friedensprogramm«. Deswegen sagen wir: Wir werden die Vereinigten Staaten mit einer Arbeiterarmee verteidigen, mit Arbeiteroffizieren, mit einer Arbeiterregierung usw. Wenn wir keine Pazifisten sind, die auf eine bessere Zukunft warten, und wenn wir aktive Revolutionäre sind, dann besteht unsere Aufgabe darin, die gesamte Kriegsmaschinerie zu durchdringen …

Darüber hinaus sollten unsere Genossen die besten Soldaten, die besten Offiziere und gleichzeitig die militantesten Vertreter ihrer Klasse sein. Sie sollten den Arbeitern Misstrauen gegen die alte Tradition, gegen die militärischen Pläne der bürgerlichen Klasse und Offiziere einimpfen. Sie sollten darauf beharren, dass Arbeiteroffiziere ausgebildet werden müssen, die dem Proletariat gegenüber absolut loyal sind …

Es stimmt vollkommen, dass es in der Anfangszeit eine Explosion von chauvinistischem Patriotismus geben wird, und dass wir noch isolierter sein werden als momentan, und dass unsere Arbeit in dieser Periode durch Unterdrückungsmaßnahmen behindert werden wird. Aber wir müssen uns der Lage anpassen. Deswegen wäre es heute doppelt dumm, eine rein abstrakte pazifistische Position zu vertreten. Die Massen haben das Gefühl, sie müssen sich verteidigen. Wir müssen sagen: »Roose­velt (oder Wilkie) sagt, dass man das Land verteidigen muss, gut! Es muss nur unser Land sein, nicht das Land der Sechzig Familien und ihrer Wall Street. Die Armee muss unter unserem Kommando stehen, wir brauchen unsere eigenen Offiziere, die loyal zu uns halten werden.« Auf diese Weise können wir Zugang zu den Massen finden und werden sie nicht von uns wegstoßen, und so werden wir den zweiten – revolutionäreren – Schritt vorbereiten.

Wir müssen das Beispiel von Frankreich voll ausnutzen. Wir müssen sagen: »Ich warne Euch, Arbeiter, sie (die Bourgeoisie) werden Euch verraten! Schaut Euch nur Pétain an, der ein Freund Hitlers ist. Soll uns in unserem Land dasselbe passieren? Wir müssen unsere eigene Maschinerie schaffen, unter Arbeiterkontrolle.« Wir müssen sorgfältig darauf achten, dass wir uns nicht mit den Chauvinisten oder den konfusen Selbsterhaltungsgefühlen identifizieren, aber wir müssen ihre Gefühle verstehen und uns kritisch an diese Gefühle anpassen, um die Massen zu einem besseren Verständnis der Lage zu führen. Sonst werden wir eine Sekte bleiben, schlimmstenfalls eine pazifistische Sekte.[8]

Trotzki kam in den letzten Tagen seines Lebens wiederholt auf diese Fragen zurück und schlug der SWP verschiedene Mittel und Wege vor, ihre anti-imperialistische Propaganda zu entwickeln und sich gleichzeitig so lange wie möglich die Möglichkeit legaler Arbeit zu sichern. Am 12. August 1940 schrieb er an ein Mitglied der SWP:

Natürlich können wir nicht die Stalinisten imitieren, die jetzt ihre uneingeschränkte Hingabe an die bürgerliche Demokratie verkünden. Aber wir wollen keinen Vorwand für unsere Verfolgung schaffen.

In diesem Fall sollten wir, wie in allen anderen, die Wahrheit sagen, so wie sie ist, dass nämlich die beste, wirtschaftlichste und günstigste Methode für die Massen darin bestünde, die Gesellschaft mit demokratischen Mitteln zu verändern. Demokratie ist außerdem notwendig, um die Massen zu organisieren und zu erziehen. Deswegen sind wir jederzeit bereit, mit unseren eigenen Mitteln die demokratischen Rechte der Bevölkerung zu verteidigen. Aber aufgrund großer historischer Erfahrungen wissen wir, dass die Sechzig Familien die Verwirklichung sozialistischer Prinzipien auf demokratischem Wege niemals zulassen werden. In einem bestimmten Moment werden die Sechzig Familien unweigerlich die demokratischen Institutionen stürzen, oder dies zumindest versuchen, und sie durch eine reaktionäre Diktatur ersetzen. Das geschah in Italien, in Deutschland und vor Kurzem in Frankreich – von weniger wichtigen Ländern ganz zu schweigen. Wir sagen von vornherein, dass wir bereit sind, einen derartigen Versuch mit Waffengewalt zu bekämpfen …

Diese Position entspricht der historischen Realität und ist juristisch unanfechtbar.[9]

Einen Tag später, am 13. August 1940, betonte Trotzki in einem weiteren Brief erneut die Bedeutung der Ereignisse in Frankreich, wo die Bourgeoisie unter Führung von Marschall Pétain in Vichy eine nazifreundliche Diktatur errichtet hatte.

Die Vierte Internationale, erklärte er, müsse die Arbeiter aufrufen,

sich kategorisch zu weigern, Bürgerrechte und Demokratie auf die Art und Weise zu verteidigen wie in Frankreich, dass nämlich die Arbeiter und Bauern Blut und Leben opfern, während die Kapitalisten die alleinige Macht in ihren Händen halten. Den Fall Pétain sollten wir jetzt in den Mittelpunkt unserer Propaganda zum Krieg stellen. Es ist natürlich wichtig, den fortgeschrittenen Arbeitern zu erklären, dass der wirkliche Kampf gegen den Faschismus in der sozialistischen Revolution besteht. Aber dringender und wichtiger ist es, den Millionen von Arbeitern zu erklären, dass sie die Verteidigung ihrer »Demokratie« nicht einem amerikanischen Marschall Pétain überlassen können – und es gibt reichlich Anwärter für diese Rolle.[10]

Es folgte noch ein weiterer Brief zu diesem Thema. Am 17. August 1940 schrieb Trotzki über die »Vorzüge« der antipazifistischen Linie der SWP: »Erstens ist sie ihrem Wesen nach revolutionär und gründet sich auf den gesamten Charakter unserer Epoche, wo alle Fragen nicht nur mit den Waffen der Kritik, sondern auch mit der Kritik der Waffen entschieden werden; zweitens ist sie völlig frei von Sektierertum. Wir stellen den Ereignissen und den Gefühlen der Massen keine abstrakte Heilslehre entgegen.«[11]

Die Militärpolitik der Socialist Workers Party gründete sich also ganz klar auf die Perspektiven, die Trotzki für die Entfaltung revolutionärer Arbeit unter Kriegsbedingungen ausgearbeitet hatte. Während Trotzki keinerlei Zugeständnisse an den Sozialchauvinismus machte, drängte er die SWP mehrmals, einen Weg zu finden, an den ehrlichen und berechtigten Hass der amerikanischen Arbeiter gegen den Hitlerfaschismus zu appellieren.

Dabei ging es nicht nur um rein taktische Überlegungen. Gerade weil der imperialistische Krieg einer extremen Zuspitzung aller Widersprüche des Weltkapitalismus entsprang und diese Widersprüche die objektive Grundlage für kommende Explosionen bildeten, kam es Trotzki vor allem darauf an, die Partei auf die scharfen Veränderungen im Klassenkampf vorzubereiten, die der Krieg hervorrufen würde.

Am Tage seiner Ermordung, am 20. August 1940, setzte er sich mit gerade diesem Problem auseinander. In einem unvollendeten Artikel, an dem er arbeitete, als der GPU-Mörder Ramón Mercader das Haus betrat, legte Trotzki folgende Gedanken nieder:

Der heutige Krieg ist, wie wir schon oft gesagt haben, eine Fortsetzung des letzten Kriegs. Aber Fortsetzung heißt nicht Wiederholung. Fortsetzung heißt in der Regel immer Entwicklung, Vertiefung, Verschärfung. Unsere Politik, die Politik des revolutionären Proletariats gegenüber dem Zweiten Weltkrieg, ist eine Fortsetzung der Politik, die im letzten imperialistischen Krieg ausgearbeitet wurde, in erster Linie unter Lenins Führung. Aber Fortsetzung heißt nicht Wiederholung. Auch in diesem Fall heißt Fortsetzung Entwicklung, Vertiefung und Verschärfung.[12]

Trotzki analysierte das historische Umfeld, in dem Lenin seine Auffassungen über den revolutionären Defätismus ausgearbeitet hatte. Er machte darauf aufmerksam, dass Lenin selbst am Vorabend der Februarrevolution 1917 noch keine sozialistische Revolution in unmittelbarer Zukunft erwartet hatte. Lenins Formulierungen, erklärte Trotzki, waren von der Position ausgegangen, dass die Bolschewiki die »extreme linke Opposition« gegen den imperialistischen Krieg, nicht aber »Anwärter auf die Macht« sein würden.

Zwischen dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 und der Februarrevolution wurde der Kampf um die Arbeitermacht als »Frage einer unbestimmten historischen Perspektive, und nicht als Aufgabe des morgigen Tags« betrachtet. Diese Auffassung schlug sich notwendigerweise in der bolschewistischen Politik zur Kriegsfrage nieder.

Die Aufmerksamkeit des revolutionären Flügels konzentrierte sich auf die Frage der Verteidigung des kapitalistischen Vaterlandes. Die Revolutionäre antworteten darauf natürlich mit Nein. Das war völlig richtig. Diese ausschließlich verneinende Antwort diente als Grundlage für die Propaganda und die Erziehung der Kader, aber die Massen, die keinen fremden Eroberer wollten, konnte man damit nicht gewinnen.

Vor dem Krieg stellten die Bolschewiki in Russland vier Fünftel der proletarischen Avantgarde, d. h. der politisch aktiven Arbeiter (Zeitungen, Wahlen usw.). Nach der Februarrevolution ging die uneingeschränkte Vormachtstellung in die Hände der Vaterlandsverteidiger über, der Menschewiki und der SR. Gewiss, die Bolschewiki eroberten im Laufe von acht Monaten die überwältigende Mehrheit der Arbeiter. Aber dabei war nicht ihre Weigerung entscheidend, das kapitalistische Vaterland zu verteidigen, sondern die Parole »Alle Macht den Sowjets!« … Und nur diese revolutionäre Parole! Die Kritik des Imperialismus, seines Militarismus, die Ablehnung der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie usw. hätte niemals die überwältigende Mehrheit des Volks auf die Seite der Bolschewiki gebracht …[13]

Als Nächstes befasste sich Trotzki mit den Perspektiven des revolutionären Kampfs in den Vereinigten Staaten von Amerika:

Es ist ganz offensichtlich, dass die Radikalisierung der Arbeiterklasse in den Vereinigten Staaten gerade erst ihre Anfangsstadien durchlaufen hat, fast ausschließlich im Bereich der Gewerkschaftsbewegung (der CIO). Die Vorkriegsperiode, und dann der Krieg selbst, können diesen Radikalisierungsprozess zeitweilig unterbrechen, besonders dann, wenn ein beträchtlicher Anteil der Arbeiter in die Rüstungsindustrie einbezogen wird. Aber diese Unterbrechung des Radikalisierungsprozesses kann nicht von langer Dauer sein. Das zweite Stadium der Radikalisierung wird sich deutlicher bemerkbar machen. Das Problem, eine unabhängige Arbeiterpartei zu gründen, wird sich ganz unmittelbar stellen. Unsere Übergangsforderungen werden weite Verbreitung finden. Die faschistischen, reaktionären Tendenzen dagegen werden sich zurückziehen, eine Verteidigungshaltung einnehmen und auf einen günstigeren Zeitpunkt warten. Dies sind die nächsten Aussichten. Nichts ist unwürdiger, als darüber zu spekulieren, ob es uns gelingen wird, eine machtvolle revolutionäre Führungspartei zu schaffen oder nicht. Die Aussichten sind günstig und rechtfertigen voll und ganz revolutionäre Aktivitäten. Die Möglichkeiten, die sich auftun, müssen wir nutzen, um die revolutionäre Partei aufzubauen.

Der Zweite Weltkrieg stellt die Frage einer neuen Regierungsform zwingender, dringlicher als der erste Krieg. Die Frage stellt sich zuallererst auf der Ebene des politischen Regimes. Die Arbeiter sehen, dass die Demokratie überall Schiffbruch erleidet und dass sie selbst in den Ländern vom Faschismus bedroht werden, wo es ihn noch nicht gibt. Die Bourgeoisie in den demokratischen Ländern wird natürlich versuchen, die Angst der Arbeiter vor dem Faschismus auszunutzen, andererseits wird den Arbeitern durch den Bankrott der Demokratien, ihren Zusammenbruch und ihre problemlose Verwandlung in reaktionäre Diktaturen die Frage der Macht aufgezwungen, und deswegen werden sie auf die Frage der Macht ansprechbar sein.[14]

Trotzki versuchte also, das Prinzip des revolutionären Defätismus mit einem möglichst aktiven, konkreten und beweglichen Inhalt zu erfüllen, einen lebendigen und praktischen Zusammenhang zu schaffen zwischen dem Kampf gegen den Krieg und der tatsächlichen Eroberung der Führung der Arbeiterklasse und der Macht.

Selbst heute hat die amerikanische Arbeiterklasse noch keine Massenpartei. Aber die objektive Situation und die gesammelte Erfahrung der amerikanischen Arbeiterklasse können in sehr kurzer Zeit die Frage der Machteroberung auf die Tagesordnung stellen. Von dieser Perspektive muss unsere Agitation ausgehen. Es geht nicht einfach darum, eine Position gegen den kapitalistischen Militarismus zu beziehen, sondern um die direkte Vorbereitung der Machteroberung und der Verteidigung des proletarischen Vaterlandes.[15]

Für Munis jedenfalls waren Trotzkis dialektische Überlegungen zu scharfsinnig. Die Parole des »revolutionären Defätismus« war für ihn einfach eine Gelegenheit, kleinbürgerliche radikale Auftritte zu inszenieren. Trotz seiner links tönenden Vorwürfe gegen Cannon glaubte Munis in Wirklichkeit nicht, dass der »revolutionäre Defätismus« als konkretes Aktionsprogramm die Massen um sich sammeln könne.

Gerade die defensiven Formulierungen, die er angriff, zielten darauf ab, in das Bewusstsein der amerikanischen Arbeiter einzudringen und ihren Hass gegen den Faschismus in einen Hebel für den revolutionären Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus zu verwandeln.

Der Prozess von Minneapolis, den der Renegat Banda jetzt als »kriminellen Verrat« verleumdet, ist Teil des revolutionären Erbes, das das Internationale Komitee der Vierten Internationale verteidigt. Die Socialist Workers Party war die einzige Strömung in der Arbeiterbewegung der USA, die sich gegen den imperialistischen Krieg stellte und gleichzeitig bedingungslos die Sowjetunion in ihrem Kampf gegen den deutschen Faschismus verteidigte und unterstützte.

Abgesehen von Munis äußerte nur eine einzige weitere Seite Kritik an der Militärpolitik der SWP, und zwar ausgerechnet Max Shachtmans kleinbürgerliche Workers Party, das missratene Produkt der Spaltung von 1940. Sie bezeichnete die Politik der SWP als ein »Zugeständnis an den Sozialpatriotismus« und ein »Aufgeben der revolutionären internationalistischen Position«. (»New International«, Januar 1941)

Obwohl Shachtmans Vorwürfe gegen die Militärpolitik der SWP von bombastischer »linker« Rhetorik nur so strotzten, war ihr Klasseninhalt kleinbürgerlicher Pazifismus. Er entlarvte sich in der berühmt-berüchtigten »Labour Action«-Ausgabe vom 12. August 1940, in der Shachtman enthusiastisch John L. Lewis’ Opposition gegen die Aushebung unterstützte: »Im Kampf gegen die Zwangsaushebung stehen wir zu 100 % auf Lewis’ Seite.«

Trotzki schrieb eine schneidende Antwort: »Wir stehen nicht einmal zu 1 % auf Lewis’ Seite, weil Lewis versucht, das kapitalistische Vaterland mit völlig veralteten Mitteln zu verteidigen. Die überwiegende Mehrheit der Arbeiter versteht oder fühlt, dass diese Mittel (Berufsheer von Freiwilligen) vom militärischen Standpunkt aus veraltet und vom Klassenstandpunkt aus außerordentlich gefährlich sind.«[16]

Die Geschichte bewies, dass Shachtmans kleinbürgerlicher Linksradikalismus nur eine Zwischenstation auf seiner politischen Reise in das Lager des amerikanischen Imperialismus war. Die amerikanische Bourgeoisie spürte dies mit sicherem Instinkt, machte sich keine überflüssigen Sorgen über seine sektiererischen Sprüche und ging während des Zweiten Weltkriegs niemals gerichtlich gegen die Workers Party vor.

Nach dem Prozess hielt die SWP ihre defätistische Linie aufrecht und entwickelte sie weiter. James P. Cannon veröffentlichte eine Erklärung zum Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, die am 7. Februar 1942 in »The Militant« erschien.

Die Überlegungen, die vor dem Ausbruch von Kampfhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten und den Achsenmächten unsere Haltung zum Krieg bestimmten, behalten in der neuen Lage ihre volle Gültigkeit.

Wir betrachteten den Krieg als imperialistischen Krieg von Seiten aller beteiligten kapitalistischen Mächte – Deutschland und Frankreich, Italien und Großbritannien.

Die Charakterisierung des Kriegs ergab sich für uns aus dem Charakter der daran beteiligten Staaten. Es sind ausnahmslos kapitalistische Staaten in der Epoche des Imperialismus, sie sind selbst imperialistisch – und unterdrücken andere Länder oder Völker – oder sie sind Satelliten imperialistischer Mächte. Die Ausweitung des Kriegs in den Pazifikraum und der offizielle Eintritt der Vereinigten Staaten und Japans ändert nichts an dieser grundlegenden Analyse.

Wie für Lenin machte es auch für uns keinen Unterschied, welcher imperialistische Bandit den ersten Schuss abgegeben hat; jede imperialistische Macht führt bereits seit einem Vierteljahrhundert ökonomische und politische »Angriffe« gegen jede andere; der Griff zu den Waffen ist nur der Höhepunkt dieses Prozesses, der nicht aufhören wird, solange der Kapitalismus besteht.

Cannon erklärte, dass die SWP den Kampf der UdSSR gegen den deutschen Imperialismus und – trotz Chiang Kai-shek – den Kampf der chinesischen Massen gegen den japanischen Imperialismus unterstützte und fuhr fort:

Keiner der Gründe, die uns verpflichten, die Sowjetunion und China gegen ihre Feinde zu unterstützen, trifft auf England oder Frankreich zu. Diese imperialistischen »Demokratien« sind in den Krieg eingetreten, um ihre Herrschaft über Hunderte von Millionen Menschen unterdrückter Völker in den britischen und französischen Kolonialreichen aufrechtzuerhalten; diese »Demokratien« zu verteidigen bedeutet, die Unterdrückung der Massen in Afrika und Asien zu verteidigen. Vor allem bedeutet es, die verfaulende kapitalistische Gesellschaftsordnung zu verteidigen. Die verteidigen wir nicht, weder in Italien noch in Deutschland, noch in Frankreich oder England – und auch nicht in den Vereinigten Staaten.

Bandas Behauptung, die SWP habe in ihrer Politik Zugeständnisse an die Vaterlandsverteidiger gemacht – wobei er auf dieser Beschuldigung eine ganze Reihe weiterer Angriffe aufbaut, um die Vierte Internationale zu diskreditieren –, ist eine reine Lüge.

Die SWP führte eine unermüdliche Kampagne, um den amerikanischen Imperialismus und seine Verbündeten zu entlarven. Die Ausgaben von »The Militant« während der Kriegszeit sind ein Musterbeispiel dafür, wie Marxisten in der Arbeiterklasse anti-imperialistische Propaganda und Agitation betreiben.

Schwerpunktthemen in der Presse der SWP waren die ständige Aufdeckung der Verfolgung und gewalttätigen Lynchjustiz, der die schwarze Bevölkerung Amerikas während des Kriegs ausgesetzt war; der brutale Anstieg der Ausbeutung durch die Kapitalisten, die im Geschäft mit dem Krieg nach Überprofiten jagten; und die brutale Unterdrückung, mit der der britische Imperialismus gegen den Kampf der asiatischen Massen um Selbstbestimmung vorging. »The Militant« brachte die Verbrechen des britischen Gouverneurs in Ceylon, Sir Andrew Caldecott, weithin sichtbar in die Schlagzeilen und machte publik, wie die Lanka Sama Samaja Party unterdrückt wurde.

Gleichzeitig ließ sie keinen Augenblick den Kampf der indischen Massen gegen den britischen Imperialismus außer Acht. 1942 hieß es in einer Erklärung des Nationalkomitees der SWP:

An ihrem ersten Jahrestag steht die »Atlantik-Charta« als ein fadenscheiniger Deckmantel da, hinter dem das britische Empire seine tyrannische Herrschaft über die Massen in den Kolonien verbirgt. Die indischen Massen bekommen einen Vorgeschmack auf die »vier Freiheiten« von Churchill und Roosevelt, nämlich in Form von Tränengas und Blei. Wir fordern, dass der Terror und die Gewalt gegen das indische Volk sofort eingestellt werden!

Die selbsternannten »Demokraten«, die gestern die britischen Herrscher anflehten, den indischen Massen ein paar Zugeständnisse vor die Füße zu werfen, verleumden heute die Volksbewegung und rechtfertigen ihre Unterdrückung im Namen des Kriegs der »Demokratie gegen den Faschismus«. Damit beweisen sie nur, dass diese Parole Heuchelei ist und sie nichts weiter sind als heruntergekommene Werkzeuge des Imperialismus.[17]

Die SWP bekämpfte alle Kräfte in der Arbeiterbewegung, die den Kriegseintritt der USA damit rechtfertigen wollten, dass nur so der Faschismus gestoppt werden könne. Als der Sozialdemokrat Norman Thomas sofort nach dem Angriff auf Pearl Harbour seinen Pazifismus fallenließ und – genau wie Cannon vorausgesagt hatte – im Januar 1942 erklärte: »Um den weltweiten Triumph des faschistischen Totalitarismus zu stoppen, sehe ich heute keine praktische Alternative außer dem Krieg«, veröffentlichte die SWP eine beißende Antwort:

Der Sieg im letzten Weltkrieg hat die anglo-amerikanischen Alliierten nicht gerettet, und wenn sie auch den jetzigen Krieg gewinnen, dann werden sie erst recht zum Teufel gehen. Die Wurzel aller politischen, sozialen und ökonomischen Reaktion von heute liegt im Zerfall des Weltkapitalismus. Der Krieg bringt so viel Zerstörung mit sich, dass das kapitalistische System nur noch vom Regen in die Traufe kommen kann, von Reaktion zu noch finsterer Reaktion, egal, welches Kapitalistenbündnis als Sieger hervorgeht. Es ist nicht gesagt, dass das Hitler-System schon die schlimmste Erscheinung ist, die der kapitalistische Verfall mit sich bringt! Ebenso wenig ist ein Sieg Englands oder der USA die geringste Garantie gegen die Errichtung des Faschismus in diesen Ländern! …

Thomas sagt sich in seiner Erklärung nicht nur vom Sozialismus los, sondern auch von den pazifistischen Phrasen, mit denen er seine Anhänger vor dem Krieg eingeschläfert hat … Jetzt zeigt er sein wahres Gesicht: ein schmieriger Heuchler, der hinter dem sozialpatriotischen Aufmarsch herhumpelt, an dessen Spitze die Stalinisten, Sozialdemokraten und offiziellen Gewerkschaftsführer marschieren.[18]

Der Standpunkt der Trotzkisten versetzte die Stalinisten von der amerikanischen Kommunistischen Partei, die damals Roosevelts politische Polizei in der Arbeiterbewegung bildeten, in helle Wut. Sie versuchten, Banden für den Lynchmord an SWP-Mitgliedern zu organisieren. Ein typisches Beispiel für die Aktivitäten der Kommunistischen Partei gegen die Trotzkisten während des Kriegs war ein Betriebsflugblatt mit der Überschrift: »Hitlers Agenten vor euren Toren!«

In dem Flugblatt hieß es: »The Militant ist ein Propagandaorgan der Nazis. Kein patriotischer amerikanischer Arbeiter wird sich die Hände schmutzig machen und eine Ausgabe dieses Blatts der Fünften Kolonne anfassen.«[19]

Trotz unzähliger derartiger Provokationen konnten die Stalinisten nicht verhindern, dass »The Militant« vor den Großbetrieben verkauft wurde. Sobald die Roosevelt-Regierung einmal begriffen hatte, dass sie die Trotzkisten auch dann nicht zum Schweigen bringen konnte, wenn sie ihre Führer einsperrte, unternahm sie Schritte, um den Postvertrieb von »The Militant« dadurch zu unterbinden, dass sie der Zeitung das Recht auf verbilligte Zustellung entzog. In einem Brief an den Postminister erklärte der Justizminister, Francis Biddle, am 28. Dezember 1942 die Gründe für diese Strafmaßnahme:

Im Rahmen der engen Zusammenarbeit zwischen Ihrem und meinem Ministerium, was Fragen gemeinsamen Interesses betrifft, übermittle ich Ihnen heute Informationen bezüglich »The Militant«, einer wöchentlich erscheinenden Druckschrift, herausgegeben von The Militant Publishing Association, 116 University Place, New York, N. Y.

Seit dem 7. Dezember 1941 ruft dieses Blatt die Volksmassen offen auf, den Krieg nicht zu unterstützen. Es ist durchtränkt von der These, dass der Krieg nur zu Gunsten der herrschenden Gruppen geführt wird und nur dazu dienen soll, die Versklavung der arbeitenden Klassen aufrechtzuerhalten. Mit Nachdruck wird darin behauptet, der heutige Krieg sei nur ein imperialistischer Streit um das größere Stück vom Kuchen und gehe zu Lasten des Lebens und der Lebensbedingungen des Volks, das ihn deshalb nicht unterstützen solle. Unter anderem wird in diesem Blatt die Demokratie lächerlich gemacht und die »vier Freiheiten« als heuchlerischer Schwindel bezeichnet; es finden sich darin antibritische Attacken; den Vereinigten Staaten wird Zusammenarbeit mit den Faschisten vorgeworfen; darüber hinaus heizt dieses Blatt Rassen- und alle möglichen das Volk spaltenden Fragen an und zielt damit offensichtlich darauf ab, Opposition gegen den Krieg zu schüren und die Moral der Streitkräfte zu untergraben. Ich füge diesem Brief ein Memorandum bei, das ausschließlich aus Auszügen von »The Militant« seit dem 7. Dezember 1941 besteht.

Möglicherweise könnten Sie den Wunsch haben, eine Anweisung herauszugeben und feststellen zu lassen, warum »The Militant« nicht zweiter Klasse verschickt werden dürfte. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass ich in früheren derartigen Fällen auf Punkt 3 Absatz I des Spionagegesetzes von 1917 verwies, sowie auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten im Prozess Milwaukee Publishing Company gegen Burleson, 255 U. S. 407 (1921), die dem Postminister das Recht einräumt, denjenigen Druckerzeugnissen das Recht auf die Vorteile der Verschickung zweiter Klasse zeitweilig oder endgültig zu entziehen, die über eine gewisse Zeitspanne hinweg andauernd aufrührerische Texte veröffentlichen.

Mein Ministerium wird bei allen Schritten, die Sie für ratsam halten, uneingeschränkt mit Ihnen zusammenarbeiten.[20]

Dieses Dokument vom Schreibtisch von Roosevelts Justizminister ist die völlig unwiderlegbare Antwort auf Bandas Verleumdung über »Cannons politische Feigheit« im Zweiten Weltkrieg.


[1]

James P. Cannon, Socialism on Trial, New York 1973, S. 119.

[2]

Ebd., S. 120.

[3]

Ebd., S. 105.

[4]

Leon Trotsky, Writings of Leon Trotsky [1939–40], New York 1973, S. 253.

[5]

Ebd., S. 256.

[6]

Ebd., S. 257.

[7]

Ebd., S. 331.

[8]

Ebd., S. 332–334.

[9]

Ebd., S. 343.

[10]

Ebd., S. 344.

[11]

Ebd., S. 392.

[12]

Ebd., S. 411.

[13]

Ebd., S. 411–412.

[14]

Ebd., S. 412–413.

[15]

Ebd., S. 414.

[16]

Leo Trotzki, Verteidigung des Marxismus, Essen 2006, S. 218.

[17]

The Militant, 15. August 1942.

[18]

The Militant, 14. Februar 1942.

[19]

The Militant, 14. März 1942.

[20]

The Militant, 30. Januar 1943.