David North
Verteidigung Leo Trotzki

Fortsetzung der »großen Lüge«

Erstmals veröffentlicht auf der World Socialist Web Site am 11. November 2009, deutsch am 1. Dezember 2009.

Das Gespenst des Leo Trotzki

1955 besprach James Burnham, der intellektuelle Pate des modernen amerikanischen Neokonservatismus, den ersten Band der groß angelegten Biografie Leo [Lew Dawidowitsch] Trotzkis von Isaac Deutscher, »Der bewaffnete Prophet«. Fünfzehn Jahre zuvor hatte Burnham die Vierte Internationale auf dem Höhepunkt einer politischen Auseinandersetzung verlassen, in deren Verlauf er sich heftige polemische Gefechte mit Trotzki lieferte. Für Burnham war das eine schwierige Erfahrung gewesen, fühlte er sich doch bei diesem politischen und literarischen Kräftemessen ziemlich unterlegen. »Ich muss verwundert innehalten«, hatte

Burnham an Trotzki geschrieben, »wegen der technischen Perfektion Ihrer Satzgebilde, der dynamischen Wucht Ihrer Rhetorik, dem glühenden Ausdruck Ihrer unbezwingbaren Hingabe an das Ideal des Sozialismus, den spontanen, geistreichen, treffenden Metaphern, die auf Ihren Seiten aufblitzen.«[1]

Nach seiner Abkehr vom Sozialismus bewegte sich Burnham rasch weit nach rechts (wie Trotzki bereits vorausgesagt hatte). Mitte der 1950er-Jahre sah er Trotzkis Leben und Werk durch das Prisma seines eigenen ideologischen Engagements für den globalen Kampf gegen den Marxismus. Deutschers Werk alarmierte ihn. Dabei ging es nicht um literarische Fragen. Burnham erkannte sofort, wie meisterhaft der Autor Trotzkis revolutionäre Persönlichkeit wieder aufleben ließ.

Burnham schrieb: »Mr. Deutscher hat seine Geschichte Trotzkis in klassischer Weise gestaltet, und dies zu Recht. Sein Trotzki ist ein Protagonist von höchster Brillanz, der 1905, 1917 und im Bürgerkrieg immer neue Höhen erklomm, wobei er mit der Geschichte verschmolz und zu ihrer Stimme wurde.« Burnham gestand dem Autor zu, dass es ihm gelungen war, seinen Lesern Trotzkis außerordentliche Fähigkeiten zu schildern, »die Begeisterungsfähigkeit eines Redners, von dem viele, die ihn hörten, überzeugt waren, dass er der größte unseres Jahrhunderts sei, seine Wortgewandtheit, seine geistreiche und lebhafte Prosa, die Geschwindigkeit, mit der Trotzki jedes neue Thema durchdrang, seine weit gefächerten Interessen, die unter entschlossenen Revolutionären so selten sind«.

Burnham bemerkte, Deutschers Porträt von Trotzki sei nicht einseitig, vielmehr habe er »bewusst auch Trotzkis Schwächen dargestellt«. Aber trotz der vielen literarischen Vorzüge der Biografie erklärte Burnham sie zu einer »intellektuellen Katastrophe«. Burnhams Grund für dieses Urteil war, dass »Mr. Deutscher von einem Standpunkt aus schreibt, der die bolschewistische Revolution billigt und rechtfertigt«. Die Biografie sei »organisch verzerrt« und nicht zu akzeptieren. »Alle gelehrten Zitate aus allen möglichen Bibliotheken reichen nicht aus, um den Makel des Bolschewismus abzuwaschen.«

Burnham bekannte, es erschrecke ihn, dass Deutscher »sich der Unterstützung unserer führenden Forschungsinstitute, der Hilfe unserer Stiftungen, unserer Zeitschriften, Publikationen und der Förderung durch den großen angelsächsischen Verlag Oxford Press erfreuen durfte«. Hatte das Establishment etwa nicht bemerkt, welche Gefahr darin lag, wenn es zuließ und sogar begünstigte, dass Trotzkis heroisches Leben und seine revolutionären Ideen in allen Einzelheiten einem breiten Publikum bekannt gemacht wurden?

Burnham schloss seine Besprechung mit dem verzweifelten Ruf: »Der Geist unserer Universitätsstudenten und Meinungsmacher wird stark geprägt durch die äußerst wichtigen Fragen, die Deutscher behandelt, durch seine Ideen. Es ist ein Anzeichen von vielen für den selbstmörderischen Kurs der westlichen Welt.«[2] Die Besprechung legte nahe, Deutschers Buch und ähnliche Bücher, die die Oktoberrevolution und ihre Führer sympathisch darstellen, sollten besser nicht veröffentlicht werden.

Zumindest von seinem eigenen politischen Standpunkt aus hatten Burnhams Befürchtungen durchaus ihre Berechtigung. Er sah voraus, welches subversive Potenzial die Rehabilitierung Trotzkis durch Deutscher in sich barg. Schließlich hatte ein Berg stalinistischer Lügen Trotzkis historische Rolle und politische Ideen viele Jahrzehnte lang begraben. Im Februar 1956 hatte Chruschtschow in seiner »Geheimrede« auf dem zwanzigsten Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion mehr oder weniger zugegeben, dass Stalin ein Massenmörder war, und damit die Anklagen bestätigt, die der unversöhnliche Gegner des Diktators schon zwanzig Jahre zuvor erhoben hatte. In den folgenden Jahren wurde die politische Persönlichkeit Trotzkis auf der ganzen Welt immer stärker wahrgenommen.

Vor dem Hintergrund einer wachsenden Militanz der Arbeiterklasse und Radikalisierung der Jugend brachte Deutschers biografische Trilogie (»Der bewaffnete Prophet«, »Der unbewaffnete Prophet« und »Der verstoßene Prophet«) zahllosen Jugendlichen, Intellektuellen und Arbeitern das Wirken und die Ideen Leo Trotzkis nahe. In den 1950er- und 1960er-Jahren entstanden etliche Organisationen, die sich auf das Erbe Trotzkis beriefen. Das war vor allem in Großbritannien der Fall. Bereits 1964 ging die Führung der Young Socialists, der Jugendbewegung der britischen Labour Party, in die Hände der trotzkistischen Socialist Labour League über. Während der 1960er-, 1970er- und bis in die 1980er-Jahre kümmerte sich der britische Inlandsgeheimdienst MI5 intensiv um die trotzkistischen Organisationen.[3]

Eine neue Offensive gegen Trotzki

Diese historische Erfahrung sollte man sich in Erinnerung rufen, wenn man ein eigenartiges literarisches Phänomen betrachtet: Die Veröffentlichung von drei Trotzki-Biografien durch britische Historiker innerhalb von etwas mehr als fünf Jahren. 2003 erschien bei Routledge das Buch »Trotsky« von Ian Thatcher (Universität Leicester, früher Universität Glasgow). Drei Jahre später veröffentlichte Geoffrey Swain (ebenfalls Universität Glasgow) seinen »Trotsky« bei Longman. Und jetzt, Ende 2009, bringt Robert Service, Professor am St. Antony’s College in Oxford, sein Buch »Trotsky: A Biography« heraus. In Großbritannien wurde das Buch von Macmillan verlegt und in den Vereinigten Staaten von der Harvard University Press. Was macht Trotzki, der seit fast siebzig Jahren tot ist, für britische Historiker heute so interessant?

An anderer Stelle[4] habe ich die Werke von Thatcher und Swain ausführlich analysiert und nachgewiesen, dass sie vor historischen Fälschungen nur so strotzen und absolut wertlos sind für jemanden, der etwas über das Leben und die Ideen Trotzkis erfahren will. Als ob sie Burnhams Aufforderung folgen würden, bemühen sich Thatcher und Swain, Trotzki auf keinen Fall eine Plattform zu geben. Daher waren sie so vorsichtig, möglichst wenig aus seinen Schriften zu zitieren. Beide Bücher zielen darauf ab, das positive Bild von Trotzki, das von Deutschers großer Trilogie gezeichnet wurde, ins Gegenteil zu verkehren. Thatcher und Swain bezichtigen Deutscher, er habe den »Mythos« von Trotzki als dem großen Revolutionär, marxistischen Theoretiker, militärischen Führer, Analytiker der Politik und Gegner der totalitären Bürokratie geschaffen. Die Biografien von Swain und Thatcher sollen ein neues, antitrotzkistisches Bild erzeugen, wobei sie sich der herkömmlichen stalinistischen Lügen und Fälschungen im Interesse eines zeitgenössischen Antikommunismus bedienen.

Jetzt schließt sich Robert Service mit seinem Beitrag diesen Bemühungen an, Trotzkis historisches Ansehen zu diskreditieren. In einer Vorankündigung behauptet die Harvard University Press: »Obwohl Trotzkis Anhänger beharrlich die Ansicht vertreten, er sei ein wahrer Revolutionär und mächtiger Intellektueller gewesen, der von Stalin ins Exil getrieben wurde, ist die Wirklichkeit doch recht anders. Das erhellende Porträt des Mannes und seines Erbes rückt dieses Bild zurecht.«[5] Tut es das wirklich?

Biografie als Rufmord

»Trotzki. Eine Biografie«[6] ist ein geschmackloses und widerwärtiges Buch und wurde ohne Rücksicht auf elementare geschichtswissenschaftliche Standards verfasst. Service betrieb seine »Forschung«, wenn man sie denn so nennen will, in böser Absicht. Sein »Trotsky« ist nicht Geschichtsschreibung, sondern vielmehr der Versuch, einen Ruf zu vernichten. Service begnügt sich nicht damit, Trotzkis politische Taten und Ideen zu verzerren und zu fälschen. Häufig gleitet er auf die Ebene von Klatschgeschichten der Boulevard-Presse hinab. Service versucht, Schmutz über Trotzkis Privatleben auszugießen. Zu seinen Lieblingsthemen gehören »Gerüchte« über Trotzkis intime Beziehungen, ohne dass er die Quelle der Gerüchte nennt, geschweige denn ihre Glaubwürdigkeit überprüft.

Trotzki erklärte einmal, als er sich gegen die Verleumdungen des Stalin-Regimes verteidigte: »Meine Ehre als Revolutionär ist makellos.«[7] Service jedoch stellt Trotzki als ein Individuum dar, das überhaupt keine Ehre hat. Er versucht ihn nicht nur als revolutionären Politiker, sondern auch als Menschen zu diskreditieren. Trotzki ist bei Service eine herzlose und eingebildete Person, die ihre Mitarbeiter für ihre eigenen, egoistischen Zwecke benutzt, ein treuloser Ehemann, der kaltblütig seine Ehefrau verlässt, und ein Vater, der seinen Kindern gegenüber kalt und gefühllos, ja sogar für ihren Tod verantwortlich ist. »Bald erkannten die Menschen, wie eitel und egozentrisch er in Wirklichkeit war« (S. 79)[8], heißt es bei Service an einer typischen Stelle.

Die Biografie von Service strotzt vor solchen kleinkarierten Beleidigungen. Trotzki war »sprunghaft und unzuverlässig« (S. 18). »Er war ein arroganter Mensch […]« (S. 18) »Egozentrisch, wie er war, glaubte er, seine Meinungen würden ihm, entsprechend lebhaft vorgetragen, den Sieg bringen.« (S. 18 f.) Und: »Er war extrem von sich eingenommen. Als Ehemann behandelte er seine erste Frau schäbig und überging die Bedürfnisse seiner Kinder, besonders wenn seine politischen Interessen dazwischenkamen.« (S. 19)

Trotzkis Leben als Intellektueller und Politiker war, so möchte Service seine Leser glauben machen, ebenso schändlich wie sein Privatleben. »Im Bürgerkrieg gierte er unverhohlen nach Diktatur und Terror. Die Bürgerrechte von Millionen, die Industriearbeiter eingeschlossen, trat er mit Füßen.« (S. 19) Was seine spätere politische Niederlage angeht, so tut Service Trotzkis Analyse vom Anwachsen der Sowjetbürokratie und ihrer Machtergreifung ohne Begründung ab. Service unterstellt einfach, als läge es auf der Hand, dass Trotzki einem Mann [Stalin] und einer Clique unterlag, »die besser als er das sowjetische System begriffen hatten«. (S. 19)

Service zufolge war Trotzki lediglich ein zweit- oder drittklassiger Denker. Trotzki, so schreibt er, »erhob keinen Anspruch auf intellektuelle Originalität – hätte er es versucht, hätte man sich nur über ihn lustig gemacht«. (S. 143) »Intellektuell huschte er von Thema zu Thema, und er empfand keinen Ansporn, sein Denken zu systematisieren.« (S. 144) Trotzki habe rasch und oberflächlich geschrieben: »Er liebte es einfach, mit dem Füller in der Hand an einem Schreibtisch zu sitzen und sein neuestes Opus rasch zu Papier zu bringen. Niemand wagte ihn zu stören, wenn er an einem Text arbeitete.« (S. 405)

Und was war das Ergebnis dieser »Kritzelei«? Service schreibt: »Seine Gedanken waren ein verworrenes und verwirrendes Sammelsurium.« (S. 444) »Einen Großteil seiner Zeit verbrachte er mit Diskutieren, weniger mit Denken. Der Stil war ihm wichtiger als der Inhalt. […] Das ging letztlich mit einem Mangel an Seriosität als Intellektueller einher.« (S. 448) Das ist Services Verdikt über das literarische Werk eines Mannes, der zu den größten Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts gezählt werden muss.[9]

Ein Biograf muss den Gegenstand seines Werks weder mögen noch respektieren. Niemand würde von Ian Kershaw verlangen, er solle Sympathie für Adolf Hitler hegen, dessen Leben er zwei umfangreiche Bände widmete, die das Ergebnis vieler Jahre intensiver Forschungsarbeit waren. Aber unabhängig davon, ob ein Biograf das Objekt seiner wissenschaftlichen Arbeit bewundert, verachtet oder ihm kühl und mit unparteiischer Ambivalenz gegenübertritt, muss er sich an die überlieferten Fakten halten und versuchen, die betreffende Persönlichkeit zu verstehen. Der Biograf hat die Verantwortung, ihr Leben im Zusammenhang mit den Zeitumständen zu untersuchen, in der sie gelebt hat. Das übersteigt die intellektuellen Kapazitäten von Service und die Grenzen seiner Kenntnisse. Stattdessen nimmt er auf eine sinnlose und absurde Weise von Beginn an den Standpunkt eines tadelnden Berufsberaters ein. Er schreibt in der Einleitung seiner Biografie, Trotzki »hätte unschwer eine große Karriere als Journalist oder Essayist machen können, wenn er sich nicht der Politik verschrieben hätte«. (S. 18) Aber Trotzki wählte eine politische Laufbahn, und zwar als revolutionärer Politiker. Diese Entscheidung kann Service weder akzeptieren noch verstehen.

Service nennt sein Buch »die erste vollständige Biographie Trotzkis von einem nichtrussischen Autor, der kein Trotzkist ist«. (S. 12). Was meint er mit »vollständig«? Services Biografie ist sicher lang, quälende 730 Seiten lang. Aber was den Inhalt angeht, ist sie nichts weiter als eine XXL-Version der Biografien von Thatcher und Swain. Wie diesen früheren Werken, so fehlt es auch dieser Biografie an Geschichte. Es gibt nicht ein einziges historisches Ereignis, das auch nur annähernd in der erforderlichen Detailtreue dargestellt wird.

Service reduziert das große und komplexe Drama der revolutionären Epoche Russlands auf eine Reihe nichtssagender Bilder. Sie dienen allenfalls als Staffage für die angeblichen politischen, persönlichen und moralischen Fehler Trotzkis, mit denen er diesen lächerlich machen will. Die Machtübernahme der Nazis 1933, der Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs, die Bildung der Volksfront in Frankreich werden in ein paar zusammenhangslosen Sätzen gestreift. Sogar die Moskauer Prozesse und der nachfolgende Terror verdienen kaum mehr als eine Seite. Weit mehr Aufmerksamkeit widmet Service dagegen der kurzen intimen Beziehung Trotzkis zu Frida Kahlo!

Ein Kompendium von Fehlern

Darüber hinaus ist die Biografie voller faktischer Fehler, die auf das äußerst beschränkte Verständnis des Autors für sein historisches Material zurückzuführen sind. Im Verlauf eines verwirrten Exkurses über Trotzkis Ansichten zum revolutionären Terror in der Zeit vor 1917 schreibt Service, dass Trotzki »sich 1909 gegen den ›individuellen Terror‹ aussprach, als die Sozialrevolutionäre den Polizeispitzel Evno Azev[10] ermordeten, der ihr Zentralkomitee infiltriert hatte«. In Wirklichkeit wurde Asef nicht 1909 ermordet. Er wurde überhaupt nicht ermordet. Asef, der als Agent der zaristischen Geheimpolizei Ochrana innerhalb der Sozialrevolutionären Partei terroristische Aktionen und auch Morde begangen hatte, überlebte seine Entlarvung und starb 1918 eines natürlichen Tods.[11] Service verzichtet darauf, auch nur einen einzigen Satz aus Trotzkis wichtigem Artikel zu der Asef-Affäre zu zitieren.

Bei der Erörterung der Ereignisse von 1923 in Deutschland behauptet Service, die Revolution sei gescheitert, nachdem es »in Berlin zu Straßenkämpfen« gekommen sei. In Wirklichkeit gab es in Berlin keine Kämpfe. Die Führung der Kommunistischen Partei hatte den Aufstand abgesagt, bevor es in der Hauptstadt zu Kämpfen kommen konnte. Die einzige deutsche Großstadt, in der es zu ernsthaften Kämpfen kam, war Hamburg.[12]

In einem Absatz, in dem die chinesische Revolution erwähnt wird, behauptet Service, dass die Kommunistische Internationale im April 1927 Anweisungen für einen Aufstand gegen Chiang Kai-shek und die Kuomintang geschickt habe. »Dies war genau der Vorwand, den Chiang brauchte, um die Kommunisten in Schanghai und andernorts grausam zu unterdrücken.« (S. 446) Das ist falsch. Es existierte kein derartiger Plan, und es gab keine Instruktionen. Service vermengt die Ereignisse in Schanghai im April 1927 mit denen, die später in Kanton stattfanden.

An anderer Stelle schreibt Service, Trotzki habe im Juni 1928 an seiner Kritik des Programmentwurfs für den Fünften Kongress der Komintern gearbeitet. Der Fünfte Kongress fand jedoch 1924 statt. Die Kritik, die Service meint, betraf den Sechsten Kongress, der im Sommer 1928 stattfand.[13]

Service schafft es sogar, das Todesjahr von Trotzkis Witwe Natalja Sedowa falsch anzugeben. Er erklärt: »Sie starb 1960, zutiefst betrauert vom Kreis ihrer mexikanischen, französischen und amerikanischen Freunde.« In Wirklichkeit starb Sedowa im Januar 1962 im Alter von 79 Jahren.[14] Einige Monate vor ihrem Tod, im November 1961, hatte Natalja Sedowa – was jeder wissen sollte, der mit der Biografie Trotzkis vertraut ist – an die sowjetische Regierung geschrieben und eine Überprüfung der Moskauer Prozesse und die Rehabilitierung Trotzkis gefordert. Am Ende des Buchs macht Service erneut einen groben Fehler, indem er die Frau und die Tochter von Trotzkis jüngstem Sohn Sergej als die seines älteren Sohnes Leon ausgibt.[15] Diese Fehler entgingen nicht nur den Herausgebern bei Macmillan und der Harvard University Press, sondern auch den nicht besonders aufmerksamen Augen von Professor Ian Thatcher, der, so informiert uns Service, das ganze Manuskript gelesen habe.

Service wendet das gleiche Verfahren an wie Thatcher und Swain und befasst sich nicht mit Trotzkis Schriften. Mit Ausnahme von Trotzkis Autobiografie »Mein Leben«, die Service zu diskreditieren versucht, gibt es keinen überzeugenden Hinweis dafür, dass der Biograf auch nur eines von Trotzkis Büchern oder seine Aufsätze und Broschüren systematisch durchgearbeitet hat, bevor er die Biografie niederschrieb. Außer dem Buch Thatchers, das er mit Lob überschüttet, hat Service auch der existierenden wissenschaftlichen Literatur über Trotzki wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Er verachtet alle Biografen, die in der marxistischen Tradition ausgebildet waren und Trotzkis literarisches Werk ernsthaft behandelten. So wird der verstorbene Pierre Broué, ein sehr geachteter Historiker und Autor einer gründlich recherchierten, zuverlässigen Trotzki-Biografie, als »Götzendiener«[16] abgekanzelt, und Deutscher bezeichnet er als jemanden, der »einen Kult um Trotzki betreibt«. (S. 12)

Es gibt allen Grund, daran zu zweifeln, dass Service die Werke der anderen Historiker, denen er in seinem Vorwort Tribut zollt, überhaupt gelesen hat. Zum Beispiel erwähnt Service Professor Alexander Rabinowitch als einen Historiker, der Trotzki einer »skeptischen Prüfung« unterzogen habe. Er wirft ihn in einen Topf mit James White von der Universität Glasgow, der absurderweise leugnet, dass Trotzki während der Machteroberung in der Oktoberrevolution 1917 eine bedeutsame Rolle gespielt hat (S. 12). In Wirklichkeit belegt Rabinowitch in seinem Buch »The Bolsheviks Come to Power« Trotzkis Rolle als wichtigster Taktiker und praktischer Führer beim Sieg der Bolschewiki.

Obwohl Service seine Biografie selbstgerecht als »vollständig« bezeichnet, finden sich darin buchstäblich keinerlei Auszüge oder adäquate Zusammenfassungen von Trotzkis wichtigsten politischen Werken. Service geht nicht einmal auf die wesentlichen Auffassungen und Perspektiven in Bezug auf die Theorie der permanenten Revolution ein, die über 35 Jahre hinweg für Trotzkis politische Arbeit grundlegend waren. Seine umfangreichen Schriften zu China, Deutschland, Spanien, Frankreich und auch Großbritannien werden kaum erwähnt.

Wenn Service sich doch einmal auf Trotzkis Bücher bezieht, liegt er in der Regel falsch. In einem höchst konfusen Hinweis auf Trotzkis »Literatur und Revolution« schreibt er diesem die Ansicht zu, es werde »[…] viele Jahre dauern, bis eine ›proletarische Kultur‹ weitgehend verwirklicht wäre« (S. 403). Trotzki hat aber, wie jeder weiß, der »Literatur und Revolution« gelesen hat, die Auffassung von einer »proletarischen Kultur« entschieden abgelehnt.[17] Aber Service weiß es nicht, entweder weil er das Buch nicht gelesen oder weil er es nicht verstanden hat.

An dieser Stelle muss sich der Leser fragen, wie Service es schafft, 730 Seiten über Trotzki zu füllen, ohne auf seine Schriften einzugehen. Wie ist es möglich, die »vollständige Biografie« eines Mannes zu schreiben, der zu den produktivsten Schriftstellern des zwanzigsten Jahrhunderts gehört, ohne seinem literarischen Werk die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken?

Die Aufdeckung von Trotzkis »verborgenem Leben«

Als ob er diese Frage vorausgesehen hat, informiert Service seine Leser gleich am Anfang, dass sein Hauptanliegen nicht auf das gerichtet sei, was Trotzki geschrieben oder getan habe. Er schreibt: »Dieses Buch soll die verborgenen Aspekte seines Lebens ans Tageslicht bringen. […]«. Dann räumt er zwar ein, dass das »Beweismaterial mit den Werken – seinen Büchern, Artikeln und Reden –, die er zu Lebzeiten veröffentlicht hat« (S. 19), beginnen würde. Aber das sei nicht genug. Selbst das Studium aller Werke Trotzkis würde nicht weit führen, denn »sie verraten uns zwar etwas über seine großen politischen Ziele, erhellen aber nicht unbedingt die persönlichen oder parteiinternen Zwecke, die er jeweils verfolgte. Als aktiver Politiker konnte er es sich nicht immer leisten, seine Pläne auf den Tisch zu legen.« (S. 19)

Service fährt fort:

Man darf seine schriftliche Hinterlassenschaft nicht allein für bare Münze nehmen. Manchmal läßt sich der Verlauf seines Werdegangs nicht so sehr aus den großen öffentlichen Erklärungen als vielmehr aus den vermeintlich trivialen Nebenumständen rekonstruieren: seinem Lebensstil, seinem Einkommen, seiner Unterkunft, den Beziehungen innerhalb der Familie, den Angewohnheiten und den Annahmen über den Rest der Menschheit. […] Außerdem gilt für Trotzki dasselbe wie für Lenin und Stalin: Das, worüber er sich ausgeschwiegen hat, ist ebenso wichtig wie das, worüber er zu reden oder zu schreiben beliebte. Seine unausgesprochenen Grundannahmen waren integraler Bestandteil seines Lebens. (S. 20, Hervorhebung hinzugefügt)

Auch Stalin, der es sehr sorgfältig vermieden hat, anderen Menschen mitzuteilen, was er wirklich dachte, könnte dieser Feststellung bedenkenlos zustimmen. Sie passt hervorragend zu dem inquisitorischen Prinzip, das Stalin bei den Moskauer Prozessen anwandte. Die Beweise für die Verbrechen fanden sich nicht in den öffentlichen Stellungnahmen, Schriften und Handlungen der alten Bolschewiki, die angeklagt waren. Vielmehr ergaben sich ihre Verschwörungen aus den »unausgesprochenen Grundannahmen«, die sich hinter ihrem öffentlichen Auftreten verbargen.

Und wie versucht nun Professor Service, Trotzkis »unausgesprochene Grundüberzeugungen« aufzuspüren? Service verkündet, man könne, »die verborgenen Aspekte seines Lebens ans Tageslicht bringen« (S. 19), indem man unveröffentlichte Entwürfe seiner Schriften untersuche. »Die Stellen, die er entfernt oder verbessert hat, verraten uns, was er vor anderen verbergen wollte. Dies gilt besonders für seine Autobiographie.« (S. 20)

Diese Behauptung bildet die Grundlage für den Hauptvorwurf, den Service gegen Trotzki erhebt: Die Autobiografie »Mein Leben«, die Trotzki 1930 schrieb, sei ein unzuverlässiges und suspektes Werk. Service beklagt: »Generationen von Lesern haben seine Selbstdarstellung kritiklos akzeptiert. Die Realität war anders, denn wann immer unbequeme Tatsachen seinem Image schadeten, beseitigte oder verzerrte er sie.« (S. 26)

Trotzkis »wunde Punkte«

Was genau soll Trotzki in »Mein Leben« verfälscht oder verborgen haben? Zwei größere Unstimmigkeiten behauptet Service entdeckt zu haben, als er den ersten Entwurf von Trotzkis Autobiografie, der sich im Archiv der Hoover Institution an der Stanford University befindet, mit der ersten veröffentlichten Fassung verglich. Erstens soll Trotzki den tatsächlichen Wohlstand seines Vaters David Bronstein verschwiegen haben. Die zweite Unstimmigkeit, mit der sich Service geradezu zwanghaft beschäftigt, ist Trotzkis angeblicher Versuch, seine jüdische Abstammung herunterzuspielen. Service schreibt:

Als Marxist empfand er den Reichtum seiner Eltern als peinlich, und er erkannte ihre außergewöhnlichen Vorzüge und Erfolge nie richtig an. Überdies ließ er in seiner Autobiographie jene Stellen aus, wo er als schüchterner oder verwöhnter Jugendlicher erscheint, und er hat, ohne seine jüdische Herkunft zu verleugnen, doch die Hinweise darauf minimiert. Wenn wir Entwürfe und Druckfahnen heranziehen, gewinnen wir Einblicke in Aspekte seiner Erziehung, die uns lange verborgen waren. So hat er öffentlich erklärt, daß sein Vater ein wohlhabender, tüchtiger Bauer gewesen sei. Das ist eine gewaltige Untertreibung. David Bronstein, verheiratet mit Aneta, war innerhalb des Gouvernements Cherson in weitem Umkreis einer der geschäftstüchtigsten Bauern. Mit harter Arbeit und Entschlossenheit hatte er es zu wirtschaftlichem Erfolg gebracht und hatte jedes Recht, auf seine Leistung stolz zu sein. (S. 26)

Bevor wir auf Services Vorwurf eingehen, Trotzki habe den Reichtum seines Vaters heruntergespielt und versucht, seinen ethnischen und religiösen Hintergrund zu verbergen, wollen wir uns mit der zweifelhaften Voraussetzung befassen, auf der dieser Vorwurf beruht: dass man die Herausarbeitung der Endfassung eines Buchs über verschiedene Entwurfstadien hinweg als einen Prozess des Vertuschens und Fälschens verstehen müsse. Service behauptet hier, was er erst beweisen müsste. Um seinen Vorwurf zu untermauern, hätte er nachweisen müssen, warum Trotzkis »Streichungen und Hinzufügungen« nicht das Ergebnis des richtig genutzten Ermessensspielraums eines großen Meisters sind. Es gibt zahlreiche Gründe, die nichts mit absichtlichem Verbergen zu tun haben, warum Trotzki manche Passagen gestrichen und andere hinzugefügt haben könnte.

Service schafft es nicht, auch nur ein einziges Beispiel zu nennen, wo Trotzkis veröffentlichte Fassung des Berichts über seine Kindheit sich auf gravierende Weise von einem früheren Entwurf unterscheidet. Jedenfalls sind die Einwände von Service unbegründet. Dass Trotzki »den Reichtum seiner Eltern als peinlich« empfunden habe, ist eine Behauptung, für die Service außer seiner eigenen Fantasie keinen Beleg zitieren kann. Trotzki berichtet über den wachsenden Wohlstand seines Vaters, wobei darauf hingewiesen werden muss, dass David Bronstein erst zu größerem Reichtum kam, als Trotzki das Elternhaus bereits verlassen hatte. Die Familie Bronstein zog erst aus dem Lehmhaus aus, in dem Trotzki geboren worden war, und übersiedelte in ein Haus aus Ziegelsteinen, als der zukünftige Revolutionär fast siebzehn Jahre alt war. In Wirklichkeit schildert Trotzki in »Mein Leben« den rastlosen Kampf seines Vaters, in der Welt voran und zu Wohlstand zu kommen, in vielen Einzelheiten und voller Zuneigung. Seine eigene Lage als Kind beschreibt er so: »Als Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers gehörte ich eher zu den Privilegierten als zu den Unterdrückten.«[18]

Max Eastman berichtet in seiner 1926 erschienenen biografischen Skizze über Trotzkis Jugend, dass »David Bronstein reich wurde, indem er arbeitete und Bauern einstellte, die mit ihm arbeiteten. Er hatte ungefähr tausend Hektar Land in der Umgebung des kleinen ukrainischen Dorfs Janowka, besaß die Mühle und war so der bedeutendste Mann des Orts.« Eastman kannte diese Tatsachen, weil Trotzki sie ihm erzählt hatte. Eastman schrieb: »Trotzki ist stolz auf seinen Vater, stolz auf die Tatsache, dass er bis zu seinem Tod arbeitete und verständig war. Er erzählte gern von ihm.«[19]

Services eigene Beschreibung der Familie Bronstein, die er als »tapfere Juden« bezeichnet, stützt sich ausschließlich auf das, was in »Mein Leben« und in Eastmans »Young Trotsky« steht. Er hat keinerlei neue und selbstständige Forschung betrieben, die entweder etwas hinzufügen oder das widerlegen könnte, was Trotzki und Eastman berichtet haben. Nicht ein einziges Detail in Services Darstellung der frühen Kindheit lässt sich nicht auf diese beiden früheren Werke zurückverfolgen.

Das ist umso erstaunlicher im Licht seiner Behauptung, dass Trotzkis Autobiografie nicht zu trauen sei. In seiner Beschreibung stützt er sich nahezu vollständig auf die gedruckte Version von »Mein Leben«, nicht auf den früheren Entwurf. Im zweiten Kapitel seiner Biografie mit dem Titel »Erziehung« finden sich neun umfangreiche Auszüge aus Trotzkis autobiografischem Werk. Acht davon stammen aus der gedruckten Ausgabe von »Mein Leben«, nur einer aus dem früheren Entwurf. Nicht an einer einzigen Stelle kann Service eine bedeutende Diskrepanz zwischen dem gedruckten Werk und dem Entwurf nachweisen.

Das heißt allerdings nicht, dass Service nach seiner Erforschung des Entwurfs von »Mein Leben« mit völlig leeren Händen dasteht. Zum Beispiel hat er entdeckt, dass ein junger Schulkamerad, den Trotzki in der gedruckten Autobiografie Karlson nennt, in dem Entwurf als »Krejcer« identifiziert wird. Diese Entdeckung, die Service stolz in einer Fußnote[20] bekannt gibt, muss als größerer Durchbruch auf dem Gebiet der Trotzki-Forschung anerkannt werden! Selbst wenn er sonst nichts erreicht hätte, hat er doch den Namen des jungen Kreitser in einer Fußnote wieder an seinen richtigen historischen Platz gerückt.

Trotzkis Herkunft

Wenden wir uns nun der Behauptung von Service zu, Trotzki habe seine jüdische Abstammung herunterzuspielen versucht. Um es offen zu sagen, ist Services Konzentration auf diese Frage ziemlich unerfreulich und suspekt. Dass Trotzki Jude war, spielt in der Biografie von Service eine wichtige Rolle. Er verliert diese Tatsache nie aus den Augen und erinnert seine Leser ständig daran, als ob er besorgt wäre, sie könnte ihnen entfallen. Angesichts des Gewichts, das er auf Trotzkis ethnischen Hintergrund legt, hätte er sein Buch auch »Trotzki. Biografie eines Juden« nennen können.

Bevor wir dieses verstörende Element von Services Biografie detaillierter untersuchen, sollten wir zunächst auf die Unterstellung eingehen, Trotzki habe versucht, seine Abstammung zu verbergen oder die Aufmerksamkeit davon abzulenken. Diese Behauptung des Biografen ist ebenso falsch wie die, Trotzki habe versucht, den Reichtum seiner Eltern herunterzuspielen. Wie immer nimmt Service an, sein Publikum werde sich nicht die Mühe machen, Trotzkis Autobiografie zu lesen. Er legt in »Mein Leben« nicht die geringste Zurückhaltung an den Tag, seinen ethnischen und religiösen Hintergrund zu erörtern. Wie hätte er auch ein solches Thema vermeiden können? Die Umstände seiner Kindheit waren unauflöslich mit seiner jüdischen Herkunft verknüpft.

Trotzkis Schilderung zu seinem jüdischen Hintergrund und dessen Stellenwert in seiner intellektuellen und politischen Entwicklung stimmt vollkommen mit dem überein, was man über das allgemeine soziale und kulturelle Milieu weiß, in dem er lebte. Aufrichtig beschreibt Trotzki die Art und Weise, wie seine Familie mit Religion umging:

Religiosität existierte in der elterlichen Familie nicht. Anfangs wahrte man noch den Schein: an großen Feiertagen fuhren die Eltern in die Synagoge der Kolonie, an Sonnabenden nähte die Mutter nicht, mindestens nicht offen. Aber auch diese rituelle Religiosität nahm mit den Jahren ab, mit dem Heranwachsen der Kinder und des Wohlstandes der Familie. Der Vater glaubte schon seit seinen jungen Jahren nicht an Gott, und im späteren Alter sprach er darüber offen vor der Mutter und den Kindern. Die Mutter zog vor, diese Fragen zu umgehen, und schlug bei passenden Gelegenheiten die Augen zum Himmel empor.[21]

Was seine eigene Beziehung zu seiner jüdischen Herkunft betraf, erklärte Trotzki:

Das nationale Moment nahm in meinem Bewusstsein keinen selbstständigen Platz ein, da ich es im Alltagsleben nur wenig zu spüren bekam. Nach den einschränkenden Gesetzen von 1881 konnte mein Vater zwar kein Land mehr hinzukaufen, was er so sehr erstrebt hatte, und musste es nun unter Verschleierung pachten. Aber mich berührte das wenig. Als Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers gehörte ich eher zu den Privilegierten als zu den Unterdrückten. Die Sprache der Familie und des Gutshofs war Russisch-Ukrainisch. In die Schulen wurden Juden zwar nur nach einer Prozentnorm aufgenommen, weshalb ich ein Jahr verlor.[22]

Über den Zusammenhang seines jüdischen Hintergrunds mit seiner intellektuellen Entwicklung machte sich Trotzki folgende Gedanken:

Wahrscheinlich hat die nationale Ungleichheit einen unterirdischen Anstoß zu meiner Unzufriedenheit mit dem bestehenden Regime gegeben; aber diese Ursache löste sich in den anderen Erscheinungen sozialer Ungerechtigkeit auf und spielte keine ausschlaggebende, überhaupt keine selbstständige Rolle.[23]

Die Thora und der Rabbi

Mit dieser Erklärung, die zu zitieren er sich nicht einmal die Mühe macht, gibt sich Service natürlich nicht zufrieden. Er geht daran, Trotzkis Darstellung zu »korrigieren«, indem er dessen Leben den Vorurteilen des Biografen anpasst. Damit untergräbt Service aber nur seine eigene Glaubwürdigkeit. In einer Schlüsselpassage, die angeblich »Mein Leben« widerlegt, schreibt Service, dass Trotzki gern den Eindruck vermittelt habe,

[…] er sei in alle schulischen Aktivitäten integriert gewesen. Das war nicht der Fall. Die Realschule zum hl. Paulus mußte wie alle staatlichen Schulen Religionsunterricht erteilen. Leiba Bronstein war als Jude aufgenommen worden und nicht zum Christentum konvertiert. Er mußte seine religiöse Bildung unter der Anleitung eines Rabbiners fortsetzen, der die jüdischen Schüler unterrichtete und den David Bronstein für seine Dienste entlohnte. Der betreffende Rabbiner machte nicht deutlich, ob er die Thora als glänzende Literatur oder als Heilige Schrift betrachtete – und Leiba sollte später zu dem Schluß kommen, daß er im Grunde eine Art Agnostiker war. (S. 55)

Diese Darstellung führt Service auf Max Eastmans Buch »The Young Trotsky« zurück, das 1926 veröffentlicht wurde. Aber hat Service Eastmans Bericht wirklich wahrheitsgetreu wiedergegeben? Lasst uns einen Blick auf den Ursprungstext werfen. So erzählt Eastman diese Geschichte:

Es war der Ehrgeiz seines Vaters – der so kulturelle Erbauung und konventionelle Frömmigkeit miteinander verband – einen privaten Lehrer zu beauftragen, mit seinem Sohn das hebräische Original zu lesen. Trotzki, damals erst elf Jahre alt, war gegenüber dem bärtigen alten Gelehrten, der diese Aufgabe übernahm, etwas verlegen. Und der alte und pflichtbewusste Gelehrte zögerte, seinem noch so jungen Schüler seine eigenen kritischen Ansichten zu offenbaren. Daher war zunächst nicht klar, ob sie die Bibel als Geschichte oder als Literatur lasen oder als Offenbarung von Gottes Wort.[24]

Zwischen den beiden Berichten gibt es einen bemerkenswerten Unterschied. Aus Eastmans Bibel wird bei Service die »Thora«. Eastmans »bärtiger alter Gelehrter«, der sich als Agnostiker zu erkennen gibt, wird von Service in einen »Rabbi« verwandelt. Es ist nicht unmöglich, dass es sich bei dem Text tatsächlich um die Thora handelte – obwohl dieser Begriff im Allgemeinen mehr Texte umfasst als nur den Pentateuch. Da aber Service keine weiteren Informationen zu bieten hat als Eastman, warum ändert er dann das Wort? Noch weniger gerechtfertigt ist die Umwandlung des Gelehrten in einen Rabbi. Es handelt sich hier nicht um einen Übersetzungsfehler. Service bezieht sich auf einen Text in englischer Sprache.

Man könnte dies als Imagination des Autors vernachlässigen, wäre da nicht die Tatsache, dass Service immer wieder wie besessen auf Trotzkis religiösem Hintergrund herumreitet. Das ist abstoßend und, weil es so oft wiederholt wird, abscheulich. Er bedient sich der Methode, eine antisemitische Haltung anzuprangern, um sie dann selbst zu bekräftigen. Dem Leser werden Absätze wie der folgende geboten:

Für die russischen Antisemiten stellten sich die Juden als eine Rasse dar, die keine patriotische Bindung an Rußland hatte. Indem er zum Außenminister für eine Regierung wurde, die mehr an der Verbreitung der Weltrevolution als an der Verteidigung der Interessen des Landes interessiert war, entsprach Trotzki dem weitverbreiteten Stereotyp der »Judenfrage«. […] Nach Lage der Dinge war er bereits zum berühmtesten Juden der Welt geworden. Der Leiter des amerikanischen Roten Kreuzes in Rußland, Oberst Raymond Robins, drückte dies mit charakteristischer Schärfe aus. Im Gespräch mit Robert Bruce Lockhart, dem Chef der britischen diplomatischen Mission in Moskau, bezeichnete er Trotzki als »einen echten Mistkerl, aber den größten Juden seit Christus«. Trotzki war außerdem der berühmteste Jude in dem Sownarkom, in dem Juden überproportional repräsentiert waren. Gleiches galt für die zentrale Parteiführung der Bolschewiki. Hätte Lenin auf die Dienste fähiger Juden verzichten müssen, hätte er nie ein Kabinett bilden können. (S. 247 f., Hervorhebung hinzugefügt.)

Robert Service und die Juden

Kurz nach dieser Passage folgt ein Kapitel mit der Überschrift »Trotzki und die Juden«, das mit den Worten anfängt: »Trotzki hasste es, wenn jemand seine jüdische Herkunft betonte.« (S. 256) Diese Reaktion hatte möglicherweise etwas mit den Leuten zu tun, die diesen Hintergrund gerne betonten. Dann folgen etliche Seiten mit belanglosen und lächerlichen Beobachtungen. Der Leser wird darüber informiert, dass »Trotzki […] zwar das Judentum [ablehnte], aber das hieß nicht, daß er einzelnen Juden aus dem Weg ging«. (S. 258) Es werden einige Juden erwähnt, mit denen Trotzki gut stand (alle waren leitende Persönlichkeiten der russischen und europäischen sozialistischen Bewegung), und Service bemerkt (auf der gleichen Seite): »Unter den Freunden Trotzkis waren auch Kosmopoliten, die keine Juden waren.« (S. 258) Zum Beispiel sprach Trotzki »oft mit August Bebel«, dem Gründungsvater der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der Biograf gibt zu, dass »sich in der Lebensführung Trotzkis als Erwachsener alle Spuren des Judentums verloren hatten« (S. 259), obwohl es »viele säkularisierte Juden« gegeben habe, die »sich weiterhin an religiöse Speisevorschriften« hielten und »die traditionellen Feiertage« begingen (S. 259).

Anschließend macht Service seine Leser, für den Fall, dass sie es nicht selber merken, darauf aufmerksam, dass Trotzkis vier Kinder – Nina, Sina, Leon und Sergej – »Namen ohne jeden Bezug zum Judentum« erhielten.

Auf der nächsten Seite folgen noch wichtigere Angaben:

Er [Trotzki] war keck in seiner Klugheit und offen in seinen Meinungen. Niemand konnte ihn einschüchtern. Trotzki besaß diese Eigenschaften in einem höheren Maße als die meisten anderen Juden, die sich von den Traditionen ihrer Religionsgemeinschaft und den Beschränkungen der zaristischen Ordnung emanzipiert hatten. Er war offenkundig ein Mensch von außergewöhnlichen Gaben. Dabei war er durchaus nicht der einzige Jude, der an den Chancen zum sozialen Aufstieg sichtlich Gefallen fand. Diese Juden sollten später, als sie – wie Kommunisten aller Nationalitäten – ohne Rücksicht auf die Empfindlichkeiten anderer mit lauter Stimme sprachen und mit spitzer Feder schrieben, zum Vorbild für jüdische Jugendliche werden, ihnen in die kommunistische Weltbewegung zu folgen. Von Trotzki wird man kaum behaupten können, daß er unter dem vermeintlichen Syndrom jüdischen Selbsthasses gelitten hat. Haß spielte bei ihm keine Rolle. Er war viel zu sehr von sich und seinem Leben begeistert, um sich von Problemen wegen seiner Abstammung stören zu lassen. (259 f., Hervorhebungen hinzufügt)

Nachdem er unterstellt hat, Trotzkis Laufbahn als Revolutionär sei ein Beispiel dafür, wie Juden »an den Chancen zum sozialen Aufstieg sichtlich Gefallen fanden« (S. 259), führt Service diese Idee im nächsten Absatz weiter aus:

»Trotzki war einer von jenen Zigtausenden gebildeter Juden im Russischen Reich, die es endlich schafften, sich in Situationen durchzusetzen, in denen ihre Eltern genötigt waren, sich vor nichtjüdischen Beamten zu verbeugen und den Kratzfuß zu machen.« (S. 260) Viele Juden, bemerkt Service umsichtig, hätten versucht, in anerkannten Berufen vorwärts zu kommen. Aber die Alternative war, »sich revolutionären Parteien anzuschließen, in denen die Juden überproportional vertreten waren« (S. 260). Das ist eine altbekannte Theorie antisemitischen Ursprungs: Die Revolution als Rache aggressiver, ehrgeiziger Juden an einer von Christen dominierten Gesellschaft. Doch Service hat noch mehr zu diesem Thema zu sagen. Er erklärt:

Junge Juden beiderlei Geschlechts, geschult in der präzisen Auslegung der Thora, fanden in den Feinheiten des Marxismus eine geistesverwandte säkulare Orthodoxie. Haarspalterische Debatten gehörten zum Marxismus ebenso wie zum Judentum (aber auch zum Protestantismus). (S. 260)

Jetzt wird verständlich, warum Service das vorherige Zitat von Eastman umgeschrieben hat. Trotzki wurde, dem verdrehten Bericht von Service zufolge, auch »geschult in der präzisen Auslegung der Thora« (S. 260). Von dort, so soll der Leser glauben gemacht werden, sei es für den karrierebewussten Bronstein nur ein Katzensprung zum »Kapital«, zur Theorie der permanenten Revolution und zu einer Eckwohnung im Kreml gewesen.

Service schreibt: »Die Führung der Partei war allgemein als jüdische Clique bekannt.«[25] Für diese Feststellung gibt er keine Quellenangabe. Er fügt ein paar Sätze später hinzu: »Tatsächlich wurde den Juden vielfach nachgesagt, die bolschewistische Partei zu dominieren.« (S. 264) Wieder liefert er keine Quellenangabe. Diese Behauptungen werden nicht infrage gestellt, geschweige denn widerlegt. Danach gibt Service einen Absatz aus einem »anonymen Brief an die sowjetischen Behörden« wieder, der eine einzige, heftige antisemitische Verleumdung ist: »[…] Sie sind vollblütige Juden, die sich russische Nachnamen gegeben haben, um das russische Volk zu täuschen …« (S. 264)

In einer anderen bizarren Passage über die berühmten Verhandlungen Trotzkis mit den Vertretern Deutschlands und Österreich-Ungarns 1918 in Brest-Litowsk schreibt Service: »Als die Deutschen und Österreicher an den Verhandlungstisch traten, erwarteten sie, mit Ehrerbietung behandelt zu werden. Sie führten sich auf, als hätten sie den Sieg schon in der Tasche und teilten die sozialen Vorurteile ihrer Klasse. Sozialisten welcher Art auch immer zählten für sie kaum als Menschen. Die russischen Kommunisten, in deren Führung so viele Juden saßen, waren in ihren Augen kaum besser als Ungeziefer.« (S. 254)

Service gibt wieder keine Quelle an, die diese Einschätzung zur Haltung der deutschen Delegierten stützen würde. In seiner Autobiografie schrieb Trotzki: »Die erste Sowjetdelegation mit Joffe an der Spitze war in Brest-Litowsk von allen Seiten hofiert worden. Der bayerische Prinz Leopold empfing sie als seine ›Gäste‹. Zu Mittag und zu Abend aßen alle Delegationen gemeinsam.« Trotzki notiert amüsiert: »Der Stab des Generals Hoffmann gab für Gefangene eine Zeitung, die ›Russki Westnik‹ (Russischer Bote), heraus, die in der ersten Zeit über die Bolschewiki nicht anders als mit rührender Sympathie sprach.«[26]

Natürlich war diese anfängliche Freundlichkeit politisch motiviert und dauerte nicht lange. Der tödliche Ernst der Fragen, vor denen die gegnerischen Parteien in Brest-Litowsk standen, drückte sich unweigerlich in einer zunehmend spannungsgeladenen, feindlichen Atmosphäre aus. Dieser Prozess wird von Trotzki in »Mein Leben« großartig beschrieben. Seine Charakterisierungen der Hauptakteure Kühlmann, Hoffmann und Czernin sind lebensecht. Es sind politische Reaktionäre, Repräsentanten der aristokratischen Elite, aber keine Monster. Ihre Haltung gegenüber den Bolschewiki ist eine komplexe Mischung aus Neugier, Verwirrung, Angst, Hass und Respekt. In Trotzkis Bericht gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit Leuten verhandelte, die die Bolschewiki, mit oder ohne Juden, als »Ungeziefer« ansahen. Dies kann man Service unterstellen, aber nicht den Führern der deutschen und österreichischen Delegationen in Brest-Litowsk.

Trotz der Besessenheit, mit der er Trotzkis religiöse Abstammung behandelt, ist Service ziemlich uninformiert, was das jüdische Leben in Odessa und im russischen Zarenreich betrifft. Das wichtige Buch von Steven J. Zipperstein von der Stanford University ist in der Bibliografie von Service nicht aufgeführt. Es findet sich nicht mehr als ein flüchtiger Hinweis auf die blutigen antisemitischen Pogrome, bei denen Tausende ihr Leben verloren. Service erwähnt nicht einmal den berüchtigten Fall von Mendel Beilis, dem jüdischen Arbeiter, der 1911 verhaftet wurde, weil er einen Ritualmord an einem russischen Jugendlichen begangen haben sollte – ein Fall, der internationale Empörung über die Zarenherrschaft auslöste. Hätte er dies getan, so hätte er vielleicht Trotzkis wichtigen und einflussreichen Essay zu diesem Fall zur Kenntnis genommen.

Als Rezensent möchte ich auch meine Abscheu darüber bekunden, dass Service in die Illustrationen seiner Biografie ohne jeden ersichtlichen Grund die Nazi-Karikatur »Leiba Trotzki-Braunstein« aufgenommen hat. Service bemerkt dazu: »In Wirklichkeit war seine Nase weder lang noch gebogen, und niemals ließ er es zu, dass sein Spitzbart zu lang wurde oder sein Haar schlecht gekämmt war.« Sollte das als Witz gemeint sein? Wenn ja, dann ist es ein schlechter.

Was soll man also von der Besessenheit halten, mit der sich Service auf Trotzkis jüdischen Hintergrund fixiert? Die Benutzung des Antisemitismus als politische Waffe gegen Trotzki ist so allgemein bekannt, dass man unmöglich annehmen kann, Services unaufhörliches Herumreiten auf Trotzkis jüdischer Herkunft geschehe ohne böse Absicht. Was immer die persönliche Haltung von Mr. Service zu dem sein mag, was er als »jüdische Frage« bezeichnet, appelliert er offensichtlich an Antisemiten, für die Trotzkis jüdischer Hintergrund von großer Bedeutung ist. Es ist ziemlich sicher, dass die russische Übersetzung der Biografie Anhänger in diesen reaktionären Kreisen finden wird. Der Verdacht drängt sich auf, dass Professor Service dies einkalkuliert hat.

Die Quellen von Service

Ein beträchtlicher Teil des Buchs von Service ist der Herabwürdigung von Trotzkis Persönlichkeit gewidmet. Er weitet seine Bemühungen, Trotzki als politischen Revolutionär zu diskreditieren, auf jeden Aspekt seines Privatlebens aus. Service scheint zu glauben, die Theorie der permanenten Revolution sei weniger überzeugend, wenn es gelinge, Trotzki als unangenehmen Menschen zu präsentieren. Auf diese Weise bleibt das Porträt Trotzkis bei Service immer eine primitive Karikatur. Er ist bei ihm immer eitel, unsensibel, herrschsüchtig und ichbezogen. Service versucht zu zeigen, dass diese angeblichen Charakterzüge Trotzkis bereits in jugendlichem Alter unangenehm auffielen. Sein einziger Zeuge ist dabei Gregori A. Ziv, der Trotzki Ende der 1890er-Jahre in der ersten Zeit seiner revolutionären Tätigkeit kennengelernt hatte. Viel später, im Jahre 1921, nach seiner Übersiedlung in die Vereinigten Staaten, verfasste Ziv verbitterte Erinnerungen, in denen er äußerst feindselig über seinen früheren Freund und Genossen schrieb, der inzwischen zum weltberühmten Führer der Oktoberrevolution geworden war.

Niemand würde bestreiten, dass die Erinnerungen von Ziv ein Dokument sind, das ein ernsthafter Historiker zur Vorbereitung einer Trotzki-Biografie heranziehen wird. Immerhin kannte Ziv Trotzki an einem kritischen Wendepunkt im Leben des künftigen Revolutionärs. Aber ein Historiker hat die Pflicht, Dokumente und Quellen kritisch zu betrachten und sorgfältig zu überlegen, wieweit er den darin enthaltenen Informationen trauen kann. Bei Ziv ist ein kritisches Herangehen sicherlich höchst angebracht. Es gibt viele Gründe, an der Objektivität und Verlässlichkeit seiner Einschätzung zur Persönlichkeit Trotzkis zu zweifeln. Vor allem nahm Ziv, nachdem er in den Vereinigten Staaten angekommen war, eine äußerst feindliche Haltung zu Trotzkis Einschätzung des imperialistischen Kriegs ein. Ziv unterstützte Russlands Teilnahme am »Krieg für die Demokratie«. Diese Information enthält Service seinen Lesern vor. Aber Eastman, der Zivs Erinnerungen kannte, liefert die folgende Hintergrundinformation:

Als Trotzki [im Januar 1917] während des Kriegs nach New York kam – als Anti-Patriot, Kriegsgegner, Revolutionär –, traf er Doktor Ziv, der, wie er wusste, dort eine kleine, den Krieg befürwortende Zeitschrift in russischer Sprache herausgab. Er begegnete ihm freundlich und lud ihn zu sich nach Hause ein, um sich der freundschaftlichen Gefühle vergangener Zeiten zu entsinnen. Sie sprachen lange miteinander und schwelgten in alten Erinnerungen. Aber da Trotzki wusste, dass Ziv ihn nichts lehren konnte und er Ziv nicht überzeugen konnte, sprach er keine politischen Fragen an. Das war eine für ihn bezeichnende höfliche, freundliche und durchdachte Entscheidung. Aber für die journalistische Eitelkeit des Doktors war es anscheinend ein untragbarer Affront, ein Ausdruck der selbstbezogenen intellektuellen Arroganz, die, wie der nun entdeckte, die Tätigkeit seines Freunds seit der Wiege gekennzeichnet hatte. Daher ist dieser kleine Band gekennzeichnet von kranker und absurder persönlicher Gehässigkeit.[27]

Ankläger sind juristisch verpflichtet, der Verteidigung entlastende Beweise zugänglich zu machen. Ein Biograf sollte diesem allgemeinen Prinzip folgen und seinen Lesern Informationen nicht vorenthalten, die die Glaubwürdigkeit von Zeugen infrage stellen, deren Aussage er zitiert. Aber Service kümmern solche grundsätzlichen Überlegungen nicht. Er besteht zwar darauf, dass Trotzkis Memoiren höchst skeptisch geprüft werden müssen, zeigt aber nicht die geringste Neigung, etwas zu hinterfragen, was Ziv in seinen Erinnerungen geschrieben hat. So zitiert er Zivs Feststellung: »Unzweifelhaft liebte er seine Freunde, und er liebte sie aufrichtig; aber seine Liebe war von der Art, wie ein Bauer sie für sein Pferd empfindet, das dazu beiträgt, seine bäuerliche Individualität zu bestätigen.« (S. 67) Service ist von dieser Bemerkung derart beeindruckt, dass er sie wiederholt: »Ljowa betrachtete seine revolutionären Genossen so, wie der Bauer sein Pferd betrachtet …« (S. 67) Welcher intelligente Leser könnte solchen Unsinn glauben?

Schopenhauer tritt auf

Eine andere Behauptung von Ziv, die Service aufgreift, betrifft den Einfluss einer Broschüre Arthur Schopenhauers, des idealistischen deutschen Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts, auf den jungen Trotzki. Service zitiert nicht wörtlich aus dieser Passage, sondern gibt nur eine Zusammenfassung. Um diese Frage zu klären, die einiges Licht auf Services Methode wirft, hat sich der Autor dieser Zeilen Zivs Originaltext noch einmal vorgenommen.

Ziv widmet dieser Frage in seinen Memoiren kaum mehr als einen Absatz. Er bemerkt, dass Schopenhauers Broschüre[28] »irgendwie in seine [Trotzkis] Hände geriet«, und gibt dann eine kurze Zusammenfassung der Argumentation des Philosophen. Die Broschüre handle davon, »wie man seinen Gegner in einer Debatte niederringen kann, ob man nun recht hat oder unrecht«. Ziv zufolge »stellt die Broschüre nicht Regeln auf, die man in einer Debatte befolgen muss, sondern entlarvt – mehr oder weniger plumpe oder raffinierte – Tricks, zu denen Diskutanten greifen, um aus einer Debatte als Sieger hervorzugehen«. Dann lässt Ziv etwas überraschend erkennen, dass er nicht genau wisse, welchen Eindruck die Broschüre auf seinen Freund gemacht habe. Er schreibt: »Man kann sich vorstellen, wie überglücklich Bronstein über diese kleine Broschüre war, deren Wert nicht durch ihren geringen Umfang geschmälert wurde.« Sicher, man kann sich verschiedene Dinge vorstellen, aber das ist kein Nachweis ihrer Wahrheit. Zivs Formulierung lässt vermuten, dass ihm keine direkten Informationen darüber vorlagen, ob das Werk Trotzki sonderlich beeindruckte. Er schreibt z. B. nicht: »Bronstein sagte mir, er sei überglücklich über diese Broschüre.« Hätte Ziv als Zeuge der Anklage unter Eid in einem Prozess aussagen müssen, hätte ihn der Verteidiger zu diesem Punkt sorgfältig befragt. Nach Zivs Eingeständnis, er wisse nicht genau, wie Trotzki in den Besitz der Broschüre gelangt sei, hätte er wahrscheinlich gefragt: »Mr. Ziv, ist es nicht so, dass Sie eigentlich gar nicht wissen, ob Trotzki ›Die Kunst, Recht zu behalten‹ tatsächlich gelesen hat? Ist es nicht so, dass Sie selbst nicht gesehen haben, dass er das Buch las?« Auf der Grundlage dessen, was Ziv geschrieben hat, können wir nicht wirklich wissen, ob Trotzki »Die Kunst, Recht zu behalten« tatsächlich gelesen hat. Für die Beurteilung der vorliegenden Biografie ist die Antwort auf diese Frage allerdings weniger wichtig als die Tatsache, dass Service Zivs Behauptung nicht kritisch hinterfragt hat.

Service geht sogar noch weiter als Ziv. Er schreibt: »Ljowa bereitete sich vor wie auf einen militärischen Feldzug. Er studierte Schopenhauers »Die Kunst, Recht zu behalten« mit dem Ziel, seine Debattierkunst zu verbessern.« (S. 65) Wie wir gezeigt haben, kann Service diese Behauptung nicht belegen.

Warum ist das wichtig? Service impliziert, Schopenhauers Argumente lieferten einen Schlüssel zum Verständnis von Trotzkis polemischem Stil und seiner angeblich aggressiven und dominanten Persönlichkeit. Weit von Zivs Text abweichend, bietet er seine eigene gefärbte Interpretation Schopenhauers. Er stellt den Philosophen als Befürworter skrupelloser rhetorischer Manöver und Tricks hin. »Der Sieg, der vernichtende Sieg sei das einzige erstrebenswerte Ziel« (S. 66) habe er laut Service vertreten. Der Philosoph habe erklärt, »die Meinungen ›gewöhnlicher Leute‹ zählten nicht« (S. 66).

Schließlich schreibt Service: »Schopenhauer gehörte nicht zum normalen Rüstzeug des russischen revolutionären Denkens, und Ljowa Bronstein gab nicht offen zu, daß er seine Methoden zu argumentieren beeinflußt hatte. Dennoch fand er in der ›Kunst, Recht zu behalten‹ vermutlich vieles, was er für seine Politik und seine Persönlichkeit brauchte.« (S. 66, Hervorhebungen hinzugefügt.)

Was also bleibt am Ende übrig? Services Behauptung, Trotzki habe in Schopenhauer eine philosophische Rechtfertigung für seine angebliche Verachtung der Menschheit und seine giftigen Polemiken gefunden, stützt sich auf Unterstellungen, Annahmen und Schüsse ins Blaue, die durch keinerlei Fakten untermauert sind.

Nehmen wir für einen Moment an, Trotzki habe Schopenhauers »Die Kunst, Recht zu behalten« nicht nur gelesen, sondern sogar gründlich studiert, dann sagt uns das noch nicht, ob er damit übereinstimmte oder nicht übereinstimmte, was er akzeptierte und was er verwarf. Trotzki las als Jugendlicher vieles, so auch John Stuart Mill, wie er uns in »Mein Leben« wissen lässt. Aber niemand würde Trotzki deswegen unterstellen, ein Bewunderer des britischen Empirismus und Liberalismus zu sein. Schließlich scheint Service anzunehmen, Trotzkis angebliche Lektüre von »Die Kunst, Recht zu behalten« habe nur schädliche Wirkungen haben können. Der Autor dieser Zeilen ist eher der Meinung, dass Trotzki, falls er Schopenhauers Werk tatsächlich gelesen hat, darin vielleicht Material gefunden hat, das ihm später bei der Entlarvung der Verleumdungen, Verzerrungen, Halbwahrheiten und Lügen seiner zahlreichen skrupellosen Feinde nützlich war. Man kann annehmen, dass der Stalinismus Trotzki viel mehr zum Thema unlauterer Polemik gelehrt hat als Schopenhauer.

Trotzki und Sokolowskaja

Die unerbittlichen Bemühungen, Trotzki zu verleumden, schlagen fehl und tauchen Service selbst in ein wenig schmeichelhaftes Licht. Er ist offenbar organisch unfähig, auch nur das geringste Mitgefühl für die vielen emotionalen Verletzungen und Traumata zu empfinden, welche die von ihm beschriebene Person im Laufe eines Lebens erlitten hat, das der revolutionären Sache gewidmet oder – um mit den Worten seiner ersten Frau und Geliebten Alexandra Sokolowskaja zu sprechen – geweiht war. Selbst wenn er das Los des in Einzelhaft eingekerkerten neunzehnjährigen Lew Davidowitsch beschreibt, ist Services Haltung verächtlich und spöttisch. Er zitiert zum Beispiel aus einem bewegenden Brief, den Trotzki im November 1898 an Sokolowskaja schrieb. Der junge Mann ist von Einsamkeit verzehrt und leidet unter Schlaflosigkeit. Er bekennt, an Selbstmord gedacht zu haben, aber versichert Alexandra dann, dass er »sehr am Leben hängt«. Und was ist die Reaktion von Robert Service? Er schreibt: »In diesen Empfindungen steckten Protzerei und Unreife. Er war ein egozentrischer junger Mann.« (S. 73)

Schließlich heiraten Trotzki und Sokolowskaja und werden nach Sibirien ins Exil geschickt. Sie haben zwei Kinder. Trotzkis Ruf als brillanter junger Schriftsteller zieht die Aufmerksamkeit der wichtigsten Führer des russischen Sozialismus auf ihn. Der Wunsch, den Wirkungskreis seiner Aktivität in der revolutionären Bewegung zu erweitern, lässt in ihm die Entschlossenheit wachsen, aus dem sibirischen Exil zu fliehen. In seiner Autobiografie schreibt Trotzki, Sokolowskaja habe ihn in seiner Absicht bestärkt.

Aber Service widerspricht Trotzkis Darstellung, ohne dafür irgendwelche Indizien anzuführen: »Das ist schwerlich für bare Münze zu nehmen. Bronstein hatte vor, sie in der Wildnis Sibiriens allein zu lassen. Sie hatte niemanden, der sich um sie kümmerte, und sie mußte, während der Winter nahte, ganz allein zwei kleine Babys versorgen.« (S. 92)

Services Schimpftirade gipfelt in einer vulgären Bemerkung: »Kaum hatte er zwei Kinder gezeugt, beschloß er, sich aus dem Staub zu machen. Wenige Revolutionäre hatten so einen Schlamassel hinterlassen.« (S. 92)[29] Sich selbst widersprechend gibt Service zu, dass Trotzki »sich im Rahmen des revolutionären Verhaltenskodex’ bewegt«[30] habe. Aber dann erklärt er: »Auch wenn Alexandra wirklich zugestimmt haben sollte, zeigte Lew doch, wie wenig er das Opfer, das er von ihr verlangt hatte, schätzte. ›Das Leben‹, sagte er, als wäre es eine schlichte Tatsache, ›hatte uns auseinandergebracht.‹ In Wahrheit hatte er beschlossen, sich von seinen ehelichen und elterlichen Pflichten zu trennen.« (S. 92)

Einmal abgesehen von dem verleumderischen Charakter dieser Behauptung, der allem widerspricht, was man über die Realität des revolutionären Kampfs weiß, ist kaum ein anachronistischeres Herangehen an die Geschichtsschreibung vorstellbar. Service nimmt sich heraus, das Verhalten von Revolutionären im Russland des späten neunzehnten Jahrhunderts zu beurteilen, die auf Leben und Tod im Kampf mit der zaristischen Autokratie lagen, und er misst es an der Latte eines wohlhabenden, konservativen und selbstzufriedenen Philisters aus der oberen Mittelschicht des heutigen Englands.

Es sei erwähnt, dass Service Trotzkis Satz nicht zu Ende zitiert. »Das Leben hatte uns auseinander gebracht«, schrieb Trotzki, »aber es hat unsere geistige Verbindung und unsere Freundschaft unerschüttert bewahrt.«[31]

Der dauerhafte Charakter dieser tiefen Freundschaft und wechselseitigen Solidarität zwischen Trotzki und Sokolowskaja wurde von Letzterer in Gesprächen mit Max Eastman in den 1920er-Jahren bestätigt. Alexandra hat diese Freundschaft nie verraten, wofür sie letztlich mit ihrem Leben bezahlte. Stalin ermordete sie 1938. Service hat zu ihrem tragischen Schicksal folgenden kalten und verächtlichen Kommentar: »Ihre Schwierigkeiten hatten damit begonnen, daß sie eine kurzlebige Ehe einging, damit sie und Trotzki in Sibirien zusammenbleiben konnten – und in Sibirien ist sie am Ende gestorben.« (S. 539)

Das tragische Schicksal von Trotzkis Tochter Sina, die im Januar 1933 in Berlin Selbstmord beging, behandelt Service erbarmungslos und bösartig. Er schreibt: »Trotzki versuchte, die Tragödie in der Weise zu bewältigen, daß er alles auf Stalin schob und speziell auf die Art, wie er mit ihr umgegangen war.« (S. 484)

Er fährt fort: »Diese Anschuldigung, die man in Trotzkis Darstellungen wiederholt antrifft, ging an die falsche Adresse. Sina hatte so lange in Suchumi bleiben dürfen, wie sie wollte. Es war Trotzki, der sie ins Ausland gerufen hatte, und nicht Stalin, der sie abgeschoben hatte, und es war Trotzki, mit dem sie leben wollte. Der Versuch, den Todesfall zu politisieren, war nicht Trotzkis größter Moment.« (S. 484)

Service zitiert lieber nicht aus dem Brief, den Trotzki am 11. Januar an das Zentralkomitee der KPdSU schrieb, weniger als eine Woche nach dem Selbstmord seiner Tochter. Er teilt seinen Lesern auch nicht mit, dass Sina nicht nach Russland zurückkehren konnte, wo ihr Mann, ihre Tochter und ihre Mutter noch lebten, weil das stalinistische Regime ihr die Staatsbürgerschaft aberkannt hatte. Trotzki schrieb: »Dass man ihr die Sowjetbürgerrechte absprach, war ein purer, sinnloser Racheakt gegen mich.«[32]

Weil Service Trotzki, wo immer möglich, verleumden will, spricht er das stalinistische Regime von jeder Verantwortung für den Tod seiner Tochter frei. Und das trotz der Tatsache, dass Stalin, wie Service genau weiß, nur wenige Jahre später Trotzkis erste Frau, seine Söhne, seine Brüder, seine Schwester und sogar seine Schwiegereltern ermordete.

Eine schändliche Episode

Obwohl diese Besprechung nicht ganz kurz geraten ist, bleibt vieles ungesagt. Eine umfassende Richtigstellung aller Verdrehungen und Falschdarstellungen von Service würde leicht ein ganzes Buch füllen. Der Autor dieser Zeilen behält sich die Entlarvung von Services politischen Fälschungen und seiner ständigen Verteidigung Stalins gegen Trotzki für eine andere Gelegenheit vor. In dieser Hinsicht wird eine weitere wichtige Frage zu klären sein: die Bedeutung des Zusammentreffens von neostalinistischen Fälschungen und traditionellem angloamerikanischem Antikommunismus in den Trotzki-Biografien von Thatcher, Swain und Service. Es ist auffallend, wie sehr der andauernde Feldzug gegen Trotzki auf die Lügen und Fälschungen der Stalinisten zurückgreift.

Ein letzter Punkt verdient Aufmerksamkeit: Das ist die Veröffentlichung dieser Biografie durch Harvard University Press. Man muss sich wirklich fragen, weshalb der Verlag seinen Namen für ein solch beklagenswertes und beschämendes Werk hergegeben hat. Es ist kaum vorstellbar, dass Services Manuskript auch nur ansatzweise einer kritischen Überprüfung unterzogen wurde. Es müsste doch an der historischen Fakultät von Harvard auch heute noch Professoren geben, die ernsthafte historische Arbeit von Schund unterscheiden können.

Früher war Harvard einmal zu Recht stolz auf seine Rolle als Archivar des nicht-öffentlichen Teils von Trotzkis Nachlass, den die Universität auf Wunsch von Trotzki und Natalja Sedowa fast vierzig Jahre lang verschlossen hielt. Die Houghton Library betrachtete diese Papiere als wichtigen Teil ihrer historischen Sammlung. 1958 veröffentlichte Harvard aus eigenem Antrieb Trotzkis Tagebücher im Exil von 1935. Im Vorwort des Herausgebers heißt es respektvoll, Trotzki sei »heute für viele ein Held unserer Zeit«[33]. Ein halbes Jahrhundert später gibt der Verlag seinen Namen für ein verleumderisches und schlampiges Werk her. Versucht Harvard etwa, in der heutigen Zeit politischer Reaktion und intellektuellen Verfalls, Buße für seine früheren Prinzipien und wissenschaftliche Integrität zu tun? Aus welchem Grund auch immer, Harvard University Press hat sich mit Schande bedeckt. Man hofft, dass der Verlag irgendwann in der Zukunft, wenn Moral und Mut wieder etwas gelten, mit großem Bedauern auf diese Episode zurückschauen wird.


[1]

James Burnham, »Science and Style. A Reply to Comrade Trotsky.«, in: Leon Trotsky, In Defense of Marxism. London 1971; S. 233, aus dem Englischen.

[2]

James Burnham, »Review of The Prophet Armed by Isaac Deutscher«, in: Russian Review, Jg. 14, Nr. 2, April 1955; S. 151 f., aus dem Englischen.

[3]

Siehe Christopher Andrew, Defend The Realm: The Authorized History of MI5. New York 2009, und Peter Wright: Spycatcher. New York 1987.

[4]

Siehe Teil II dieses Buches.

[5]

Harvard University Press, Katalogeintrag für Robert Service, Trotsky, A Biography, http://www.hup.harvard.edu/catalo/SERTRO.html, aus dem Englischen.

[6]

Robert Service, Trotzki. Eine Biografie. Übersetzt von Friedrich Griese, Berlin 2012. Englische Originalausgabe: Trotsky. A Biography. Cambridge, MA und London 2009. Ungeachtet der Kritik, die mit der ersten Auflage des vorliegenden Buches bereits 2010 veröffentlicht worden war, hat Suhrkamp für die deutsche Ausgabe fast unverändert den englischen Originaltext zugrunde gelegt. Nur ganz wenige der von David North kritisierten Fehler wurden korrigiert, einige davon allerdings so, dass das Ergebnis noch schlimmer ist. Wo solche Korrekturen oder Korrekturversuche den vorliegenden Text betreffen, wird es vermerkt. Anm. d. Hrsg.

[7]

Leo Trotzki, »Testament«, 27. Februar 1940, in: Leo Trotzki, Tagebuch im Exil. München 1962; S. 145.

[8]

Alle in Klammern angefügten Seitenzahlen im Text beziehen sich auf Robert Service, Trotzki. Eine Biografie. Berlin 2012. Anm. d. Hrsg.

[9]

Es sei angemerkt, dass Service sich eng an die Linie von Geoffrey Swain hält, der sich beschwerte, man mache »aus Trotzki einen weitaus größeren Denker, als er wirklich war. Trotzki schrieb extrem viel, und als Journalist schrieb er gern über Themen, von denen er sehr wenig wusste.« (Geoffrey Swain, Trotsky. S. 3) Service ging in seiner Stalin-Biografie von 2004 mit dem sowjetischen Diktator und Massenmörder sehr viel respektvoller um. »Stalin war ein bedächtiger Mann«, schrieb Service, »und sein gesamtes Leben hindurch versuchte er, sich das Universum so zurechtzulegen, wie er es sah. Er hatte eine Menge studiert und wenig vergessen … Er war weder ein origineller Denker noch ein hervorragender Schriftsteller, aber er war bis an das Ende seiner Tage ein Intellektueller.« Siehe: Fred Williams Rezension von Services »Stalin: A Biography«, erschienen auf der World Socialist Web Site: http://www.wsws.org/articles/2005/jun2005/stal-j02.shtml

[10]

Der russische Name Евно Азеф wird im Deutschen Jewno Asef, im Englischen Evno Azef geschrieben. Services Schreibweise Azev ist falsch. Anm. d. Hrsg.

[11]

Der Autor bezieht sich mit diesen kritischen Hinweisen auf die englische Originalausgabe (S. 113) von Robert Service. In der deutschen Ausgabe des Suhrkamp-Verlages wurde die Ermordung Asefs daraufhin gestrichen, gleichzeitig damit aber auch der Bezug auf die Sozialrevolutionäre. Der deutsche Text (S. 148) liest sich dadurch so, als habe Asef das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands unterwandert: »Wohl sprach er sich gegen ›individuellen Terror‹ aus, wie ihn der Polizeispitzel und Attentäter Jewno Asef praktiziert hatte, der ihr Zentralkomitee unterwandert hatte.« Anm. d. Hrsg.

[12]

Der Autor bezieht sich auch mit diesen Anmerkungen auf den englischen Originaltext von Robert Service (S. 310), und auch hier wurde in der deutschen Ausgabe daraufhin eine »Korrektur« vorgenommen. Die Stadt Berlin wurde durch Hamburg ersetzt, zeitlicher Ablauf der Ereignisse, Politik und Rolle der KPD bleiben jedoch nach wie vor falsch dargestellt. Anm. d. Hrsg.

[13]

Dieser Fehler im englischen Originaltext (S. 371) wurde vom Übersetzer Friedrich Griese für die deutsche Ausgabe mit einer Fußnote (S. 468) richtiggestellt. Anm. d. Hrsg.

[14]

Korrigiert in der deutschen Ausgabe (S. 617). Anm. d. Hrsg.

[15]

Dieser Fehler (auf S. 500 f. der englischen Originalausgabe) ist in der deutschen Ausgabe von Robert Service (S. 622 f.) korrigiert. Anm. d. Hrsg.

[16]

Friedrich Griese hat für die Suhrkamp-Ausgabe diesen Ausdruck (im Englischen »idolator«) stark abgeschwächt und mit »Bewunderer« übersetzt (S. 12). Anm. d. Hrsg.

[17]

Im Gegensatz zu den Befürwortern des »Proletkults« Anfang der 1920er- Jahre vertrat Trotzki den Standpunkt, dass das Proletariat als unterdrückte Klasse keine eigene Kultur hervorbringen könne. Die Kultur der Zukunft, die auf der Grundlage einer weit höheren Entwicklung der Produktivkräfte entstehen würde, wenn keine Notwendigkeit für eine Klassendiktatur mehr bestünde, »wird schon keinen Klassencharakter mehr tragen. Hieraus muss man die allgemeine Schlussfolgerung ziehen, dass es eine proletarische Kultur nicht nur nicht gibt, sondern auch nicht geben wird, und es besteht wahrhaftig keinerlei Veranlassung dazu, dies zu bedauern. Das Proletariat hat ja gerade dazu die Macht ergriffen, um ein für allemal der Klassenkultur ein Ende zu setzen und der Menschheitskultur den Weg zu bahnen. Das scheinen wir nicht selten zu vergessen.« (Leo Trotzki, Literatur und Revolution. Essen 1994; S. 188)

[18]

Leo Trotzki, Mein Leben. Frankfurt am Main 1974; S. 86.

[19]

Max Eastman, The Young Trotsky. London 1980; S. 3, aus dem Englischen.

[20]

Fußnote 5 auf Seite 48.

[21]

Trotzki, Mein Leben. S. 84.

[22]

Ebd. S. 86.

[23]

Ebd. S. 86.

[24]

Eastman, The Young Trotsky. S. 12 f.

[25]

Diese Stelle auf Seite 205 der englischen Originalausgabe wurde vom deutschen Übersetzer entschärft: »Die Parteiführung wurde vielfach als eine jüdische Clique bezeichnet.« (S. 263 f.) Anm. d. Hrsg.

[26]

Trotzki, Mein Leben. S. 314.

[27]

Eastman, The Young Trotsky. S. 21.

[28]

Bei der Broschüre handelt es sich um ein Manuskript aus dem Nachlass des Philosophen, das später meist unter dem Titel »Die Kunst, Recht zu behalten« veröffentlicht wurde. Anm. d. Hrsg.

[29]

Der Übersetzer der deutschen Ausgabe ließ den zweiten Satz (»Wenige Revolutionäre …«) unter den Tisch fallen. Anm. d. Hrsg.

[30]

Auch dieser Satz wurde vom Übersetzer gestrichen. Anm. d. Hrsg.

[31]

Trotzki, Mein Leben. S. 123.

[32]

Der Brief Trotzkis wurde veröffentlicht in: Die Weltbühne, Jg. 29, 1933; S. 150 f.

[33]

Vorwort zu »Trotsky’s Diary in Exile, 1935«, New York 1963, aus dem Englischen. In die deutsche Ausgabe (Leo Trotzki, Tagebuch im Exil, Köln 1960) wurde dieses Vorwort nicht übernommen. Anm. d. Hrsg.