David North
Das Erbe, das wir verteidigen

Die SWP und der amerikanische Stalinismus

Bandas Versuch, die Kontroverse von 1940 als ein frühes Symptom des »stalinophoben« Antikommunismus darzustellen, ist eine unverfrorene Verleumdung. Nicht einen Augenblick gab es in der Diskussion auch nur die leiseste Andeutung, dass die Socialist Workers Party sich nicht ihrer Klassenpflicht bewusst gewesen wäre, die Stalinisten gegen den kapitalistischen Staat zu verteidigen.

Die SWP hatte gerade einen langen Fraktionskampf hinter sich, in dessen Verlauf Cannon in enger Zusammenarbeit mit Trotzki erbittert gegen die kleinbürgerliche Minderheit um Burnham und Shachtman gekämpft hatte. Burnham und Shachtman lehnten die Verteidigung der Sowjetunion ab und begründeten dies mit der Herrschaft der totalitären stalinistischen Bürokratie. Auf einer Parteikonferenz im September 1940 fasste Cannon die wichtigsten Lehren aus dem Kampf gegen Burnham und Shachtman zusammen:

In diesem Zusammenhang muss man sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass sich unsere Auseinandersetzung mit dem kleinbürgerlichen Ideologen Shachtman über die Frage entzündete, wie wir die Stalinisten einschätzen.

Ihr werdet Euch daran erinnern, wie sich der eigentliche Zusammenstoß mit Burnham und seinen Anhängern bereits während der Autokrise vor beinahe zwei Jahren in ihrer Haltung zur Spaltung der Autogewerkschaft ankündigte. Obwohl sich die große Masse der Arbeiter der CIO anschloss – und damit auch den Stalinisten –, versuchte Burnham uns dazu zu bewegen, Martin zu unterstützen, ja sogar auf die AFL zuzugehen. Er begründete dies mit der Theorie, dass die Stalinisten kein wirklicher Bestandteil der Arbeiterklasse seien.

Die ganze Sache spitzte sich erneut bei der Polen-Invasion zu, als Burnham dafür eintrat, dass die Partei direkt die Rote Armee angreifen sollte, und zwar mit der theoretischen Begründung, die Sowjetunion sei »imperialistisch«.

Als dann Browder wegen einer offensichtlich erlogenen Passgeschichte von der Regierung verfolgt wurde, wandte sich Burnham dagegen, dass wir Browder verteidigen, und begründete dies damit, dass er kein Vertreter einer legitimen Tendenz in der Arbeiterbewegung sei. Er übersah dabei, dass Browder in seiner Eigenschaft als Agent der sowjetischen Bürokratie indirekt die größte Arbeiterorganisation der Welt vertrat, nämlich den sowjetischen Staat.

Was Burnham zu dieser Position trieb, war vor allem der Druck des demokratischen Imperialismus in den Vereinigten Staaten. Die Stalinisten lagen sich gerade mit der Roosevelt-Regierung in den Haaren, und die »Unversöhnlichkeit« von Burnham und seiner Fraktion war lediglich eine billige und bequeme Methode, sich an das Geschrei der bürgerlichen Demokraten anzupassen. Sie kamen dann zu dem Schluss, die KP in keiner Weise als eine Tendenz der Arbeiterbewegung anzuerkennen. Niemand von uns hat hier einen derartigen Standpunkt vertreten.[1]

Dieses Zitat beweist, dass Banda unaufrichtig ist und Cannon und der SWP gerade die Position zuschreibt – die Weigerung, den Stalinismus als legitime Tendenz in der Arbeiterbewegung anzuerkennen –, die in Wirklichkeit von Burnham vertreten und von der SWP bis zu einer Spaltung hin bekämpft wurde.

Aber vielleicht war die Position der SWP 1939–1940 und Cannons Erklärung 1940 nur eine zeitweilige Abweichung von Cannons »stalinophober« Position, zu der die SWP dann bald darauf zurückkehrte?

Im August 1946, mitten in dem Kampf gegen die rechte Morrow-Goldman-Fraktion – auf die wir später noch zurückkommen werden – legte das Politische Komitee der SWP eine ausführliche theoretische Analyse der Shachtman-Tendenz vor. Sie trug den Titel »Revolutionärer Marxismus oder kleinbürgerlicher Revisionismus«. In diesem Dokument wurden systematisch die programmatischen Differenzen zwischen der Socialist Workers Party und Shachtmans Workers Party herausgearbeitet, mit der Morrow und Goldman die SWP vereinigen wollten. In dem Kapitel »Unsere unterschiedlichen Einschätzungen der stalinistischen Parteien« erklärte das Politische Komitee der SWP:

Der Bruch der Workers Party mit unserem Programm zur russischen Frage hat sehr scharfe Differenzen zu uns hervorgerufen, die unsere Einschätzung der stalinistischen Parteien und unser taktisches Herangehen an diese betreffen. In diesem, wie auch in anderen Bereichen, spielte Burnham den Vorreiter. Er schlug 1937 im Politischen Komitee der SWP vor, dass wir die Stalinisten aus der Arbeiterbewegung streichen und sie so behandeln wie Nazis oder faschistische Parteien. Die Workers Party nörgelte ununterbrochen an unserer Einschätzung der stalinistischen Parteien herum und landete schließlich bei Burnhams Position von 1939, oder jedenfalls bei einer, die ihr sehr nahe kam …

… Wir betrachten die stalinistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern als Arbeiterparteien unter einer verräterischen Führung, ähnlich wie die sozialdemokratischen Verräter. Wir wissen natürlich, dass die sozialdemokratischen Bürokraten Agenten ihres jeweiligen einheimischen Kapitalismus sind, während die stalinistischen Bürokraten Agenten der Kreml-Oligarchie darstellen. Aber eines haben sie gemeinsam: Sie können nicht für die Arbeitermacht kämpfen, und sie wollen auch nicht die Macht übernehmen, es sei denn in ihrer Eigenschaft als Agenten des Kapitalismus und für gewöhnlich in Zusammenarbeit mit dessen unmittelbaren Vertretern.[2]

Im April und Mai 1947 schrieb Cannon für »The Militant« eine Artikelserie, die unter dem Titel »Stalinismus und Antistalinismus in Amerika« (»American Stalinism and Anti-Stalinism«) erschien und später als Broschüre herausgegeben wurde. Diese Artikelserie entstand nach einer Polemik mit Ruth Fischer, einem ehemaligen Führungsmitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands, die sich bereit erklärt hatte, vor dem »Ständigen Untersuchungsausschuss über antiamerikanische Umtriebe« auszusagen. Cannon definierte darin die Haltung der SWP im Kampf gegen den Stalinismus.

Es ist allgemein bekannt, dass wir seit geraumer Zeit und auch heute Gegner des Stalinismus und Gegner jeder Versöhnung mit dem Stalinismus sind. Dafür stehen wir seit über 18 Jahren. Wir arbeiten gern mit anderen Gegnern des Stalinismus zusammen, aber diese Zusammenarbeit kann unserer Meinung nach nur dann Früchte tragen, wenn eine einigermaßen grundlegende Übereinstimmung in der Einschätzung des Stalinismus besteht. Darüber hinaus muss klar sein, dass der Kampf gegen den Stalinismus Bestandteil des umfassenden Kampfs gegen den Kapitalismus ist und davon weder getrennt ist noch im Widerspruch dazu steht.

Um jedem Missverständnis vorzubeugen, wollen wir unsere Position von Anfang an klarstellen. Wir glauben, dass der größte und bedrohlichste Feind des Menschengeschlechts die imperialistische Zweiparteienbande in Washington ist. Wir betrachten den Kampf gegen Krieg und Reaktion in den USA als erste und wichtigste Pflicht amerikanischer Revolutionäre. Dies ist die notwendige Voraussetzung für eine Zusammenarbeit im Kampf gegen die Stalinisten. Wer in diesem Punkt nicht mit uns übereinstimmt, versteht die wirkliche heutige Weltlage nicht und spricht nicht unsere Sprache.

Es ist für jeden ernsthaften, klassenbewussten Arbeiter von entscheidender Bedeutung, den heimtückischen Charakter des Stalinismus zu verstehen, und alle Antistalinisten, die auch Antikapitalisten sind, sollten versuchen zusammenzuarbeiten. Aber Antistalinismus allein ist kein Programm für einen gemeinsamen Kampf. Dieser Begriff ist zu breit gefasst, und jeder stellt sich etwas anderes darunter vor. Es gibt heute mehr Antistalinisten als vor 18 Jahren, als wir unseren Kampf aufnahmen, besonders in unserem Land, wo der Stalinismus schwach und der Trumanismus stark ist. Besonders zahlreich sind sie in New York, und nicht alle sind Heuchler. Aber unter den lärmenden Antistalinisten von heute gibt es nur wenige, die mit uns oder mit denen wir irgendetwas zu schaffen haben. Der Grund ist nicht, dass wir oder sie dünkelhaft und streitsüchtig sind, sondern dass wir von verschiedenen Grundlagen ausgehen, den Kampf mit verschiedenen Methoden führen und auf verschiedene Ziele hinarbeiten …

Der Stalinismus ist zunächst einmal eine politische Strömung in der Arbeiterbewegung der kapitalistischen Länder. Und er übt seinen Einfluss in der Hauptsache nicht als Polizeitruppe oder Terroristenbande aus, sondern als politische Partei. Der Kampf gegen den Stalinismus ist vor allem und zuallererst ein politischer Kampf. Dieser politische Kampf wird bei den radikalisierten Arbeitern – und auf sie kommt es an – nur dann ernst genommen und anerkannt werden, wenn er von Anfang bis Ende klar und eindeutig antikapitalistisch ist. Auf eine Propaganda, die auch nur eine Spur Truman-Politik enthält oder zu enthalten scheint, werden die antikapitalistischen Arbeiter in Europa nicht hören. Die Sorte »Antistalinismus«, die in den USA zurzeit gerade in Mode ist, taugt absolut nicht für den Export.[3]

In dem sechsten Artikel der Serie, unter der Überschrift »Ist die Kommunistische Partei eine Arbeiterorganisation?«, schrieb Cannon:

Der Stalinismus ist ein neues Phänomen des letzten Vierteljahrhunderts und in vieler Hinsicht einzigartig. Aber das ändert nichts an der grundlegenden Tatsache, dass er eine Tendenz in der Arbeiterbewegung darstellt. Er ist in den Gewerkschaften verwurzelt und übt einen Einfluss auf einen Teil der fortgeschrittenen Arbeiter aus. Gerade aus diesem Grund ist er ein so großes Problem und Hindernis für den Befreiungskampf der Arbeiter. Unserer Meinung nach kann man keinen wirklichen Kampf gegen den Stalinismus führen, wenn man nicht von dieser Grundlage ausgeht. Der Stalinismus ist ein internes Problem der Arbeiterbewegung und kann, wie alle internen Probleme, nur von den Arbeitern selbst gelöst werden.[4]

1953 stellten sich die amerikanischen Pablisten in der SWP gegen die »veraltete antistalinistische Linie in Cannons Broschüre« und warfen ihm vor, sie sei »Bestandteil des vulgären ›Antistalinismus‹, mit dem wir uns wiederholt in einem Bereich nach dem anderen herumschlagen mussten«.

Wir haben jetzt untersucht, welche Politik die SWP 1940, 1946 und 1947 in der Frage des Stalinismus vertrat, und anhand der überlieferten Dokumente bewiesen, dass der Vorwurf, die SWP habe die Kommunistische Partei nicht als legitimen Bestandteil der Arbeiterklasse anerkannt, eine Fälschung ist. Cannon hat betont, dass die Voraussetzung für den Kampf gegen den Stalinismus darin besteht, anzuerkennen, dass er ein Bestandteil der Arbeiterbewegung ist und dass seine Vertreter bedingungslos gegen Angriffe der Kapitalisten und ihres Staats verteidigt werden müssen.

Hiermit könnten wir diesen Punkt eigentlich abschließen. Ein unparteiischer Beobachter wird sicherlich aufgrund der bisher vorgelegten Materialien zu dem Schluss kommen, dass Banda entweder ein schlechter Historiker oder ein elender Lügner ist. Aber schließlich haben wir versprochen, Bandas Fälschungen nach allen Seiten hin gründlich zu entlarven. Wir bitten also den Leser um Geduld und wollen weiterackern.

Bandas Anschuldigung, Cannon habe ein »in schamloser und unergründlicher Manier zu der Hinrichtung der Rosenbergs« geschwiegen und eine »abstoßende politische Gleichgültigkeit gegenüber der Verfolgung der Kommunistischen Partei der USA« an den Tag gelegt, ist eine schmutzige Lüge. Aber damit ist Banda noch nicht zufrieden. Er erfindet auch flugs ein Motiv für das Verhalten, das er Cannon andichtet. Der SWP-Führer, behauptet er, habe sich an »linke Demokraten« angepasst. Leider erklärt uns Banda nicht, was er unter »linken Demokraten« versteht. »Linke Demokraten« sind schon immer seltene Tiere gewesen, aber in den frühen fünfziger Jahren, während McCarthys Kommunistenhatz, war diese Spezies ausgestorben. Den Vorwurf, Cannon habe sich an »linke Demokraten« – angenommen, es hätte welche gegeben – angepasst, hat sich Banda von A bis Z aus den Fingern gesaugt.

Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre verteidigte die SWP ununterbrochen die Kommunistische Partei gegen die Hetze und die juristischen Verfolgungen, die mit dem Kalten Krieg einsetzten. Die KP dagegen weigerte sich, ihrerseits die SWP zu verteidigen. Noch als ihre Führer von der US-Regierung vor Gericht gestellt wurden, unterstützte die Kommunistische Partei die Hexenjagd gegen SWP-Mitglieder wie zum Beispiel den »Veteranen ohne Beine«, James Kutcher.

Als 1948 zwölf stalinistische Führer unter dem Smith Act verurteilt wurden, nahm die SWP öffentlich Stellung, wie sie es mit der Verteidigung der Stalinisten hielt. Als sieben Jahre zuvor dasselbe Gesetz gegen Cannon und andere SWP-Führer eingesetzt worden war, hatte die KP gejubelt. In einem Brief vom 28. Juli 1948 schlug Farrell Dobbs im Namen des Politischen Komitees der SWP dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei vor, eine Einheitsfront zu bilden, um gegen die Strafverfolgung zu kämpfen.

Die Tatsache, dass zwölf Führer Eurer Partei unter dem Smith Act verurteilt wurden, zeigt erneut, dass die Herrschenden in Washington mit diesem Knebelgesetz über eine teuflische Waffe verfügen, die auf die politischen Organisationen der Arbeiterklasse und die Gewerkschaftsbewegung abzielt …

Jetzt, wo Ihr angegriffen werdet, bieten wir, die ersten Opfer des Smith Act, Euch unsere Hilfe an. Wir sind davon überzeugt, dass nur ein vereinter Kampf der gesamten Arbeiterbewegung – all ihrer unterschiedlichen Strömungen – diese Verschwörung besiegen kann, die Euch Eurer demokratischen Rechte beraubt …

Lasst nicht zu, dass die tiefen politischen Differenzen zwischen Eurer und unserer Partei einer Einheitsfront der Arbeiterklasse zur Verteidigung der Bürgerrechte im Weg stehen. Ihr habt zwar die Trotzkisten nicht verteidigt, als wir unter dem Smith Act verfolgt wurden, aber wir haben bereits öffentlich gegen die Urteile gegen Euch Stellung bezogen und sind voll und ganz bereit, Euch auch weiterhin bei Eurer Verteidigung zu unterstützen.[5]

Dieser Aufruf, den die Stalinisten niemals beantworteten, entsprach der Politik der SWP, alle Organisationen der Arbeiterklasse gegen Angriffe des Staats zu verteidigen. Aber dann kommt Banda zu den Rosenbergs, deren Hinrichtung angeblich »ignoriert« wurde, während sich Cannon an die »linken Demokraten« anpasste. Wir wollen also auch dies nachprüfen.

Julius und Ethel Rosenberg wurden am 19. Juni 1953 hingerichtet. In der Ausgabe von »The Militant« vom 1. Juni 1953 lautete die Schlagzeile auf der ersten Seite: »Hexenjäger treiben glückloses Ehepaar auf Todesstuhl«. Die SWP brandmarkte das »feige Schweigen der offiziellen Gewerkschaftsvertreter« und richtete einen Aufruf an »alle Gewerkschaftsmitglieder im ganzen Land, von ihren Gewerkschaften und offiziellen Vertretern Taten zu verlangen«.

»Noch können die Rosenbergs gerettet werden«, erklärte »The Militant«, »es muss alles getan werden, um dem Henker das Handwerk zu legen.«

In der folgenden Ausgabe vom 8. Juni 1953 trug »The Militant« die Schlagzeile: »Fordert Schluss mit dem Justizmord der Hexenjäger an Rosenbergs«. Auf der Titelseite war außerdem ein Kommentar: »Die Arbeiter müssen gegen dieses Unrecht kämpfen«.

Eine Woche später, in der Ausgabe vom 15. Juni 1953, lautete die Schlagzeile: »Verzweifelter Kampf um Begnadigung im Rosenberg-Prozess – Weltweit wachsender Protest, um Ehepaar zu retten«. Außerdem war auf der ersten Seite ein offizieller Aufruf, in dem die SWP eine Begnadigung forderte; unterzeichnet hatte der nationale Sekretär, Farrell Dobbs.

In der folgenden Ausgabe, die am 22. Juni 1953 erschien und wenige Stunden vor der Hinrichtung gedruckt wurde, trug »The Militant« die Schlagzeile: »Regierung verlangt nach Blut, Gericht verurteilt die Rosenbergs.« Auf der ersten Seite wurde zudem über eine Kundgebung berichtet, die die SWP zur Verteidigung der Rosenbergs organisiert hatte.

In der Ausgabe vom 29. Juni 1953 schließlich erscheint auf Seite eins ein Leitartikel unter der Überschrift: »Weltweite Empörung wegen Mord an Rosenbergs«.

Ganz eindeutig hat die SWP die Stalinisten gegen staatliche Angriffe verteidigt. Was also ist von Bandas Behauptung zu halten, in »Cannons Artikeln über Stalinismus findet sich eine abstoßende politische Gleichgültigkeit gegenüber der Verfolgung der Kommunistischen Partei. Sie bestätigen den Vorwurf, dass er niemals in Betracht zog, die KP als legitimen Bestandteil der Arbeiterklasse anzusehen?«

Politische Gleichgültigkeit gegenüber der Verfolgung der Kommunistischen Partei kann nichts anderes bedeuten als die Weigerung, die Kommunistische Partei zu verteidigen – und das behauptet Banda, wenn er im nächsten Absatz über Cannons »feige Enthaltsamkeit« spricht. Dies ist, wie wir nachgewiesen haben, eine Lüge. In seinem Angriff auf Cannons Schriften über den Stalinismus plappert Banda einfach die pablistische Linie von Cochran und Clarke nach, die nicht damit einverstanden waren, dass die politische Verteidigung der Kommunistischen Partei gegen die kapitalistische Hetzjagd für Cannon nicht bedeutete, den Stalinisten eine politische Amnestie zu gewähren.

Die Pablisten wollten die Sympathie, die den Stalinisten wegen ihrer Verfolgung zuteilwurde, ausnutzen, um eine versöhnlerische Stimmung gegenüber diesen Verrätern zu schaffen. Cannon wies diesen hinterhältigen Versuch zurück, die Hexenjagd auszunutzen, um in Form von prostalinistischem Versöhnlertum Revisionismus in die SWP zu tragen. Deshalb warfen ihm die Pablisten »Stalinophobie« vor.

Bandas letzter »Beweis« für Cannons »Stalinophobie« bezieht sich auf die Reaktion der SWP auf die US-Intervention in Korea. »Es war ebenso wenig ein Zufall, dass in ›The Militant‹ zu Beginn des Korea-Kriegs eine neutral-pazifistische Position vertreten wurde und dass Cannons Eingreifen in diese Episode mehr in Richtung einer pazifistisch-moralischen Empörung gegen den Krieg ging, als sie einer revolutionär-defätistischen Opposition nahekam – ähnlich wie North’ Opposition gegen den Einmarsch in Grenada.«

Hier stützt sich Banda abermals auf Anschuldigungen, die in dem pablistischen Dokument »Die Wurzeln der Parteikrise« auftauchten. Um ihre liquidatorische Linie zu untermauern, versuchten Cochran und Clarke zu beweisen, dass die Position der SWP zu den Stalinisten sie in das Lager des US-Imperialismus führte. Angeblich wurde dies durch die Reaktion der SWP auf Korea bewiesen. Cochran und Clarke schrieben:

Die erste Reaktion auf den Korea-Krieg, die unter der direkten Anleitung des PK in unserer Wochenzeitung veröffentlicht wurde, bestand in einer neutralen Position, die beide Seiten, den Kreml und den amerikanischen Imperialismus, gleichermaßen verurteilte. Unsere Position ähnelte in gewisser Weise der Position der POUM und der jugoslawischen KP und war auch nicht allzu weit von Shachtmans Position entfernt. Der Korea-Krieg war die erste große Krise nach dem Krieg und stellte alle früheren Auffassungen auf die Probe. Er bewies, dass Cannons Grundauffassung, die Hauptgefahr gehe von »versöhnlerischen Tendenzen gegenüber dem Stalinismus« aus, völlig unzutreffend war. Im Gegenteil, unter dem enormen momentanen Druck neigte das Politische Komitee sofort zu einer Position, die eher in die entgegengesetzte Richtung ging, nämlich Neu­tralität. Das PK hat diese Position zwar unter dem Druck anderer führender Genossen innerhalb sehr kurzer Zeit korrigiert. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass eine Position eingenommen wurde, die sich auf halbem Wege mit Shachtman traf.[6]

In den ersten drei Ausgaben von »The Militant« nach Ausbruch des Kriegs Ende Juni 1950 hatte es zwar Schwächen gegeben, aber diese gingen nicht in Richtung einer »neutralen« Position und hatten auch nichts mit Shachtman zu tun. Shachtman unterstützte den US-Imperialismus. Was die jugoslawische KP angeht, so zeigte sich Titos Unfähigkeit, politisch mit dem Stalinismus zu brechen und einen prinzipiellen Kampf gegen ihn aufzunehmen, darin, dass er die »Polizeiaktion« der Vereinten Nationen in Korea unterstützte. (Zu der Position der POUM können wir nichts sagen, weil uns hierzu keine Dokumente vorliegen.)

Schon in ihren ersten Artikeln bezog die SWP Stellung gegen die US-Intervention und verurteilte die Truman-Regierung und die Vereinten Nationen. Am 3. Juli 1950 erschien »The Militant« mit der Schlagzeile: »Hände weg vom Recht des koreanischen Volks auf Selbstbestimmung«.

Die Hauptschwäche der ursprünglichen Position der SWP zu Korea bestand darin, dass sie nicht erkannte, dass der Kampf der nordkoreanischen Massen eine revolutionäre Bewegung von Unterdrückten gegen den Imperialismus war. Der Ausbruch des Kriegs wurde durch eine eher beschränkte Brille nur als politischer Konflikt zwischen dem US-Imperialismus und den sowjetischen Stalinisten gesehen.

Cannon, der bei Ausbruch des Kriegs gerade in Kalifornien war, griff hier entscheidend ein, um diese Position zu ändern, und äußerte seine Unzufriedenheit mit der politischen Linie der SWP. Er flog nach New York zu einer erweiterten außerordentlichen Sitzung des Politischen Komitees und sagte dort am 22. Juli 1950 Folgendes:

Was in Korea geschieht, ist Teil des kolonialen Kampfs gegen den amerikanischen Imperialismus. Wir sollten dieselbe Position einnehmen wie zu China und in diesem Fall sogar noch schärfer auftreten, weil die USA direkt eingegriffen haben.

Unserer Einschätzung nach ist dies einer der wichtigsten Faktoren in der weltpolitischen Entwicklung. Die Bewegung dieses asiatischen Volks zeichnet sich durch eine großartige Stärke aus. Dieses Volk ist keineswegs eine von Moskau gesteuerte Marionette. Wir haben es mit einer wirklichen Volksbewegung zu tun, die zurzeit der revolutionärste Faktor auf der ganzen Welt ist. Wir müssen dazu eine unzweideutige Position beziehen. Es wird immer klarer, dass sich hier eine Bewegung der asiatischen Völker gegen die amerikanische Militärmacht entwickelt.

Die korrekten Forderungen tauchen alle an der einen oder anderen Stelle in unserer Zeitung auf. Aber sie sind zu verstreut und treten zu sehr hinter den Schuldzuweisungen an beide Seiten zurück. Folgende Forderungen müssen im Zentrum unserer Kampagne stehen: Raus aus Korea; Raus aus dem Orient; Rückzug der Truppen; Lasst die Koreaner ihre Angelegenheiten selbst regeln.

Die Tatsachen beweisen eines – und nach der Erfahrung mit China lernen wir dies allmählich und eignen es uns an: dass es sich hier um echte revolutionäre Bewegungen riesiger Volksmassen handelt, an denen sich Millionen beteiligen. Das einzige Unglück besteht darin, dass sie überall unter stalinistischer Vorherrschaft beginnen. Aber wenn wir ihnen deshalb unsere Unterstützung entziehen oder diese durch Einschränkungen abschwächen würden, dann liefe das auf dieselbe Position hinaus, die Shachtmans Leute ausdrücklich und in extremer Form vertreten. Die finden immer einen Grund, sich aus wirklichen Kämpfen herauszuhalten.

Nicht genug damit, dass dies echte revolutionäre Bewegungen sind, die in der ganzen Welt ein enormes revolutionäres Potenzial darstellen, sie streben durch ihre Entwicklung auch nach Unabhängigkeit. Wir haben aus der jugoslawischen Entwicklung gelernt. Ich bezweifle stark, ob der Kreml diese riesigen Bewegungen in Asien unbeschränkt fernsteuern kann.

Wenn der amerikanische Imperialismus sein räuberisches Militärprogramm für die Herrschaft über den Orient entwickelt, dann darf sich in unserer Politik keine Spur davon finden, dass »beide Seiten gleichermaßen verantwortlich« sind. Dutzende und Hunderte von Millionen Menschen beteiligen sich an dem kolonialen Aufstand. Sie können sehr wohl die Kraft sein, die alles entscheidet. Wir müssen alle diese Bewegungen unterstützen, ungeachtet dessen, dass sie momentan unter der Führung der Stalinisten stehen – die Aufstandsbewegungen auf den Philippinen, in Indonesien, in China selbst und in Korea.

Unserer Meinung nach müssen wir jetzt, in dem konkreten Fall von Korea, eine Politik vertreten, die nicht nur für hier und heute gilt, sondern ein Muster für unsere Reaktion auf noch kommende amerikanische Abenteuer bildet. Wie wir sie genau ausformulieren werden, welche spezifischen Parolen wir in jedem einzelnen Fall aufstellen werden – das können wir dann jeweils besprechen. Aber über die Hauptfrage sollten wir uns absolut im Klaren sein. Das sollte in der Zeitung als Achse unserer Politik dienen. Schärferer Anti-Imperialismus! Härtere Verteidigung der kolonialen Bewegung![7]

Cannons Eingreifen stellte die SWP in das Zentrum des Kampfs, die koreanische Revolution gegen den US-Imperialismus zu verteidigen. Aufgrund der Diskussion auf der erweiterten Sitzung des Politischen Komitees schrieb Cannon eine öffentliche Stellungnahme, in der die US-Intervention verurteilt wurde. Diesen bekannten Artikel, der in Form eines öffentlichen Briefs an Präsident und Kongress verfasst war, diffamiert Banda ohne Umstände als »pazifistisch-moralische Empörung … ähnlich wie North’ Opposition gegen den Einmarsch in Grenada«.

Cannon hatte auch seine Schwächen, machte schwerwiegende Fehler und beugte sich im letzten Jahrzehnt seiner langen Arbeit in der revolutionären Bewegung dem gewaltigen Klassendruck, der auf der SWP gelastet hatte. Aber in der Stellungnahme zum Korea-Krieg zeigten sich seine starken Seiten. Er hatte im Verlauf von 50 Jahren in der Arbeiterbewegung große Fähigkeiten als Agitator entwickelt. Er hatte ein »Gespür« für die amerikanische Arbeiterklasse, was Trotzki sehr schätzte. Aus diesem Grund bezeichnete er Cannons Beitrag zu dem Kampf gegen Burnham und Shachtman, die Schrift »Der Kampf für eine proletarische Partei«, als Werk eines »wirklichen Arbeiterführers«.

In seiner öffentlichen Stellungnahme gegen den Korea-Krieg, die mitten in der Kommunistenhatz der McCarthy-Zeit erschien und aus rechtlichen Gründen in Form einer persönlichen Erklärung verfasst wurde (um die Parteiorganisation zu schützen), versuchte Cannon, einen Zugang zum Bewusstsein der amerikanischen Arbeiter zu finden, an ihre Klassensolidarität und ihr Misstrauen gegen die Kapitalisten zu appellieren, ihrem instinktiven Hass gegen Militarismus und Unterdrückung Ausdruck zu verleihen und die wichtigsten Fragen, die durch die US-Invasion aufgekommen waren, zu beantworten. Vielleicht hat Banda etwas gegen Cannons Stil, aber das ist keine Rechtfertigung für die absurde Behauptung, die Stellungnahme des SWP-Führers habe schlicht in »pazifistisch-moralischer Empörung« bestanden. Wir werden die wichtigsten Absätze aus dem öffentlichen Brief vom 31. Juli 1950 zitieren:

Meine Herren,

Ich bin mit Ihren Aktionen in Korea nicht einverstanden, und in meiner Eigenschaft als privater Bürger fordere ich Sie auf, Ihre Politik grundlegend zu ändern:

Ziehen Sie die amerikanischen Truppen zurück und lassen Sie das koreanische Volk in Ruhe.

Meine Gründe für diese Forderungen werde ich in den folgenden Absätzen in allen Einzelheiten darlegen. Aber bevor ich damit anfange, erlauben Sie mir, meine Herren, Ihnen zu sagen, was ich von Ihnen halte. Ihr seid eine Verbrecherbande. Ihr seid Verräter am Menschengeschlecht. Ich kann Eure Brutalität und Gewalttätigkeit nicht ausstehen. Wegen Euch muss ich mich schämen für mein Land, das mir bisher immer lieb war, und für meine Hautfarbe, die ich immer für ebenso gut wie alle anderen hielt.

Die amerikanische Intervention in Korea ist eine brutale imperialistische Invasion, die sich in nichts von dem französischen Krieg in Indochina oder dem holländischen Überfall auf Indonesien unterscheidet. Amerikanische Jungens werden 10 000 Meilen weit weggeschickt, um zu töten und selbst getötet zu werden, nicht um das koreanische Volk zu befreien, sondern um es zu erobern und zu unterwerfen. Es ist abscheulich. Es ist eine Ungeheuerlichkeit.

Das gesamte koreanische Volk – außer den paar gekauften Agenten der Marionettenregierung von Rhee – kämpft gegen die imperialistischen Eindringlinge. Deshalb finden sich in den Pressemitteilungen aus Korea immer mehr Klagen über »Infiltrationen«, zunehmende »Guerillatätigkeit«, die »bewegliche« Kampffront, die »abweisende Haltung« und »Unverlässlichkeit der einheimischen Bevölkerung«.

Das koreanische Volk hat einen tödlichen Hass gegen den »Befreier« von der Wall Street. Mit Todesverachtung tritt es der bestialischen, korrupten, von den USA finanzierten Diktatur von Syngman Rhee entgegen, die Korea in ein großes Gefängnis verwandelt hat, wo Elend, Folter und Ausbeutung herrschen …

Wie die Ereignisse gezeigt haben, drückt die Explosion in Korea am 25. Juni den tiefen Wunsch der Koreaner aus, ihr Land zu vereinen, sich von der Fremdherrschaft zu befreien und ihre völlige nationale Unabhängigkeit zu erringen. Es stimmt, dass der Kreml versucht, diesen Kampf für seine eigenen reaktionären Ziele auszunutzen und ihn morgen schon ausverkaufen würde, wenn dabei ein neues Abkommen mit Washington herauskäme.

Aber der Kampf an sich findet überwältigende und uneingeschränkte Unterstützung bei dem koreanischen Volk. Er ist Bestandteil eines machtvollen Aufstandes der nach Hunderten von Millionen zählenden kolonialen Völker in ganz Asien gegen den westlichen Imperialismus. Das ist die Wahrheit, darum geht es. Die kolonialen Sklaven wollen nicht länger Sklaven sein.[8]

Auf der ganzen Welt verwendeten die Sektionen der Vierten Internationale diese Erklärung, um die Arbeiterklasse gegen die US-Invasion in Korea zu mobilisieren.

Was Bandas Vergleich zwischen Cannons Stellungnahme und »North’ Opposition gegen die Invasion in Grenada« betrifft, so würde sich der Autor unter anderen Bedingungen sehr geschmeichelt fühlen.

1983 wurde die Workers League von Banda und Slaughter wegen der Art und Weise angegriffen, wie sie auf die US-Invasion in Grenada im Oktober 1983 reagiert hatte. Sie behaupteten, die Workers League habe keine revolutionäre defätistische Position bezogen. Als faktische Grundlage für diesen Angriff führten sie an, dass sie nicht mit der Schlagzeile der Zeitung »Bulletin« einverstanden seien, die am Morgen nach Reagans Fernsehrede zu dem Überfall erschien und den Präsidenten einen Lügner nannte. Dies, hieß es, sei eine »propagandistische« Reaktion!

Slaughter und Banda störten sich insbesondere daran, dass die Erklärung der Workers League die Notwendigkeit betonte, die Arbeiterklasse politisch gegen die Kapitalisten zu vereinen und darum eine Arbeiterpartei zu schaffen. Sie erhoben heftigen Einspruch gegen diese »starke Betonung« der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterklasse. Diese Kritik war nicht nur ein Angriff von rechts, sondern entsprang auch fraktionellen Beweggründen und war falsch. Im Herbst 1985, nach der Explosion der Krise in der WRP, gaben Slaughter und Banda zu, dass sie sich mit Healy verschworen hatten, um sich an der Workers League zu rächen, weil diese 1982 die politische und theoretische Arbeit der Workers Revolutionary Party kritisiert hatte. Der Vorwurf, die Workers League habe sich nicht aufgrund trotzkistischer Prinzipien gegen die Invasion in Grenada gestellt, wurde bewusst fabriziert, um der Workers League im Internationalen Komitee das Wasser abzugraben. Die Tatsache, dass Healy, Banda und Slaughter solche Methoden anwendeten, zeigt das Ausmaß der politischen Degeneration der WRP-Führung.

Bandas Kritik an der Reaktion der SWP auf den Korea-Krieg ist noch gar nichts, wenn man sieht, was er über ihre Position während des Weltkriegs verbreitet. Darauf wollen wir im nächsten Kapitel eingehen.


[1]

James P. Cannon, The Socialist Workers Party in World War II: James P. Cannon Writings and Speeches, 1940–43, Hrsg. Les Evans, New York 1975, S. 93–94.

[2]

Internes Bulletin der SWP, Jg. 8, Nr. 10, August 1946, S. 10.

[3]

James P. Cannon, The Struggle for Socialism in the »American Century«: James P. Cannon Writings and Speeches 1945–47, Hrsg. Les Evans, New York 1977, S. 346–348.

[4]

Ebd., S. 374.

[5]

The Militant, 2. August 1948.

[6]

James P. Cannon, Speeches to the Party, New York 1973, S. 358–359.

[7]

Ebd., S. 112–113.

[8]

James P. Cannon, Notebook of an Agitator, New York 1973, S. 185–187.